Deutschland will sich mit einer gewaltigen Kraftanstrengung in die Zukunft katapultieren: Bis 2018 soll es überall im Land einen schnellen Zugang zum Internet geben. Die Zeit ist knapp bemessen und daher fordert der Bundestag die Regierung auf, den Betreibern von Telekommunikationsnetzen per Gesetz unter die Arme zu greifen:
"Die Betreiber von Strom-, Gas-, Fernwärme-, und Abwassernetzen, von Kanalisationssystemen sowie von Verkehrsnetzen [...] müssen ausbauwilligen Telekommunikationsnetzbetreibern zum Breitbandausbau [...] die Mitnutzung ihrer physischen Infrastruktur ermöglichen."
Das entspricht einer EU-Richtlinie, und klingt erst einmal gut. Doch die Sache hat einen Haken: Die Rohre, in die die Breitbandkabel zur Not per Anordnung zwangsweise gezogen werden sollen, sind nicht leer. Das macht die Sache kompliziert.
"Das ist aber auch die Krux, die wir sehen, wir haben hier keinerlei technische Vorgaben, und deswegen sehen wir da auch mit großer Sorge, dass ein Gesetzentwurf gemacht wird, der jeglicher technischen Grundlage entbehrt", sagt Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer für Wasser und Abwasser des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW.
Versorger fürchten Nachteile für Kernaufgaben
Seit 2013 wehrt der sich gegen den zwangsweisen Zugang zu den Rohren. Wie auch der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachs, der die Normen für Trinkwasser- wie Gasnetze festlegt. Die Kritik: Ohne gründliche Untersuchungen und technische Regeln widerspräche ein gesetzlich verordneter Verlegungszwang den eigentlichen Aufgaben der Versorgungsnetzbetreiber. Zum Beispiel beim Gas:
"Gasleitungen sind so zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist."
Dazu gehört, dass die Unternehmen den Gasstrom mit Ventilen regulieren und im Notfall mit einem im Rohr aufgeblasenen Ballon stoppen können. Was nicht geht, wenn im Rohr zusätzlich die Glasfaserkabel einer Datenautobahn installiert sind.
Die Verlegung von Kabeln in Trinkwasserrohren sollte ursprünglich auch gestattet werden. Wegen möglicher Folgen für die Gesundheit ist diese Idee nun aber vom Tisch. Schließlich weiß keiner genau, ob der stete Strom von Wasser nicht giftige Substanzen aus der Ummantelung der Kabel freisetzen könnte.
Störungen vorprogrammiert
Abwasserrohre erscheinen da auf dem ersten Blick geeigneter. Ihr Inhalt fließt vom Haus weg und Ventile gibt es auch keine. Einige Städte haben daher schon Breitbandkabel in Abwasserrohren verlegt. Doch die Erfahrungen sind durchwachsen, so Martin Weyand.
"Aus den Erfahrungen, wie wir sie zum Beispiel auch in Berlin haben, aber auch in anderen Städten, wissen wir, dass es eben zu Störungen kommen kann, des Entwässerungsbetriebes, weil zum Beispiel Kabel aus den Halterungen gerissen werden, dadurch sich - Stoffe in diesen Kabeln einfangen und dann entsprechend Verstopfungen im Rohr stattfinden, dadurch gibt es eine Störung im Betrieb."
Heftige Regelfälle zum Beispiel können die Kanäle tagelang in reißende Flüsse verwandeln.
Weyand: "Wir haben einen sehr großen Vorfall im Münsterland gehabt mit großen Überschwemmungen, dort war der Abwasserkanal zwölf Tage lang nicht begehbar."
Bleibt der Regen aber aus, müssen die Abwasserkanäle regelmäßig gespült werden. Damit die Rückstände aus den Häusern nicht im Rohr liegen bleiben und langsam anfangen zu gären ...
"Das sind Hochdruckspülungen, dass heißt also, wenn man jetzt an entsprechende Säuberungsgeräte denkt, also mit viel, viel höherem Druck wird dort gespült, weil ansonsten kriegen Sie ja Reste, Essensreste aus Restaurants, Fette, die dort gelagert sind, eben nicht entfernt."
Beides hat den Kabelhalterungen in Berlin stark zugesetzt, sodass die Datenleitungen jetzt wieder entfernt werden sollen. Bevor daher mit neuen Techniken Breitbandkabel in bestehende Leitungsnetze gezogen werden, müssten deren Rohre erst einmal gründlich untersucht werden, fordert der BDEW. Und selbst wenn diese Untersuchungen dann zeigen, dass das Verlegen von Breitbandkabeln in Gas- oder Abwasserrohren funktioniert, sagt das noch nichts über die Kosten aus - oder darüber, wie die Rohre gewartet oder ausgetauscht werden können, ohne die Kabel zu verletzen. Im Licht all dieser Probleme, scheint es fast sinnvoller, die Glasfaserkabel zur Not auch mal auf Holzmasten durch die Provinz zu ziehen, wie früher die Telefonleitungen.