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Netanjahu-Besuch
Merkel kritisiert Israels Siedlungspolitik

Äußerlich gehen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu freundlich miteinander um. Doch inhaltlich sind die Differenzen groß - auch über jüngte Aussagen des Gastes aus dem Nahen Osten.

Von Klaus Remme |
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geben am 21.10.2015 im Kanzleramt in Berlin eine gemeinsame Pressekonferenz.
    Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Auch und gerade in schweren Zeiten können freundliche Worte nicht schaden, die Bundeskanzlerin und ihr Gast aus Israel gleich zu Beginn der Pressekonferenz: "Herzlich willkommen. Und, ich weiß nicht, ob ich es sagen darf: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag."
    "Danke für die unablässige Unterstützung, wenn es um Israels Sicherheit geht", sagte Benjamin Netanjahu, nachdem Angela Merkel wiederholte, diese Sicherheit bleibe Teil der deutschen Staatsräson. Danach schaltete Netanjahu auf Angriff, nur einmal sprach er kurz hebräisch, ansonsten ausschließlich englisch und damit auch zu einem internationalen Publikum. "Die schlichte Wahrheit lautet: Sie wollen uns Juden umbringen und den Staat Israel zerstören", sagte Netanjahu über die palästinensischen Terroristen. Präsident Abbas wiegele sie auf, habe die Anschläge der letzten Wochen nicht verurteilt und mache gemeinsame Sache mit den Islamisten.
    Debatte um Netanjahus Äußerungen zum Holocaust
    Ausgerechnet hier in Berlin muss sich Benjamin Netanjahu die Frage gefallen lassen, ob nicht auch er Öl ins Feuer gieße, wenn er den Holocaust politisch instrumentalisiere. Dies durch seine Äußerung vor wenigen Tagen, der ehemalige palästinensische Mufti von Jerusalem habe Hitler zum Holocaust angestiftet. Netanjahu stellte jetzt klar: "Hitler ist für den Holocaust verantwortlich." Das solle niemand leugnen, das wisse jeder vernünftige Mensch, so Netanjahu. Aber es sei auch wichtig, daran zu erinnern, dass der Mufti den Nazis geraten habe, Juden nicht fliehen zu lassen, dass er die Endlösung unterstützte.
    Angesichts der aktuellen Katastrophen im Mittleren Osten ein verstörender Streit, selbst die Bundeskanzlerin wurde nach einer Stellungnahme gefragt: "Für die Bundesregierung aber auch für mich kann ich sagen, dass wir die Verantwortung der Nationalsozialisten für den Zivilisationsbruch der Schoah kennen. Und deshalb sehen wir von uns aus keinerlei Grund, unser Bild von der Geschichte insbesondere in dieser Frage zu ändern."
    Ansonsten bekannte Unterschiede in aktuellen Fragen. Angela Merkel bekräftigte die Bedeutung einer Zwei-Staaten-Lösung, bezeichnete die israelische Siedlungspolitik als kontraproduktiv.
    Syrien im Zentrum der Gespräche
    Doch im Zentrum der politischen Gespräche steht Syrien. Die Bundeskanzlerin konzedierte, bis zu einer Lösung werde es noch dauern, und weiter: "Da wird sicherlich ein Mann wie Assad keine politische Zukunft haben. Nichtsdestotrotz geht es jetzt erst einmal darum, das Leiden der Menschen so klein wie möglich machen und den Islamischen Staat zu bekämpfen."
    Morgen trifft sich Benjamin Netanjahu hier in Berlin mit dem amerikanischen Außenminister John Kerry. Zur Bundeskanzlerin sagte er abschließend: Immer wenn ich hier bin, geschieht im Nahen Osten irgendetwas. Ich hoffe, dass bei unserem nächsten Treffen dort einmal alles ruhig bleibt.