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Nepal nach dem Erdbeben
"Keine Anzeichen für eine Seuche"

Den Eindruck, dass die Hilfe für Nepal chaotisch verlaufe, könne sie nicht bestätigen, sagte Georgia Pfleiderer vom Technischen Hilfswerk (THW) im DLF. Am Anfang sei Überlastung normal - entscheidend sei nun die Phase der Strukturierung.

Georgia Pfleiderer im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Das zerstörte Dorf Keruja in Nepal nach dem Erdbeben.
    Das zerstörte Dorf Keruja in Nepal nach dem Erdbeben. (AFP / Sajjad Hussain)
    Koordinierungsexperten von EU und UN seien eingetroffen, nun würden die Aufgaben in sogenannte Cluster eingeteilt. Das THW sei im Bereich WASH, also Wasser, Hygiene und Sanitär eingesetzt, so Pfleiderer. Gestern sei die Frachtmaschine aus Berlin mit Hilfsgütern gelandet: zwei Trinkwasseraufbereitungsanlagen, die bis zu 30.000 Menschen mit Trinkwasser versorgen können. Sauberes Wasser sei die wichtigste Vorsorge, damit keine Seuche ausbreche. Anzeichen für einen Ausbruch ehe das THW noch nicht, so Pfleiderer.
    Momentan sei man aber noch nicht so weit, man befinde sich noch in der Vernetzungsphase und unterstütze die Botschaft. Es gebe viele deutsche Touristen, die Rückflüge und Unterkünfte benötigen. Deren Koordination unterstütze das THW. Die Vorbereitungsphase sei entscheidender als schnelles Handeln, damit Hilfe gezielt verteilt werden könne.

