In den bayrischen Bergen sind Windräder bisher selten zu sehen. Dagegen sorgt Windkraft im Norden Deutschlands für immer mehr Strom, aber auch für höhere Kosten für die dortigen Stromkunden. Denn sie finanzieren mit ihren Netzentgelten den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wenn es nach der Bundesnetzagentur geht, soll sich das ändern – zur Freude im Osten und Norden, aber zum Ärger in Bayern.
Was sind Netzentgelte?
Die Netzentgelte sind Teil des Strompreises und dienen dazu, das Stromnetz auszubauen und zu sichern. Sie werden von den Netzbetreibern festgelegt und auf der Stromrechnung gesondert aufgeführt. Die Bundesnetzagentur als zentrale Infrastrukturbehörde gibt Erlösobergrenzen vor. Äquivalent zum Strom gibt es Netzentgelte auch bei der Gasversorgung.
Laut einer Berechnung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft von Juli macht das Netzentgelt bei Strom durchschnittlich rund 21 Prozent der Stromrechnung aus, 9,52 Cent schlagen pro Kilowattstunde zu Buche. Im vergangenen Jahr waren es noch 8,08 Cent.
Wie werden die Netzentgelte berechnet?
Die Netzentgelte in Deutschland sind abhängig von den regionalen Betreibern und wie diese ihre Netze ausbauen und warten. Dadurch kommt es zu einer Schieflage zwischen Nord und Süd sowie teilweise auch zwischen Stadt und Land.
Dort, wo die Gewinnung erneuerbarer Energien etwa durch Wind- oder Solarparks ausgebaut wird, muss die Strominfrastruktur wie Leitungen oder Verteilstationen ebenfalls erweitert werden, um den produzierten Storm zu transportieren sowie eine Überlastung der Netze zu vermeiden. Diese Kosten geben die Netzbetreiber an die Verbrauer weiter.
Das heißt, dass Stromkunden in Schleswig-Holstein und Brandenburg höhere Netzentgelte als in Baden-Württemberg oder Bayern bezahlen müssen. Laut dem Monitoring-Bericht der Bundesnetzagentur lagen die Netzentgelte in Schleswig-Holstein bei zehn Cent je Kilowattstunde, in Bayern dagegen bei sieben Cent.
Wo sind die Netzentgelte besonders hoch?
Die Netzentgelte sind dort besonders hoch, wo in der letzten Zeit viele Windkraft- und Solaranlagen entstanden sind – also die Stromnetzinfrastruktur mit der erneuerbaren Energie mit ausgebaut werden musste. Das sind vor allem die ost- und norddeutschen Bundesländer.
Doch auch in diesen Bundesländern sind die Strompreise mitunter ungleich: In ländlichen Regionen sind sie höher als in den Städten. Dieser Unterschied ist laut dem Vergleichsportal Verivox in Thüringen am größten. Dort bezahlen Menschen auf dem Land zehn Prozent mehr für Strom als in der Stadt.
Hintergrund der regionalen Schieflage in Deutschland sind die Unterschiede beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Infolge des Atom- und Kohleausstiegs wurde in den ost- und norddeutschen Ländern wegen guter geografischer und meteorologischer Bedingungen auf Strom aus Windkraft gesetzt. In Süddeutschland stockt dagegen der Ausbau von Windrädern.
Welche Vorschläge gibt es, um die Netzentgelte zu senken?
In der Politik wird seit Monaten über den Umgang mit den unterschiedlichen Netzentgelten diskutiert. So sprechen sich Ministerpräsidenten aus Bundesländern, in denen viel Strom aus Windkraft produziert wird, für eine Änderung der Netzentgelte aus.
Sie fordern eine Umverteilung der Kosten des Netzentgeltes zugunsten der Stromkunden in ihren Ländern, damit diese vom Ausbau der erneuerbaren Energien profitieren. Darunter sind Brandenburgs Dietmar Woidke (SPD), Reiner Haseloff (CDU) aus Sachsen-Anhalt sowie jüngst auch der niedersächsische Regierungschef Stephan Weil (SPD).
Hilft der Staat oder regelt der Preis?
Insgesamt gibt es mehrere Vorschläge, wie die Netzentgelte neu geregelt werden könnte. Erstens, die Aufteilung des Strommarktes in mindestens zwei Preiszonen. Dies wurde bereits im Herbst 2022 von norddeutschen Flächenländern gefordert. Dies wird von süddeutschen Bundesländern abgelehnt, die auf einen einheitlichen Strompreis in Deutschland bestehen.
Zweitens, die Umlage der Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Dies könnte etwa durch eine gerechtere Festlegung der Netzentgelte durch die Regulierungsbehörde, die Bundesnetzagentur, erfolgen.
Ebenfalls für eine Umverteilung spricht sich der bayrische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger aus. Er will, dass die Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien durch den Staat übernommen wird. Dies würde verhindern, dass die Regionen benachteiligt werden, in denen Windkraftanlagen entstehen, so Aiwanger.
Was will die Bundesregierung gegen die unterschiedlichen Netzentgelte tun?
Um den unterschiedlichen Netzentgelten zu begegnen, hat die Bundesregierung ein Gesetzentwurf vorgelegt. Es handelt sich dabei um eine Anpassung an Vorgaben der Europäischen Union. Der Entwurf sieht vor, dass die Bundesnetzagentur als unabhängige Regulierungsbehörde die Netzentgelte festlegt. Wie die Regelungen schließlich aussehen weden, ist noch offen, der Gesetzentwurf liegt zurzeit beim Bundestag.
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sieht in dem geplanten Gesetz die Möglichkeit, dass Regionen, in denen viel Strom aus Windkraft produziert wird, durch niedrige Gebühren profitieren, wie er gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte.
Widerspruch erhielt Müller vom bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Er sieht in dem Vorhaben die Einführung von Strompreiszonen, die „Süddeutschland als industrielles Herz der Republik“ gefährdeten, wie er gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ erklärte.
Bislang wird an der Strombörse ein einheitlicher Großhandelspreis für ganz Deutschland berechnet. Allerdings hatte sich Bundesnetzagentur-Chef Müller gar nicht zu Strompreiszonen geäußert, sondern sich lediglich für mehr Fairness bei den Netzentgelten ausgesprochen.
rzr, dpa, AFP