Die Schlagadern der Energiewende, die den Windstrom im Norden einsammeln und nach Süddeutschland ableiten sollen, werden allesamt später fertig als geplant.
Die Westtrasse von Emden über das rheinische Osterath zum ehemaligen Atommeiler Philippsburg bei Mannheim, die Stromautobahn Südlink, die bei Brunsbüttel und am heutigen AKW Brokdorf beginnt und dann als Doppelstrang parallel hunderte von Kilometern durch Niedersachsen und Hessen bis nach Franken verläuft, wo dann ein Abzweig Richtung Heilbronn geplant ist und auch der Süd-Ost-Link, der von Magdeburg runter nach Landshut führt. Überall das gleiche Bild: Fertig werden die Trassen nicht 2019 oder 2022, sondern 2021 oder auch erst 2025 - und selbst dahinter stehen Fragezeichen.
"Wenn Sie wissen dass ursprünglich 22 geplant war und 22 schon extrem sportlich war und wir jetzt drei Jahre verloren haben, dann ist einfach zu rechnen, dass selbst 25 extrem sportlich wird", sagt Lex Hartmann, der Vorstandschef des Netzbetreibers Tennet. Der Niederländer hat hautnah miterlebt, wie es zu diesen Verzögerungen kam.
Die alten Pläne sind Makulatur
Erst lautete der Auftrag, die Trassen möglichst effizient zu bauen. Heraus kamen Pläne für Stromautobahnen, die überwiegend als Überlandleitungen gebaut werden sollten. Das trieb die Bürger auf die Barrikaden. Auch Politiker wie Horst Seehofer rückten von ihrem Ja zum Trassenbau wieder ab, setzen im letzten Dezember die die teurere Erdverkabelung durch. Netzbetreiber Firmen wie 50Hertz oder Tennet warf dies um Jahre zurück, alle alten Pläne sind jetzt Makulatur.
"Durch diese Änderungen, die haben jedes mal wieder Folgen für Planung, weil es nun mal so ist, dass man ab einem bestimmten Moment diese Planugn wieder von Neuem anfangen muss. Sie müssen sich vorstellen, dass bei Süd-Link das echt bedeutet, dass alle Arbeit weg ist. Dass alles wieder von Neuem angefangen wird."
Das alles geht ins Geld. Südlink etwa, die mit 770 Kilometer längste Nord-Süd-Trasse, sollte einmal 3 Milliarden Euro kosten, bis 2025 dürften 10 Milliarden nicht ausreichen. Dabei war alles aufeinander abgestimmt: Wenn die letzten Atommeiler stillgelegt werden, sollten die Stromtrassen die dann entstehenden Lücken in der Stromerzeugung im Süden der Republik schließen. Deshalb führen die Trassen auch fast immer in die Umspannwerke und schließen an die Überlandleitungen an, die einst für die Atomkraftwerke gebaut wurden.
Windparks im Norden müssen abgeregelt werden
Dabei ist dieser Gleichschritt aus Atomausstieg, Ausbau der Erneuerbaren und Ausbau der Netze schon seit langem aus dem Tritt geraten. Schon heute müssen Windparks im Norden häufig abgeregelt werden, weil es an Leitungen fehlt. Und das wird künftig noch häufiger passieren – und es ist nicht zum Schaden der Windparkbetreiber.
Eine Milliarde Euro kostete das Abregeln der Windparks im Norden und der gleichzeitige Zukauf von Strom aus Österreich für Süddeutschland im letzten Jahr, 1,5 Milliarden könnten es diesem Jahr sein. Tendenz weiter steigend. Und sollten sich die Trassen noch weiter verzögern, dann könnte Deutschland beim Strom sogar in zwei Zonen zerbrechen. Dann wäre Strom im Norden billiger als in Süddeutschland.