Archiv

Netzpolitik
Piratenpartei fordert bessere Konzepte

Mit Alexander Dobrindt gibt es nun einen Minister für digitale Infrastruktur. Caro Mahn-Gauseweg, stellvertretende Vorsitzende der Piratenpartei, findet aber die Bezeichnung "Internetminister" zu groß gegriffen. Bei der Regierung fehlen ihr Konzepte für alle Teile des Internets, sagt sie im Deutschlandfunk.

Caro Mahn-Gauseweg im Gespräch Mario Dobovisek |
    Mario Dobovisek: Eigentlich waren wir an dieser Stelle mit Thorsten Wirth verabredet, dem Vorsitzenden der Piratenpartei. Wegen eines privaten Notfalls musste er kurzfristig absagen.
    - Wir wünschen ihm an dieser Stelle alles Gute und begrüßen stattdessen seine Stellvertreterin, Carolin Mahn-Gauseweg. Guten Morgen!
    Caro Mahn-Gauseweg: Guten Morgen!
    Dobovisek: Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur – ein Schritt in die richtige Richtung?
    Mahn-Gauseweg: Ein halber bestenfalls. Also die digitale Infrastruktur ist ja nur ein sehr kleiner Teil der Netzpolitik, und Dobrindt deswegen als Internetminister zu betiteln, ist schon mir ein bisschen arg zu groß gegriffen.
    Dobovisek: Was fehlt denn?
    Mahn-Gauseweg: Es fehlt ein Konzept, angefangen bei der Frage der Überwachung beziehungsweise Netzneutralität, dass das nicht geklärt ist. Es fehlen passende Konzepte für eine Reform des Urheberrechts, gemessen an den Veränderungen, die die digitale Gesellschaft ja mit sich gebracht hat. Und eine ganze Menge andere Sachen auch noch. Der Routerzwang wurde ja angefasst als Problem, es wurde auch durchaus erkannt, dass ...
    Dobovisek: Ja, vielleicht noch einmal die Frage, was fehlt zum Beispiel auch in Richtung Netzgemeinde. Damit die Netzgemeinde sich hinter die Bundesregierung stellen kann, die ja durchaus Versuche unternimmt, sich der Netzgemeinde anzunähern.
    Mahn-Gauseweg: Ja, die Versuche sind da, aber in zentralen Fragen, die wir als quasi Netzpolitiker haben, eben, wenn es darum geht, die Überwachungsmechanismen im Netz wirksam zu unterbinden, ist sie keinen Schritt auf uns zugekommen. Sie hat sich ja sehr bewusst für die Weiterführung beziehungsweise Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Und das ist ein zentraler Punkt.
    Dobovisek: In Sachen NSA-Skandal, um es konkret zu machen, streiten sich Regierung und Opposition gerade um einen Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag. Was könnte ein solcher Ausschuss überhaupt herausfinden und bewirken.
    Mahn-Gauseweg: Er könnte zuerst einmal überhaupt Öffentlichkeit dafür schaffen, wie umfangreich die Möglichkeiten der NSA eigentlich sind. Es sind zwar jetzt in den letzten Monaten relativ viele Informationen herausgekommen, aber so richtig Öffentlichkeit hat das noch nicht bekommen. Wir haben das Gefühl, dass noch relativ wenig Verständnis dafür da ist, welche massiven Eingriffsmöglichkeiten die NSA eigentlich hat. Schon da kann so ein Untersuchungsausschuss natürlich sehr, sehr viel Öffentlichkeit und Verständnis dafür schaffen.
    Dobovisek: Aber wie viel kann ein Untersuchungsausschuss von Parlamentariern über eine Geheimdienstorganisation überhaupt realistischerweise herausfinden.
    Mahn-Gauseweg: Na ja, Snowden hat ja mit seinen Leaks schon bewiesen, dass er einen sehr guten Einblick darin verschaffen kann. Das heißt also, mit ihm als Zeugen beispielsweise wäre es ja durchaus ein guter Ansatz und eine gute Basis, um sehr viel allein über die Möglichkeiten, die die NSA hat, herauszufinden und das auch zu veröffentlichen.
    Dobovisek: Nun hören wir heute Morgen aus den USA, dass dort über eine Amnestie für Edward Snowden diskutiert wird. Ist er für Sie ein Held oder ein Verräter?
    Mahn-Gauseweg: Definitiv ein Held. Er hat massive Rechtsbrüche aufgedeckt. Das ist kein Verrat, das ist eine wirklich große Leistung.
    Dobovisek: Doch mit der Aufdeckung hat er auch Rechtsbruch begangen.
    Mahn-Gauseweg: Nach amerikanischem Recht, ja. Aber das macht – Whistleblowing ist ja per sé erst mal ein Geheimnisverrat. Aber der Geheimnisverrat, wie in diesem Fall, ist für die Gesellschaft von wesentlich größerem Nutzen, als er an Schaden ist.
    Dobovisek: Nun stehen die Europawahlen vor der Tür. Und Netzpolitik, die digitale Gesellschaft ist sicherlich nicht das einzige Thema, mit dem Sie punkten wollen. Welche großen Themen wollen Sie in Angriff nehmen?
    Mahn-Gauseweg: Ein ganz großes Thema, das wir haben, ist natürlich eine Demokratisierung der europäischen Institutionen. Also Entscheidungsfindung findet in Europa ja mehrheitlich bei der EU-Kommission und im Europäischen Rat statt. Das Europäische Parlament selber hat relativ wenige Mitsprachemöglichkeiten. Das Europäische Parlament ist aber wiederum das einzige Gremium, das durch die Europäer selbst gewählt wird. Und an der Stelle würden wir gern ansetzen, würden gern eine deutlich stärkere Demokratisierung der Entscheidungsprozesse in Europa anstoßen wollen.
    Dobovisek: Ist die Europäische Union undemokratisch?
    Mahn-Gauseweg: Im Moment ziemlich, ja.
    Dobovisek: Carolin Mahn-Gauseweg. Sie ist stellvertretende Bundesvorsitzende der Piratenpartei, die am Wochenende in Bochum ihren Kurs für die Europawahlen festlegen wollen. Ich danke Ihnen!
    Mahn-Gauseweg: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.