Ein mehrstöckiges Haus im noblen Viertel Zamalek, auf der einzig bewohnten Insel des Nils. Ein breites Treppenhaus – inklusive Wachmann – führt in die Wohnung einer privaten Kunstsammlerin.
Überall, an allen Wänden vom Wohnzimmer bis zum Flur, hängen Bilder von ägyptischen Malern des letzten Jahrhunderts. Eine, die auf diese Tradition aufbaut, ist die Künstlerin Nermine Hammam. Eine Frau Mitte 40 in Jeans, Pulli und offenem, wallendem Haar, die eine Zeit lang in New York lebte und bereits in Kapstadt, Paris und Turin ausgestellt hat. Zusammen mit anderen Künstlern zeigt sie ausländischen Journalisten in der Wohnung der Sammlerin ihre Bilder.
Wir suchen einen ruhigen Ort für ein Interview und finden ihn im Schlafzimmer. Und selbst hier, über dem Bett und an der Wand gegenüber: Bilder. Nermine Hammam setzt sich selbstbewusst auf das Bett der Kunstliebhaberin und beginnt zu erzählen: von den Schwierigkeiten, ihre Kunst zu präsentieren, nicht nur in Ägypten:
"Meine neuen Arbeiten sind voll von Nackten. Ich kann sie nicht ausstellen. Auf einem Bild benutze ich eine Sure aus dem Koran, das kann ich nicht zeigen, weder hier noch woanders. Denn die Welt ist so klein geworden und es würde hier bekannt werden. Zensur findet immer noch statt, vielleicht eine andere Art von Zensur- eher religiös begründet als politisch."
Nermine Hammam kombiniert Fotografie und Malerei. Mit ihrem Handy zeigt sie Fotos von ihren Arbeiten, zum Beispiel die Serie "Ma´at". Ma´at ist eine ägyptische Göttin und steht für Gerechtigkeit, Wahrheit und Weltordnung. Es sind farbenfrohe, detailliert gemalte Bilder, mit verschiedenen Frauenikonen, die alle das Gesicht von Nermine Hammam tragen. Die Künstlerin inszeniert sich in der Serie als willensstarke Malerin Frida Kahlo und auch als Marlene Dietrich, jener Schauspielerin, die Nazi-Deutschland den Rücken kehrte.
"Marlene Dietrich fasziniert mich, als Persönlichkeit und wegen der Stärke, die sie ausstrahlt. Auch ihr Spiel mit den Geschlechterrollen ist großartig. Vom Blauen Engel bis ganz ans andere Ende des Spektrums konnte sie gehen, einfach fantastisch."
Nermine Hammam, die Mutter einer schulpflichtigen Tochter ist, präsentiert in ihrer Kunst Frauenfiguren, die dem Bild der unterdrückten Ägypterin widersprechen. Genauso wie sie selbst, sowohl als Frau wie auch als weiblicher Künstler innerhalb der Kunstszene.
"Manchmal denke ich, dass der Westen die Frauen orientalisiert: Frauen werden unterdrückt, Frauen sind dies, Frauen sind das. Das ist nicht der Fall. Frauen werden in der Kunstwelt genauso unterdrückt wie Männer. Manchmal habe ich sogar den Eindruck, Frauen haben größere künstlerische Freiheiten. Sie können sich als Akt portraitieren oder andere nackte fotografieren. Das wird eher akzeptiert, als wenn ein Mann ein nacktes Selbstportrait macht oder nackte Männer malt."
Nermine Hamman weiß, was sie will und scheint wenig Kompromisse einzugehen. Die Fotografin Marwa Adel kommt dazu: Sie trägt ein Kopftuch, das ihr ebenmäßiges Gesicht mit den sorgsam gezupften Augenbrauen frei lässt und Haare und Schultern bedeckt. Auch sie setzt sich auf das Bett und zeigt auf ein Bild an der Wand. Es ist von ihr: Das Foto eines Mannes, der ganz allein auf einem Platz steht. Es gehört zu einer Serie, in der sich immer mehr Menschen zu dem Einzelnen stellen, ähnlich den Abläufen auf dem Tahrir-Platz.
"Welche Gruppe hat die Mehrheit? Es ist keine Polizei mehr da. Wie viele Zivilisten sind auf dem Platz und wie hat sich die Anzahl der Polizisten so verringert?"
