"I am a real American. Fight for the rights of every man. I am a real American. Fight for what's right. Fight for your right."
Es ist einer der zentralen Momente des Films: Wrestling-Star Hulk Hogan im Zeugenstand. Auf dem Kopf trägt er ein schwarzes Tuch. Um den Hals baumelt ein auffälliges Silberkreuz. Sein Oberkörper wirkt schwer in dem dunklen Anzug. Der blonde Schnäuzer ein Kontrast im gebräunten Gesicht. Einer der Anwälte fordert ihn dazu auf, der Jury seinen Wrestling-Charakter zu beschreiben. Er sei überlebensgroß, antwortet Hulk Hogan. Der Held des einfachen Mannes.
"Could you describe the character Hulk Hogan for the jury, please. - The character is larger than life. It's the all American character. He's the all American hero in a nutshell."
Dieses Selbstverständnis bildet die Grundlage dafür, wie das HulkHogan-Team den Prozess verstanden wissen möchte: Der Wrestler als Verteidiger amerikanischer Grundrechte gegenüber einer respektlosen Presse, in diesem Fall dargestellt von dem durchaus streitbaren Onlineportal Gawker. Zwei Monate nach Ende des Prozesses stellte sich allerdings heraus, dass die Anwälte einen prominenten Unterstützer hatten: Geldgeber war der Silicon-Valley-Milliardär Peter Thiel, bereits im Wahlkampf einer der ersten Unterstützer von Donald Trump. Und plötzlich wirkt dieser Gerichtsprozess gar nicht mehr so ehrenwert, schließlich ist der Präsident bekannt für seine Abneigung gegen Journalisten:
"I think the media is among the most dishonest groups of people I've ever met."
Fortsetzung eines Tech-Beefs mit anderen Mitteln?
Genau darum geht es den Filmemachern um Brian Knappenberger, die noch einen weiteren Fall miteinbeziehen, den des Verkaufs des "Las Vegas Review-Journal" an einen Casino-Mogul: Wie lässt sich die Pressefreiheit gegen einzelne Milliardäre verteidigen, von denen einer als Präsident im Weißen Haus sitzt? Die Position des Films ist eindeutig. Der Schlussappell unnötig kitschig:
"Eine gute Job-Beschreibung: Wer Milliardäre nicht provoziert, macht etwas falsch. Journalismus ist es Wert, beschützt zu werden. Die Presse repräsentiert die Öffentlichkeit. Wenn wir sie verlieren, verlieren wir das, wofür die USA stehen."
"Nobody Speak" hat noch eine andere Schwäche, die aber weniger offensichtlich ist: Mitproduzent ist das Medienunternehmen First Look Media, dessen Geldgeber ein anderer Milliardär ist: eBay-Gründer und Paypal-Anteilseigner Pierre Omidyar. Der Dokumentarfilm als Fortsetzung eines Tech-Beefs mit anderen Mitteln? Auch wenn dadurch ein leichter Beigeschmack entsteht, sehenswert ist der Film trotzdem, zumal er in einer Reihe steht mit anderen Produktionen, die in den letzten Monaten ein neues Genre etabliert haben: True Politics.
Wort haben Protagonisten, Verantwortung die Zuschauer
Die Parallelen zu True Crime sind eindeutig: reale Politikfälle, charismatische Figuren, eine Grauzone zwischen Gut und Böse - oder in dem Fall: zwischen liberal und konservativ. Einer der Filme ist der Festivalhit "Weiner" über den ehemaligen Skandalabgeordneten, dessen Sexting-Affäre Hillary Clinton womöglich die Wahl gekostet hat. Ein anderer das Politikberaterporträt "Get me Roger Stone", das ebenfalls auf dem Streamingdienst Netflix zu sehen ist.
"Ich bin Roger Stone. Ein Agent Provocateur. Stones Regeln sind Dinge, die ich gelernt habe, und die ich anderen vermitteln möchte, die auch in dieser Branche aktiv sein möchten. Ein Beispiel: Es ist besser berühmt berüchtigt, als gar nicht berühmt zu sein."
Eine solche Offenheit zeichnet die Dokumentarfilme aus: Das Wort haben die Protagonisten, die Verantwortung die Zuschauer. True Politics als Nachfolger von True Crime, das sich als Genre selbst überholt zu haben scheint. Denn wer braucht schon einen Kriminalfall, wenn Donald Trump im Weißen Haus sitzt?
Ausschnitt aus "Get me Roger Stone": "Sie machen eine Doku? - Das macht er. Er ist einer dieser gefährlichen liberalen linken schwulen... - Ich hasse solche Leute. - …New York-Times Kolumnisten. Aber er ist okay. - Die kenne ich."