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"Netzpolitik.org"
Range schlägt zurück - und erntet viel Kritik

Die Opposition sieht in der Affäre um Ermittlungen gegen die Verantwortlichen des Blogs "Netzpolitik.org" erheblichen Aufklärungsbedarf. Generalbundesanwalt Harald Range selbst erhob schwere Vorwürfe gegen das Justizministerium - und erhielt dabei auch Rückendeckung aus den Reihen der Union.

    Generalbundesanwalt Harald Range hält in Karlsruhe eine Aktenmappe mit der Aufschrift "Generalbundesanwalt" in den Händen.
    Generalbundesanwalt Harald Range wirft der Politik Einflussnahme vor. (picture alliance / dpa/ Uwe Ansprach)
    Range ging am Vormittag in die Offensive: Er erhob schwere Vorwürfe gegen das Justizministerium. Er sei von dort angewiesen worden, ein Gutachten zurückzuziehen, das seine Bewertung, wonach Staatsgeheimnisse veröffentlicht worden seien, vorläufig bestätigt habe. Dieser Weisung habe er Folge geleistet. Range kritisierte: "Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint, ist ein unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz."
    Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) war zuvor auf Distanz zu Range gegangen und hatte mitgeteilt, dass er keinen Ermittlungsbedarf sehe. Auch hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Thomas de Maizière (beide CDU) die Ermittlungen gegen zwei Journalisten des Blogs "Netzpolitik.org" wegen des Verdachts des Landesverrats als unverhältnismäßig kritisiert. "Netzpolitik.org" hatte Unterlagen des deutschen Inlandsgeheimdienstes zum Ausbau der Internet-Überwachung veröffentlicht.
    Unterstützung aus der Union
    Andere Unionspolitiker stärkten dem Generalbundesanwalt dagegen den Rücken. Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses, der CDU-Politiker Patrick Sensburg, sieht ebenso wie Range eine Einflussnahme des Bundes gegeben. Er sagte dem "Handelsblatt", der Generalbundesanwalt habe recht, wenn er sich dagegen wehre.
    Der rechtspolitische Sprecher der CSU, Michael Frieser, sagte, die Einholung eines Gutachtens mache deutlich, dass die Ermittlungen ergebnisoffen geführt würden. Der Deutsche Richterbund kritisierte Bundesjustizminister Maas scharf. Das Vorgehen des SPD-Politikers diskreditiere die Arbeit der Staatsanwaltschaft und untergrabe das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine objektive Strafverfolgung.
    Opposition kritisiert Ermittlungen
    Die Opposition sieht dagegen Aufklärungsbedarf. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, beantragte eine Sondersitzung des Rechtsausschusses. Die Bundesregierung sei gehalten, das Parlament umfassend und umgehend zu informieren. Der Vorsitzende der Partei Die Linke, Bernd Riexinger, plädierte für einen Bundestags-Untersuchungsausschuss. Darüber hinaus bekräftige er seine Forderung nach einer Entlassung von Generalbundesanwalt Range.
    Die ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin sagte im Deutschlandfunk, ihrer Ansicht nach habe Range mit seiner Erklärung seinen Rücktritt oder seine Entlassung provoziert. Die deutliche Kritik des Ermittlers an Maas sei "höchst unüblich" gewesen. Range wisse genau, dass man den Bundesjustizminister nicht derart kritisiert, sagte die SPD-Politikerin.
    "Netzpolitik.org"-Journalist fordert Aufklärung
    Markus Beckedahl, Chefredakteur von netzpolitik.org
    Markus Beckedahl, Chefredakteur von "Netzpolitik.org." (Horst Galuschka)
    Der Chefredakteur des Blogs "Netzpolitik.org", Markus Beckedahl, verlangte unterdessen Aufklärung darüber, ob er und seine Journalisten-Kollegen vom Verfassungsschutz überwacht werden oder wurden. Beckedahl sagte im ZDF-Fernsehen, wegen der Ermittlungen der Bundesanwaltschaft seit Mai sei denkbar, dass der Staat seine Mittel zur Überwachung angewendet habe. Er forderte erneut die Einstellung des Verfahrens. Es sei absurd, wenn der Staat gegen kleine Journalisten so scharf schieße.
    (hba/ach)