"Man muss auch sagen, dass es sehr viele Arten von Wildbienen gibt. Wir haben 560 Wildbienenarten alleine in Deutschland." - Lars Krogmann ist sozusagen von Berufswegen Wildbienenfan. Denn Krogmann arbeitet am Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart als Insektenkundler. Doch seit geraumer Zeit hört er nicht nur das Brummen der Wildbienen, sondern auch das Schrillen der Alarmglocken. Ihn beschäftigt vor allem:
"Die Anzahl der Arten, die hier in Mitteleuropa deutlich zurückgeht. Das heißt: Wir haben hier in Deutschland weniger Arten als noch vor 20, 30 Jahren. Und zum anderen die Anzahl die Individuen. Das heißt: Bei Arten, die bis vor wenigen Jahren noch ganz häufig waren, haben wir ganz drastische Bestandsrückgänge bis zu 95 Prozent."
Bestände nehmen rapide ab
Mit dieser Beobachtung weiß sich Lars Krogmann nicht alleine. Auch Professor Johannes Steidle, der sich an der Universität Stuttgart-Hohenheim mit Tierökologie beschäftigt, liest aus den Statistiken eine ähnliche Hiobsbotschaft heraus:
"In sehr kurzen Zeiträumen massive Rückgänge - eine Katastrophe im Prinzip."
Und Anlass für die Forscher für umfangreiche Ursachenforschung, wobei die naheliegenden Gründe ausscheiden:
"Gerade diese Wildbienen sind relativ wärmeliebende Arten. Das heißt: Die können nicht durch den Klimawandel besonders leiden. Und die Untersuchungen, die wir haben, sind auch Untersuchungen an Standorten, wo sich das Nahrungsangebot und die Möglichkeit für Nistplätze nicht verschlechtert, sondern verbessert haben. Und trotzdem sehen wir, dass sich die Bestände an diesen Stellen rapide abnehmen."
Aber warum bloß?
"Nach dem Ausschlussverfahren kann man im Prinzip nur noch auf die Neonicotinoide schließen."
Neonicotinoide - das sind künstlich hergestellte Gifte gegen Insekten. Viele Landwirte behandeln ihre Nutzpflanzen damit. Entscheidend für die Zulassung war der Umstand, dass die Neonicotinoide zunächst nicht direkt giftig auf Honig- und Wildbienenwirken wirken. Doch jetzt erst werden die Langzeitfolgen untersucht, und zwar auf das Nervensystem. Lars Krogmann:
"Bei Wildbienen gibt es nun Untersuchungen, die zeigen, dass bestimmte Arten von Bienen gar keine Nester mehr bauen. Das hat man bei Mauerbienen jetzt herausgefunden. Dass die Kommunikationsfähigkeit drastisch gestört ist. Dass Weibchen und Männchen nicht mehr zusammen finden. Das heißt: Diese Nervengifte können schon in kleinsten Konzentrationen dazu führen, dass Wildbienen und andere Insektenarten keine Nachkommen mehr zeugen."
Fachleute fordern Verbot der Neonicotinoide
Was mittlerweile nach Ansicht der Experten zu einer realen Bedrohung ganzer Wildbienenarten geworden ist - und das könnte langfristig fatal sein. Denn man muss kein Wildbienen-Nostalgiker sein, um zu erkennen, dass die kleinen Tierchen eine wichtige Funktion zur Wahrung des ökologischen Gleichgewichtes wahrnehmen. Professor Johannes Steidle von der Universität Hohenheim:
"Wildbienen zum Beispiel spielen eine ganz wichtige Rolle bei der Bestäubung von Pflanzen. Das heißt: Ohne Bestäubung durch Wildbienen könnten viele Pflanzenarten, also eigentlich alle, außer den Wind bestäubten, im Prinzip nicht leben, nicht existieren."
77 Experten aus ganz Deutschland haben deshalb einen Aufruf an Bundesumweltministerin Barbara Hendricks unterzeichnet. Wichtigster Punkt: Die Fachleute fordern ein Verbot der Neonicotinoide. Dabei ist Lars Krogmann eines klar: Dem geforderten nationalen Verbot muss zeitnah ein Verbot auf europäischer Ebene folgen.
"Europaweit gibt es derzeit eine sehr starke Diskussion zum Thema Neonicotinoide. Und ich habe da die Hoffnung, dass wir da innerhalb von kurzer Zeit ein Verbot der Neonicotinoide sehen werden, weil es einfach aus fast allen europäischen Ländern Daten gibt, die auf diese fast schon drastischen Einbrüche der Insektenpopulation hinweisen und einen vermehrten Zusammenhang mit dem Einsatz von Neonicotinoiden gebracht haben."
Widerstände gegen das geforderte Verbot sind jedoch von den Herstellern zu erwarten. Sie bestreiten die Langfristschäden, die Neonicotinoide bei Wildbienen anrichten. Ebenso wollen viele Landwirte nicht auf Neonicotinoide verzichten als wirksamer Schutz gegen Schädlinge.