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: Mehr als 5.000 Tote wurden bereits gezählt nach dem verehrenden Erdbeben in Nepal und es könnten noch weit mehr werden, denn in viele entlegene Regionen sind Nothelfer noch gar nicht vorgedrungen. UNICEF warnte gestern vor der - so wörtlich - Katastrophe nach der Katastrophe, denn in den zerstörten Strukturen des ohnehin armen Landes greift jetzt schon der Hunger um sich und Seuchen werden befürchtet. Gestern entlud sich in der Hauptstadt Kathmandu der Zorn der Menschen auf der Straße. Sie sind verzweifelt, weil die Hilfe nicht schnell genug ankommt, und sie werfen ihrer Regierung Versagen vor. In Kathmandu erreichen wir jetzt Georgia Pfleiderer vom Technischen Hilfswerk, das dort bei der Aufbereitung des Trinkwassers mithilft. Guten Morgen, Frau Pfleiderer!
    Georgia Pfleiderer: Guten Morgen nach Deutschland!
    Kaess: Sie sind seit Sonntag vor Ort. Können Sie denn den Eindruck bestätigen, dass die Koordinierung der Hilfe eher chaotisch verläuft?
    Pfleiderer: Das kann ich nicht bestätigen. Es ist normal in einer Katastrophe dieser Größenordnung, dass am Anfang eine sogenannte Chaosphase herrscht. Das ist aber ganz normal. Jeder ist hier überlastet und es kommt sehr, sehr viel Hilfe an, die koordiniert werden muss. Es gibt aber jetzt so langsam Strukturen, also, es sind Koordinierungsexperten auch von der EU und von der UN eingetroffen, es gibt hier verschiedene Cluster, wo die Aufgaben aufgeteilt werden, und so langsam beginnen die Strukturen.
    Kaess: In diesem Zusammenhang, Frau Pfleiderer, wird immer wieder der Flughafen in Kathmandu genannt. Welche Erfahrungen haben Sie dort gemacht?
    Pfleiderer: Ja, der Flughafen ist tatsächlich das Nadelöhr schlechthin. Schon vor der Katastrophe war der Flughafen schwierig anzufliegen, die Piloten müssen eine spezielle Ausbildung haben, um ihn anfliegen zu können. Er hat nur acht Stellplätze für Flugzeuge und jetzt kommen natürlich aus aller Welt Hilfsgüter und Teams an. Auf der anderen Seite wollen sehr viele Menschen wegfliegen und es ist jetzt wirklich sehr, sehr stark belastet, der Flughafen.
    "Bei dieser Größenordnung dauert es ein paar Stunden oder Tage"
    Kaess: Wie ist denn Ihre Abstimmung mit auf der einen Seite den einheimischen Behörden und wie mit anderen internationalen Organisationen?
    Pfleiderer: Wir wurden direkt abgeholt von Mitarbeitern der Deutschen Botschaft, wo wir uns auch jetzt befinden, und sind mit den Strukturen der Deutschen Botschaft hier super vernetzt. Wir greifen zurück auf das Netzwerk von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, die ja schon seit vielen Jahren hier eine Niederlassung haben, und sind jetzt gerade dabei, uns in die sogenannten Cluster einzubringen. Was uns betrifft ...
    Kaess: Was bedeuten die Cluster?
    Pfleiderer: Die Aufgaben werden in sogenannte Cluster aufgeteilt, zum Beispiel für Logistik oder Medizinversorgung. Und unser Cluster heißt WASH - Water, Sanitation and Hygiene - und das wird von UNICEF geleitet. Und da gab es gestern schon eine wichtige Besprechung, eine weitere wird heute stattfinden, und da melden sich alle Organisationen, die irgendwas mit Wasser, Hygiene, Sanitär zu tun haben, und da wird dann abgestimmt, wer geht in welches Gebiet, wer hat welche Kapazitäten und wer kann was leisten.
    Kaess: Und in diesem Zusammenhang würden Sie sagen, da funktioniert die Zusammenarbeit mit den einheimischen Behörden?
    Pfleiderer: Ja, die funktioniert. Das ist natürlich abgestimmt mit den einheimischen Behörden, es wird ja nichts gemacht ohne die Zustimmung oder die Anforderung durch die einheimischen Behörden, aber bei dieser Größenordnung der Katastrophe dauert es eben ein paar Stunden oder Tage, bis das alles in die richtigen Kanäle gelaufen ist.
    Kaess: Was haben Sie jetzt im Gepäck, welche Hilfe können Sie leisten?
    Pfleiderer: Wir sind in der glücklichen Lage, dass gestern die Frachtmaschine aus Berlin zusammen mit Hilfsgütern vom DRK gelandet ist. Da sind wir sehr glücklich, weil eben der Flughafen das Nadelöhr ist. Wir haben zwei Trinkwasseraufbereitungsanlagen dabei, die jeweils 5.000 Liter pro Stunde aufbereiten können. Wenn man das hochrechnet mit einem Ansatz mit fünf Litern pro Mensch am Tag, können wir unter optimalen Bedingungen bis zu 30.000 Menschen mit Trinkwasser versorgen.
    Kathmandu: "Die Menschen versuchen, in den Alltag zurückzukehren"
    Kaess: Und was machen Sie jetzt genau vor Ort? Sie müssen erkunden, wo Wasser entnommen werden kann, oder wie muss man sich das vorstellen?
    Pfleiderer: So weit sind wir leider noch nicht. Wir nehmen erstens an diesen vorher genannten Cluster-Meetings teil, vernetzen uns mit GIZ und anderen Organisationen. Und was wir aktuell ganz wichtig tun, wir unterstützen die Deutsche Botschaft hier, es gibt sehr viele Touristen und Deutsche, die sich an die Botschaft wenden, deren Rückflug gestrichen wurde, die Rückflüge benötigen, die Unterkunft benötigen, die sind auch hier an der Deutschen Botschaft. Und wir kümmern uns darum, dass das alles koordiniert wird. Wir unterstützen auch die Deutsche Botschaft mit einem sogenannte Help Desk am Flughafen, auch dahin kommen Deutsche, die nicht mehr wissen, wie sie zurückfliegen können. Da nehmen wir die Daten auf und koordinieren, dass die mit Flugzeugen anderer Länder auch nach Europa zurückfliegen können.
    Kaess: Frau Pfleiderer, das hört sich so an, als würde es etwas dauern, bis die tatsächliche Hilfe in Gang kommt und bis tatsächlich Menschen vom Wasser profitieren können. Ist da nicht mehr Tempo notwendig angesichts der katastrophalen Umstände?
    Pfleiderer: Ich halte diese Phase der Koordination im Vorfeld für äußerst wichtig, weil im Gegensatz, wenn jeder losgehen würde und sich da installieren, wo er glaubt, dass die Hilfe am nötigsten ist, ich glaube, das geht schief. Das muss koordiniert sein, damit alles am effektivsten eingesetzt werden kann.
    Kaess: Wie ist Ihr Eindruck von der Situation in Kathmandu?
    Pfleiderer: Hier in dem Stadtviertel, wo wir uns befinden, da öffnen die ersten Geschäfte. Es gibt Straßenverkehr, der - wie unser Fahrer sagte - ganz normal ist für Kathmandu. Die Menschen sind auf der Straße, sie versuchen, in den Alltag zurückzukehren. Was wir allerdings gesehen haben, es gibt sehr, sehr viele Zelte in Parks und öffentlichen Anlagen, wo Menschen, die wahrscheinlich in der Altstadt gewohnt haben, campieren. Sie trauen sich nicht zurück in ihre Häuser, weil die instabil geworden sind. Es gibt hier nach wie vor noch kleinere Nachbeben, wir haben auch schon eins spürbar erlebt, und die Menschen trauen sich jetzt im Moment noch nicht zurück.
    "Bisher kein Anzeichen für eine Seuche"
    Kaess: Haben Sie auch chaotische Situationen mitbekommen, wir haben gestern hier Fernsehbilder gesehen von demonstrierenden Menschen auf der Straße?
    Pfleiderer: Nein, die haben wir nicht mitbekommen. Das Einzige, was man als chaotisch bezeichnen könnte, ist die Situation am Flughafen, aber das ist der Situation geschuldet, dass es eben das Nadelöhr ist.
    Kaess: Das THW ist für das Trinkwasser zuständig. Es gibt mittlerweile ja die Befürchtung, dass Seuchen ausbrechen könnten. Sehen Sie Anzeichen dafür?
    Pfleiderer: Nein, Anzeichen sehen wir hier noch nicht dafür. Aber das ist natürlich genau das Wichtigste. Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel und das ist natürlich eine Vorsorge, damit solche Seuchen nicht ausbrechen. Das wäre jetzt das Schlimmste, wenn durch verunreinigtes Trinkwasser hier noch eine zusätzliche Belastung für die Menschen dazukäme.
    Kaess: Und hinzu kommt auch noch, dass der Monsun bald beginnen soll, das könnte die Situation auch noch einmal verschlechtern. Merkt man schon was vom Regen?
    Pfleiderer: Ja, es hat gestern und heute geregnet, aber nicht stark. Das ist auch, glaube ich, noch üblich, sagten uns die Mitarbeiter von der Botschaft. Die Temperaturen liegen bei 20 Grad, also, die Umstände hier sind noch wirklich in Ordnung.
    Kaess: Sagt Georgia Pfleiderer vom Technischen Hilfswerk, das gerade in Nepal bei der Aufbereitung des Trinkwassers mithilft. Danke für diese Informationen!
    Pfleiderer: Ich danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.