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"Nephilim" von Ebony Bones
Düster-dystopischer Blick auf die Zeit

Die britische Musikerin Ebony Bones hat in England und den USA gelebt, Brexit und Trump haben sie nachhaltig beeinflusst. In Asien - weit weg von zu Hause - hat sie reflektiert, was in der Welt passiert. Ihr neues Album ist ein beeindruckend bedrückender gesellschaftspolitischer Kommentar geworden.

Von Diviam Hoffmann |
    Weltuntergangsstimmung bei Ebony Bones. Die britische Künstlerin richtet auf ihrem neuen Album ihr Interesse auf dystopische Club-Musik-Elemente und düstere Erzählungen: So waren die Nephilim laut den biblischen Apokryphen bösartige Mischwesen. Auf ihrem "Nephilim" betitelten Album treffen Ebony Bones' Riot-Grrrl-Gesang, treibende Drums und rollende Bässe aufs klassische Orchester.
    Ebony Bones: "Ich möchte klassische Musik neu denken, wenn man so mag - mit elektronischen Club-Beats, die über dem Orchester platziert sind. Ich mag diese Gegenüberstellung. Damit bringe ich klassische Musik sozusagen in den Club. Außerdem wird klassische Musik meistens für, über und von weißen Männern gemacht."
    Selbermachen ist ihr Lebensmotto
    Bones aber arbeitet mit zwei großen Orchestern aus Asien zusammen: Dem Beijing Philharmonic Orchestra und dem Symphony Orchestra of India. Die 36-jährige Bones wurde in London als Ebony Thomas geboren. Drummer Rat Scabies von der Punk-Band The Damned gab ihr ihren Spitznamen -und sein DIY-Ethos mit auf den Weg: "Er hat mir beigebracht: Mach es einfach selbst - du lernst es, während du es machst!"
    Und das tat sie: Ebony Bones schrieb, komponierte und produzierte auch ihr drittes Album komplett eigenständig. Die Künstlerin, deren Vater aus der Karibik kommt, zitiert aber liebend gern aus der Musikgeschichte und stellt unerwartete Zusammenhänge her. So war für ihr neuestes Album die Bläser-Sektion von James Brown und Jimi Hendrix mit ihr im Studio. Auch der Reggae-Hit "Police And Thieves" ist zu hören. Im Original von Junior Murvin ist das Stück vielen in der Version von The Clash ein Begriff. Ebony Bones streicht in ihrer Version die Ursprünge des Stückes heraus, wenn sie es dubbiger klingen lässt. Gleichzeitig verfremdet sie es.
    "Der Song ist eine karibische Hymne! Mein Vater hatte einen Vinyl-Stand in Brixton und meine Kindheit war davon geprägt, mich durch die Plattenkisten zu wühlen. Diesen Song habe ich oft gespielt. Ich dachte, es wäre fantastisch, diesen Song durch die Ohren eines Kindes zu hören. Songs bekommen oft eine ganz andere Wirkung, wenn sie von Kindern gesungen werden. Das Stück klingt bei mir sehr düster und geisterhaft." Im Text geht es ursprünglich um Unruhen Anfang der 70er auf Jamaika. Bei Ebony Bones wird das Stück zu einem aktuellen Kommentar auf Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA.
    Kein Platz für britische Identität
    Auch den Ausstieg Großbritanniens aus der EU und einen erstarkenden Nationalismus verarbeitet Bones. In "No Black In The Union Jack" zitiert sie eine 50 Jahre alte, rassistische Rede des rechtskonservativen Politikers Enoch Powell. "Die Rede ist eine der rassistischsten Kommentare, die es in Großbritannien je gegeben hat. Und deswegen wurde die Rede verbannt. Aber ich finde es wichtig, darüber zu sprechen, weil dahinter die selben Vorstellungen stehen, die nun zum Brexit geführt haben. Anstatt sich mit jemandem auseinander zu setzen, mit dem wir nicht einverstanden sind, wurde er einfach unter den Teppich gekehrt. Aber diese Ansichten verschwinden nicht einfach, sie treten wieder an die Oberfläche."
    "Sent them back", skandiert sie in "No Black In The Union Jack". Für Schwarz sei kein Platz in der britischen Flagge - und somit in der britischen Identität. Weder für Flüchtlinge, noch für die Millionen Briten und Britinnen, deren Eltern oder Großeltern aus ehemaligen Kolonien Großbritanniens eingewandert sind.
    Ebony Bones Ideen-Overload ist auf "Nephilim" auch ein Zitat-Overload. Das klingt überwältigend, manchmal auch überfordernd. Die düster-dystopische Musik ergänzt damit treffsicher ihren gesellschaftspolitischen Kommentar. Ebony Bones zeigt sich mit ihrem dritten Album erneut als eine der wichtigsten Künstlerinnen unserer Zeit.