Stefan Koldehoff: Es war eine enorme Kraftanstrengung und ein enormes Ereignis, als 1983 die Berliner Schlösser und Gärten das Gemälde "Die Einschiffung nach Kythera" des französischen Rokoko-Malers Jean-Antoine Watteau erwarben: die größte von drei Fassungen, für stolze 15 Millionen Mark. Das Haus Preußen hatte zuvor angekündigt, man wolle das Bild verkaufen. Also warfen der Bund, das Land Berlin und ein eilig gegründeter Freundeskreis zusammen, um den Kaufpreis aufzubringen. Umso unglaublicher ist, was heute die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet: Das Geld wäre möglicherweise gar nicht nötig gewesen, weil das Gemälde längst dem einst preußischen und nun deutschen Staat gehörte – seit 1926 nämlich. Die Schlösserverwaltung will sich dazu nicht äußern, der Freundeskreis auch nicht – in Berlin fand nämlich heute ein Prozess statt, in dem Georg Friedrich Prinz von Preußen dem Kunsthistoriker Guido Hinterkeuser genau diese Behauptung verbieten lassen wollte: das Watteau-Bild sei zweimal verkauft worden. - Mein Kollege Andreas Kilb hat den Fall für die FAZ recherchiert, und ihn habe ich vor dieser Sendung zunächst einmal nach den historischen Grundlagen gefragt.
Andreas Kilb: Es wurden im Wesentlichen zwei Dokumente vorgelegt, um den Sachverhalt in die eine oder andere Richtung zu klären. Das eine vonseiten des Hauses Hohenzollern, des Prinzen von Preußen, ist ein Gutachten von 1950, in dem der damalige Direktor der Bayerischen Schlösserverwaltung und frühere Direktor der Preußischen Schlösserverwaltung, Ernst Gall, behauptet, nach seinem Wissen beziehungsweise seiner bestimmten Erinnerung, wie er es nennt, sei das Gemälde von Watteau niemals ins Eigentum des preußischen Staates damals übergegangen und nie bezahlt worden. Und mit diesem Gutachten wurde damals das Watteau-Gemälde aus einem sogenannten Collecting Point der amerikanischen Besatzer ins Eigentum der Hohenzollern zurücküberführt. Das ist das eine Dokument und das andere Dokument wurde erst vor fünf Jahren, 2007, im Archiv der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel entdeckt. Und dies ist, glaube ich, das entscheidende neue Dokument, denn es ist die Abschrift eines Erlasses des preußischen Finanzministeriums von 1928, in dem festgestellt wird, dass dieses Gemälde neben anderen Kunstgegenständen ins Eigentum des preußischen Staates übergegangen, von diesem erworben und mit 1,8 Millionen Reichsmark bezahlt worden ist.
Koldehoff: Also wenn man es zusammenfassen würde: eine Erinnerung eines Museumsmitarbeiters, haben wir nie erworben, gegen ein Dokument, in dem steht, ist doch erworben worden. Wagen Sie da eine Gewichtung der beiden Belege?
Kilb: Na ja, man muss zunächst mal sagen, dass hinter all dem natürlich die deutsche Geschichte steht, mit der Schädigung und der Auslagerung der Museumsbestände, mit der Vernichtung von Museen, mit der Spaltung des deutschen Kulturbestandes in Ost und West und mit dem verloren gehen ganz vieler Akten und Beweise. Es gibt also keine Quittung, die erstellt worden wäre, und keinen anderen Zahlungsbeleg, der beweist, dass diese 1,8 Millionen Reichsmark vom preußischen Finanzministerium in die Hand der Hohenzollern geflossen sind – jedenfalls bisher nicht. Und es gab eben ganz viele Dokumente nicht und viele bleiben auch immer vernichtet oder verborgen oder vergessen. Aber dieses ist eben wieder aufgetaucht, und es handelt sich meines Erachtens tatsächlich um ein authentisches und ernsthaftes und auch nicht als Entwurf oder Versuch, wie es in dem Prozess getan wurde, zu bezeichnendes Dokument. Es ist eine amtliche Abschrift eines Erlasses, mit dem der Vorgang selbst durchgeführt wurde. Und diese amtliche Abschrift befindet sich deswegen oder befand sich deswegen in der Alten Nationalgalerie, weil die Alte Nationalgalerie selbst betroffen war von diesem Erwerb, denn unter den insgesamt 19 Posten, die da genannt werden, befinden sich eben auch drei Gemälde, die ins Eigentum der Alten Nationalgalerie übergegangen sind. Zwei hängen heute noch dort, sie sind von Franz Krüger, ein Drittes von Adolph von Menzel ist leider im Krieg verbrannt.
