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Netzexpertin Marina Weisband
"Ich habe das Private vom Politischen nie getrennt"

Ihre Heimat ist das Internet, meint Marina Weisband. Sie war Gesicht der Piraten-Partei und ist heute Expertin für digitale Themen. Das Netz sei ein Raum für Nähe und Distanz, eine Art "Wohnzimmer". Dort äußert sie sich politisch, trifft aber auch ihre Familie, die um den Globus verstreut ist.

Marina Weisband im Gespräch mit Antje Allroggen |
Marina Weisband in der ARD-Talkshow hart aber fair im WDR Fernsehstudio A. Köln, 10.02.2020
"Auf Twitter bin ich so, wie ich auf der Straße bin", meint die Marina Weisband (imago images / Future Image / C.Hardt)
Marina Weisband ist mit dem Internet aufgewachsen. Für sie ist es ein vertrauter Raum, ein Wohnzimmer, in dem sie Freunden begegnet. Zu vielen Menschen in ihrer unmittelbaren Nähe hätte sie indes gerne eine größere Distanz.
Das öffentliche Private
Auf Twitter postet sie auch private Sachen. Sie berichtet über ihre Haare, die ein paar Zentimeter kürzer geworden sind oder postet eine Zeichnung ihrer kleinen Tochter, die zu Corona-Zeiten entstanden ist. Vor einigen Jahren schrieb sie ausführlich im Internet über ihren Menstruationszyklus, was ihr auch viel Kritik und Häme einbrachte.
Marina Weisband ist Netzpolitikerin und war bis 2012 im Vorstand der Piraten-Partei. Die gebürtige Ukrainierin twitterte auch über die Proteste auf dem Maidan. Auf der Digitalplatform "aula" fordert sie mehr Macht für Schüler. Die Diplompsychologin ist in der politischen Bildungsarbeit aktiv. In ihrem Buch "Wir nennen es Politik" aus dem Jahr 2013 schildert sie für Politik-Neueinsteiger die Möglichkeiten neuer demokratischer Formen durch Nutzung des Internets. Weisband ist Kolumnistin im Dlf-Medienmagazin @mediasres.
"Auf Twitter bin ich so, wie ich auf der Straße bin", sagt Marina Weisband. Das Internet sei für sie eine Art digitales Trottoir. Allerdings habe sie auch eine Privatsphäre, die sie nicht in den sozialen Medien teile.
Mit Menschen vertraut zu sein, ohne ihnen physisch nah zu sein, diese Paradoxie gibt es für Weisband nicht: "Wenn mir jemand das Emoji einer Rose schickt, dann ist das für mich tatsächlich aus Gewohnheit in seinem emotionalen Impact genauso groß wie eine Rose geschenkt zu bekommen. Ich freue mich. Und die Freude darüber ist echt. Die Übertragung von Emotionen über das Internet funktioniert."
Nähe und Distanz in der Coronazeit
Seit dem Ausbruch von Corona übernehme das Internet nun eine wichtige Funktion, so Weisband. Ohne die Möglichkeit des digitalen Austauschs, hätte die Krise nicht so gut überwunden werden können - "und ich glaube, das lohnt sich weiter auszubauen".
Insgesamt würden die Menschen noch nach ihrem Verhältnis zwischen Nähe und Distanz im digitalen Raum suchen, der "gleichzeitig entgrenzt und virtuell" sei. Nun gelte es, die "richtige Balance im jeweiligen Kontext zu finden".
In einer Glaskugel spiegelt sich die Adriaküste, die im Hintergrund nur unscharf zu sehen ist.
Gesprächsreihe - nah und fern
Nähe und Distanz sind keine feststehenden Größen. Wo das eine aufhört und das andere beginnt, empfindet jeder anders. Und jede Disziplin, jede Kunstgattung geht auf ihre Weise damit um.
Es sei eine "Verfehlung unserer analogen Welt, unserer Kommunen, dass wir für viele Menschen keinen Platz mehr schaffen. Wir haben sehr wenig dritte Räume, in denen Menschen sich begegnen können", so Weisband.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.