Wenn Saatgut mit der Schutzhülle eines Nervengifts überzogen, also gebeizt wird, ist das tödlich für alle Insekten, die den Keimling und später die Pflanze anbeißen, erklärt Klaus Wallner, Leiter des Rückstandslabors an der Uni Hohenheim. Die drei jetzt EU-weit verbotenen Neonikotinoide seien extrem bienengiftig, räumt Wallner ein. Doch wenn Landwirte die Anwendungsregeln befolgten, kämen Bienen gar nicht in Kontakt mit den Nervengiften. Diese seien extrem stabil, verteilten sich optimal in der Pflanze und schützten sie deshalb wirksam gegen Käfer und Läuse.
Der Wissenschaftler stärkt dem Agrarminister von Rheinland-Pfalz den Rücken. Wie der FDP-Politiker Volker Wissing, so hält auch er die sogenannten Neonics für nötig, damit die Landwirte bei Zuckerrüben und Raps verlässliche Ernten einfahren können. Das Verbot bewirke, kritisiert Wallner, "dass wir den Raps in die Enge treiben. Und wir brauchen einfach den Raps. Das heißt, wenn wir Forderungen stellen an den Rapsanbau, die über das hinausgehen, was jetzt schon läuft, dann wird der Raps von unseren Feldern verschwinden, wir werden Soja haben oder von mir aus Hirse haben. Das heißt, wir verlieren eine ganz, ganz wichtige Bienenpflanze."
Disput über die Gefährlichkeit
Thomas Rabold, Nebenerwerbs-Imker mit über 100 Bienenvölkern, widerspricht. Für den Rapsanbau sei ein Neonikotinoid ja noch zugelassen, allerdings als Spritzmittel - nicht zur Saatgut-Beize:
"Da gibt es das Thiacloprid. Ich wehre mich auch gegen die Denkweise: Man verwendet ein Mittel, um eine Pflanze von innen heraus, giftig zu machen. Wo man sagt: Alles, was hier dran krabbelt und beißt und saugt, ist per se ein Schädling – muss vernichtet werden. Das ist so eine Art Krieg gegen Insekten. Das berücksichtigt nicht, dass es auch nützliche Insekten gibt, nicht nur Käfer, auch Honigbienen, sondern auch viele Käfer und welche, die das Bodenleben befördern."
Wind verteilte tödlichen Beizstaub
In Verruf gerieten die Neonikotinoide als Saatgut-Beize vor mehr als zehn Jahren. Damals verteilte starker Wind tödlichen Beizstaub beim Ausbringen von behandeltem Mais-Saatgut auf riesigen Flächen am Oberrhein und löste ein großes Bienensterben aus. Solche Anwendungsfehler seien aber strafbewehrt und in der Praxis die ganz große Ausnahme, betonen die Verfechter. Die Bio-Obstbäuerin Karin Strack bezweifelt das. Die Mainzerin baut Beerenobst im Nebenerwerb an und vermarktet es selbst. Darauf, dass ihre konventionell wirtschaftenden Nachbarn Pestizide sachgemäß anwendeten, könne sie sich nicht verlassen.
"Normalerweise darf man ab Windstärke drei nicht mehr spritzen. Da können Sie aber mal gucken, wie viele Leute noch spritzen. Und dann hat man demzufolge die Abdrift. Bei uns haben Sie lauter kleine Stücke, also keine großen Flächen, da wissen Sie ganz genau was passiert: Sie haben den Pflanzenschutzmittelbesatz auf dem Nachbaracker."
Verlust von Lebensräumen
Bienen leiden nicht nur unter Ackergiften. Hauptgrund für die Dezimierung auch der Wildbienen ist der Verlust von Lebensräumen, die in Äcker oder Siedlungsfläche umgewandelt werden. Doch die Landwirtschaft, besonders der Obstbau, könnte einiges tun, um die Vielfalt zu erhalten.
"Wichtig für die Wildbiene ist einmal die Nahrung, die vorhanden sein muss, nicht nur die Obstblüte, die ist ja irgendwann vorbei, dann gibt es ja Spezialisten, die bestimmte Pollen brauchen", weiß die Biologin Doris Dannenmann von der TH Bingen. Bei ihrer Forschung auf Obstanlagen in Rheinland-Pfalz hat sie nicht nur die erwachsene Biene im Blick. Sondern auch das Ei, die Larve und die Nistkammer. "Und dann brauchen sie Strukturen, in die man diese Nester anlegen kann: Entweder offener Boden, es graben viele Bodengänge – dann Totholz, in das Gänge gegraben oder vorhanden Gänge genutzt werden, markhaltige Stängel, hohle Stängel, alte Stängel – gerade Altgrassäume. Was man gern aus Ordnungsliebe alles wegmacht, das ist für diese Insekten wichtig zum Überleben, damit die Tiere, wenn das Eigelege drin ist, dass die Tiere im nächsten Jahr schlüpfen können und eine neue Generation heranwachsen kann."
Genau deshalb räumt Bio-Obstbäuerin Karin Strack ihre Brachflächen nicht auf. Oft genug erntet sie dafür allerdings das Kopfschütteln von Passanten.