Koldehoff: Im Verfahren heute in Berlin, das Sie vorhin angesprochen haben, Herr Kilb, ist eine Entscheidung ergangen. Das Gericht hat die Klage des Prinzen von Preußen gegen den Kunsthistoriker abgewiesen. Das alles liege zu weit zurück, als dass da noch eine persönliche Betroffenheit vorhanden sein könnte. Hat man sich denn seitens des Gerichtes auch zur Sache selbst geäußert?
Kilb: Der Richter hat eine Privatmeinung geäußert, was er darf in einem solchen Fall, dass er selber denkt, dass der Doppelverkauf bewiesen sei. Man muss aber dazu sagen, dass das sozusagen keine rechtsgültige Formulierung und auch kein Entscheid ist. Man wird zunächst mal jetzt abwarten müssen, was in der schriftlichen Urteilsbegründung, die dann in einigen Wochen ergeht, stehen wird. Aber pikant ist der Fall und diese Entscheidung jetzt natürlich dadurch, dass der zweite Erwerb des Bildes, nämlich im Jahr 1983 für 15 Millionen D-Mark damals, natürlich durch dieses Urteil, durch diesen Entscheid in ein schiefes Licht gerückt wird. Jetzt müssen sich die Beteiligten eben fragen, inwieweit es rechtlich möglich ist oder moralisch geboten oder wie auch immer, haushälterisch erforderlich, diesen Verkauf zu prüfen und eventuell das gezahlte Geld zurückzufordern. Soweit ich das gehört habe, gibt es da einige Nervosität in der Kulturverwaltung. Genaues weiß man nicht, aber es gibt natürlich eine Art haushälterische Pflicht, in einem solchen Fall Geld, was man zu viel oder fälschlich gezahlt hat, zurückzufordern. Inwieweit das nun justiziabel und durchführbar ist, wird die Zukunft zeigen.
Koldehoff: …, sagt Andreas Kilb von der FAZ über die Frage, ob Watteaus Gemälde "Einschiffung nach Kythera" zweimal vom Haus Preußen an den Staat verkauft wurde.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Andreas Kilb: Es wurden im Wesentlichen zwei Dokumente vorgelegt, um den Sachverhalt in die eine oder andere Richtung zu klären. Das eine vonseiten des Hauses Hohenzollern, des Prinzen von Preußen, ist ein Gutachten von 1950, in dem der damalige Direktor der Bayerischen Schlösserverwaltung und frühere Direktor der Preußischen Schlösserverwaltung, Ernst Gall, behauptet, nach seinem Wissen beziehungsweise seiner bestimmten Erinnerung, wie er es nennt, sei das Gemälde von Watteau niemals ins Eigentum des preußischen Staates damals übergegangen und nie bezahlt worden. Und mit diesem Gutachten wurde damals das Watteau-Gemälde aus einem sogenannten Collecting Point der amerikanischen Besatzer ins Eigentum der Hohenzollern zurücküberführt. Das ist das eine Dokument und das andere Dokument wurde erst vor fünf Jahren, 2007, im Archiv der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel entdeckt. Und dies ist, glaube ich, das entscheidende neue Dokument, denn es ist die Abschrift eines Erlasses des preußischen Finanzministeriums von 1928, in dem festgestellt wird, dass dieses Gemälde neben anderen Kunstgegenständen ins Eigentum des preußischen Staates übergegangen, von diesem erworben und mit 1,8 Millionen Reichsmark bezahlt worden ist.
