Hill House ist ein typisches Geisterhaus.
Mit düsteren Zimmern, prunkvollen Kronleuchtern und schweren Säulen: Gotisch-viktorianisch. Hier knarzen die Fußböden, quietschen die Türen - und wenn es Nacht wird, liegen plötzlich alle wach.
Vater: "Nelly had a nightmare and Shelly is sleeptalking again."
Es spukt. Ein Fluch liegt auf dem Haus. Und ein Geist kommt nicht zur Ruhe: Die "bend-neck Lady".
Vater: "I know the bend-neck lady is really scary. But that’s all she is, a spill. Now go back to sleep!"
Die Serie "The Haunting Of Hill House" nimmt diese klassische Spukgeschichte, die auf dem gleichnamigen Roman der amerikanischen Gothic-Horror-Autorin Shirley Jackson von 1959 basiert, und sie denkt sie weiter, sie macht daraus: viel mehr! Nämlich ein starkes Familiendrama zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Vater: "You keep your eyes closed, no matter what. You' keep them close!"
Aus Sicht der fünf Kinder, die mittlerweile erwachsen sind, wird nach und nach das Schicksal der traumatisierten Familie aufgedeckt, die unter dem Tod der Mutter - damals im Hill House - leidet.
Sohn: "What about Mum? Dad!? What about Mum?"
Jedes Kind hat seine eigene Geschichte, seinen eigenen Weg damit umzugehen. Da ist z.B. der erfolgreiche Schriftsteller Stevie, der den erlebten Horror aufgeschrieben und vermarktet hat, als Buch (Titel: "The Haunting Of Hill House"), sich dafür mit seinen Geschwistern aber nicht mehr richtig versteht.
Stevie: "I can tell you one thing about Hill House that isn’t in the book. All those years there was one thing I never found: a reason."
Oder die unangepasste Theodora, die als Psychologin Kinder mit Wahnvorstellungen behandelt: "When I was little I was afraid of a lot of things. I didn’t have to be though. They were all in my head. I just didn’t know that yet."
Oder Shirley, die als Leichenpräparatorin arbeitet: "I am ellbow-deep in our sisters jest, pulling out her organs. That’s what happens when a body is autopsied and I have to take it out." Und plötzlich die eigene Schwester auf dem Seziertisch liegen hat. Der Schrecken wiederholt sich!
Subtile Effekte
Die Serie erzählt all das größtenteils mit subtilen Horrorelementen, ist mehr "Shining" als "SAW": Laute Schockeffekte, schnelle Schnitte oder brutale Gewaltszenen sind selten, stattdessen beherrschen langsame Kamerafahrten, ein stetig bedrohliches Hintergrundwummern und der Horror des Alltags die gezeigte Welt. Und hin und wieder bricht das Grauen dann urplötzlich herein.
Ob das, was wir da sehen real, übersinnlich oder eingebildet ist, bleibt offen. Die Perspektive variiert. Klar ist aber, dass das Gezeigte immer auch ein Spiegelbild der neurotischen Psyche der Figuren und ihrer zerrütteten Familienverhältnisse ist.
Shirley: "Why the hell would she go to that house? My kids will ask me how she died."
Theodora: "And you tell them!"
Shirley: "Tell them what? That she killed herself?"
Die Angst, der Horror, ist in jedem von uns, scheint die Serie zu sagen. Themen wie das Übernatürliche oder der Tod werden stellenweise auf fast philosophische Weise besprochen:
Shirley: "I know you are curious - and sad. I am sad, too. So sad I can't even tell you."
Interessante Protagonisten
Anders als viele Horrorfilme, interessiert sich die Serie wirklich für ihre Figuren und deren Innenleben - und ist nicht einfach nur auf billige Schocker aus. Insofern ist sie näher am Originalfilm "The Haunting" von 1963, der auf der gleichen Geschichte basiert, als an dessen enttäuschendem Remake von 1999 dran.
Bislang haben sich nur wenige Serie an das Genre Horror herangewagt. Aus gutem Grund, denn auf mehrere Episoden, gar Staffeln, kann das Gruseln schnell langweilig und voraussehbar werden. Nicht so bei "The Haunting Of Hill House", wobei man es genau genommen wohl auch eher mit einem Genremix aus Horror - der Vergangenheit - und Psychodrama - der Gegenwart - zu tun hat. Genau so funktioniert das Ganze eben. Und liefert gut zwei Wochen vor Halloween einen guten Grund, wieso man nachts mal wieder länger wach liegen könnte.