Die Revolution hat die Kunst von Marwa Adel beeinflusst. Aber die Künstlerin, Ende 20, geschieden, Mutter eines Kindes, arbeitet auch mit anderen Motiven: Sie fotografiert nackte Frauen. Auf den großformatigen Fotos von Marwa Adel blicken die abgebildeten Frauen unter durchsichtigen Schleiern selbstbewusst und in sich ruhend direkt in die Kamera. Nein, mit ihrer Kunst möchte sie kein Tabu brechen, erzählt sie. In ihren Portraits gehe es um die Gefühle ihrer Generation, auch um ihre eigenen. Um die Erwartungen an die perfekte Frau, Ehefrau und Mutter, um schlechte Erfahrungen in ihrer eigenen Ehe. Ihre Bilder zeigen die Suche nach der weiblichen Rolle im neuen Ägypten. Die Religion spielt dabei keine Rolle:
"Ich halte die Religion aus meiner Kunst heraus, weil sie nicht der richtige Platz dafür ist. Ich bin eine ägyptische Frau, die sich außerhalb der Regeln bewegt. Denn die Gesellschaft akzeptiert nicht, dass man über den menschlichen Körper redet. Oder darüber, dass man die arrangierte Ehe nicht mag. Aber ich kümmere mich nicht darum, was die Leute von mir denken. Das ist nicht mein Problem."
Marwa Adel und Nermine Hammam stehen für eine neue Generation von Künstlerinnen in Ägypten, die trotz aller Unterschiede eine große Gemeinsamkeit haben: die Sehnsucht nach Freiheit. Sollte dieses Ziel nicht erreicht werden, hat Nermine Hammam für sich und ihre Tochter schon über Alternativen nachgedacht: Dann macht sie es vielleicht wie Marlene Dietrich – wie sie selber sagt - und verlässt das Land, zum Beispiel Richtung Südamerika:
"Südamerika hat eine neue Energie, es ist neu, es hat etwas jungfräuliches. Der Kontinent akzeptiert den Wandel. Europa hingegen ist alt, am Ende, kapselt sich ein. Die neue Energie in Südamerika ist schnell, sie ist jung und ich wäre gerne ein Teil von ihr."
Mehr dazu:
Zur Übersichtsseite der Sendereihe "Neustart am Nil"
Überall, an allen Wänden vom Wohnzimmer bis zum Flur, hängen Bilder von ägyptischen Malern des letzten Jahrhunderts. Eine, die auf diese Tradition aufbaut, ist die Künstlerin Nermine Hammam. Eine Frau Mitte 40 in Jeans, Pulli und offenem, wallendem Haar, die eine Zeit lang in New York lebte und bereits in Kapstadt, Paris und Turin ausgestellt hat. Zusammen mit anderen Künstlern zeigt sie ausländischen Journalisten in der Wohnung der Sammlerin ihre Bilder.
Wir suchen einen ruhigen Ort für ein Interview und finden ihn im Schlafzimmer. Und selbst hier, über dem Bett und an der Wand gegenüber: Bilder. Nermine Hammam setzt sich selbstbewusst auf das Bett der Kunstliebhaberin und beginnt zu erzählen: von den Schwierigkeiten, ihre Kunst zu präsentieren, nicht nur in Ägypten:
"Meine neuen Arbeiten sind voll von Nackten. Ich kann sie nicht ausstellen. Auf einem Bild benutze ich eine Sure aus dem Koran, das kann ich nicht zeigen, weder hier noch woanders. Denn die Welt ist so klein geworden und es würde hier bekannt werden. Zensur findet immer noch statt, vielleicht eine andere Art von Zensur- eher religiös begründet als politisch."
Nermine Hammam kombiniert Fotografie und Malerei. Mit ihrem Handy zeigt sie Fotos von ihren Arbeiten, zum Beispiel die Serie "Ma´at". Ma´at ist eine ägyptische Göttin und steht für Gerechtigkeit, Wahrheit und Weltordnung. Es sind farbenfrohe, detailliert gemalte Bilder, mit verschiedenen Frauenikonen, die alle das Gesicht von Nermine Hammam tragen. Die Künstlerin inszeniert sich in der Serie als willensstarke Malerin Frida Kahlo und auch als Marlene Dietrich, jener Schauspielerin, die Nazi-Deutschland den Rücken kehrte.