Koldehoff: Also wenn man es zusammenfassen würde: eine Erinnerung eines Museumsmitarbeiters, haben wir nie erworben, gegen ein Dokument, in dem steht, ist doch erworben worden. Wagen Sie da eine Gewichtung der beiden Belege?
Kilb: Na ja, man muss zunächst mal sagen, dass hinter all dem natürlich die deutsche Geschichte steht, mit der Schädigung und der Auslagerung der Museumsbestände, mit der Vernichtung von Museen, mit der Spaltung des deutschen Kulturbestandes in Ost und West und mit dem verloren gehen ganz vieler Akten und Beweise. Es gibt also keine Quittung, die erstellt worden wäre, und keinen anderen Zahlungsbeleg, der beweist, dass diese 1,8 Millionen Reichsmark vom preußischen Finanzministerium in die Hand der Hohenzollern geflossen sind – jedenfalls bisher nicht. Und es gab eben ganz viele Dokumente nicht und viele bleiben auch immer vernichtet oder verborgen oder vergessen. Aber dieses ist eben wieder aufgetaucht, und es handelt sich meines Erachtens tatsächlich um ein authentisches und ernsthaftes und auch nicht als Entwurf oder Versuch, wie es in dem Prozess getan wurde, zu bezeichnendes Dokument. Es ist eine amtliche Abschrift eines Erlasses, mit dem der Vorgang selbst durchgeführt wurde. Und diese amtliche Abschrift befindet sich deswegen oder befand sich deswegen in der Alten Nationalgalerie, weil die Alte Nationalgalerie selbst betroffen war von diesem Erwerb, denn unter den insgesamt 19 Posten, die da genannt werden, befinden sich eben auch drei Gemälde, die ins Eigentum der Alten Nationalgalerie übergegangen sind. Zwei hängen heute noch dort, sie sind von Franz Krüger, ein Drittes von Adolph von Menzel ist leider im Krieg verbrannt.
Koldehoff: Im Verfahren heute in Berlin, das Sie vorhin angesprochen haben, Herr Kilb, ist eine Entscheidung ergangen. Das Gericht hat die Klage des Prinzen von Preußen gegen den Kunsthistoriker abgewiesen. Das alles liege zu weit zurück, als dass da noch eine persönliche Betroffenheit vorhanden sein könnte. Hat man sich denn seitens des Gerichtes auch zur Sache selbst geäußert?
Kilb: Der Richter hat eine Privatmeinung geäußert, was er darf in einem solchen Fall, dass er selber denkt, dass der Doppelverkauf bewiesen sei. Man muss aber dazu sagen, dass das sozusagen keine rechtsgültige Formulierung und auch kein Entscheid ist. Man wird zunächst mal jetzt abwarten müssen, was in der schriftlichen Urteilsbegründung, die dann in einigen Wochen ergeht, stehen wird. Aber pikant ist der Fall und diese Entscheidung jetzt natürlich dadurch, dass der zweite Erwerb des Bildes, nämlich im Jahr 1983 für 15 Millionen D-Mark damals, natürlich durch dieses Urteil, durch diesen Entscheid in ein schiefes Licht gerückt wird. Jetzt müssen sich die Beteiligten eben fragen, inwieweit es rechtlich möglich ist oder moralisch geboten oder wie auch immer, haushälterisch erforderlich, diesen Verkauf zu prüfen und eventuell das gezahlte Geld zurückzufordern. Soweit ich das gehört habe, gibt es da einige Nervosität in der Kulturverwaltung. Genaues weiß man nicht, aber es gibt natürlich eine Art haushälterische Pflicht, in einem solchen Fall Geld, was man zu viel oder fälschlich gezahlt hat, zurückzufordern. Inwieweit das nun justiziabel und durchführbar ist, wird die Zukunft zeigen.
Koldehoff: …, sagt Andreas Kilb von der FAZ über die Frage, ob Watteaus Gemälde "Einschiffung nach Kythera" zweimal vom Haus Preußen an den Staat verkauft wurde.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.