"Marlene Dietrich fasziniert mich, als Persönlichkeit und wegen der Stärke, die sie ausstrahlt. Auch ihr Spiel mit den Geschlechterrollen ist großartig. Vom Blauen Engel bis ganz ans andere Ende des Spektrums konnte sie gehen, einfach fantastisch."
Nermine Hammam, die Mutter einer schulpflichtigen Tochter ist, präsentiert in ihrer Kunst Frauenfiguren, die dem Bild der unterdrückten Ägypterin widersprechen. Genauso wie sie selbst, sowohl als Frau wie auch als weiblicher Künstler innerhalb der Kunstszene.
"Manchmal denke ich, dass der Westen die Frauen orientalisiert: Frauen werden unterdrückt, Frauen sind dies, Frauen sind das. Das ist nicht der Fall. Frauen werden in der Kunstwelt genauso unterdrückt wie Männer. Manchmal habe ich sogar den Eindruck, Frauen haben größere künstlerische Freiheiten. Sie können sich als Akt portraitieren oder andere nackte fotografieren. Das wird eher akzeptiert, als wenn ein Mann ein nacktes Selbstportrait macht oder nackte Männer malt."
Nermine Hamman weiß, was sie will und scheint wenig Kompromisse einzugehen. Die Fotografin Marwa Adel kommt dazu: Sie trägt ein Kopftuch, das ihr ebenmäßiges Gesicht mit den sorgsam gezupften Augenbrauen frei lässt und Haare und Schultern bedeckt. Auch sie setzt sich auf das Bett und zeigt auf ein Bild an der Wand. Es ist von ihr: Das Foto eines Mannes, der ganz allein auf einem Platz steht. Es gehört zu einer Serie, in der sich immer mehr Menschen zu dem Einzelnen stellen, ähnlich den Abläufen auf dem Tahrir-Platz.
"Welche Gruppe hat die Mehrheit? Es ist keine Polizei mehr da. Wie viele Zivilisten sind auf dem Platz und wie hat sich die Anzahl der Polizisten so verringert?"
Die Revolution hat die Kunst von Marwa Adel beeinflusst. Aber die Künstlerin, Ende 20, geschieden, Mutter eines Kindes, arbeitet auch mit anderen Motiven: Sie fotografiert nackte Frauen. Auf den großformatigen Fotos von Marwa Adel blicken die abgebildeten Frauen unter durchsichtigen Schleiern selbstbewusst und in sich ruhend direkt in die Kamera. Nein, mit ihrer Kunst möchte sie kein Tabu brechen, erzählt sie. In ihren Portraits gehe es um die Gefühle ihrer Generation, auch um ihre eigenen. Um die Erwartungen an die perfekte Frau, Ehefrau und Mutter, um schlechte Erfahrungen in ihrer eigenen Ehe. Ihre Bilder zeigen die Suche nach der weiblichen Rolle im neuen Ägypten. Die Religion spielt dabei keine Rolle:
"Ich halte die Religion aus meiner Kunst heraus, weil sie nicht der richtige Platz dafür ist. Ich bin eine ägyptische Frau, die sich außerhalb der Regeln bewegt. Denn die Gesellschaft akzeptiert nicht, dass man über den menschlichen Körper redet. Oder darüber, dass man die arrangierte Ehe nicht mag. Aber ich kümmere mich nicht darum, was die Leute von mir denken. Das ist nicht mein Problem."
Marwa Adel und Nermine Hammam stehen für eine neue Generation von Künstlerinnen in Ägypten, die trotz aller Unterschiede eine große Gemeinsamkeit haben: die Sehnsucht nach Freiheit. Sollte dieses Ziel nicht erreicht werden, hat Nermine Hammam für sich und ihre Tochter schon über Alternativen nachgedacht: Dann macht sie es vielleicht wie Marlene Dietrich – wie sie selber sagt - und verlässt das Land, zum Beispiel Richtung Südamerika:
"Südamerika hat eine neue Energie, es ist neu, es hat etwas jungfräuliches. Der Kontinent akzeptiert den Wandel. Europa hingegen ist alt, am Ende, kapselt sich ein. Die neue Energie in Südamerika ist schnell, sie ist jung und ich wäre gerne ein Teil von ihr."
Mehr dazu:
Zur Übersichtsseite der Sendereihe "Neustart am Nil"