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Netzwerk für "Nischenforscher"

An deutschen Universitäten ist Ethnologie ein kleines Fach mit nur sehr schlechten Berufsaussichten. Darunter ist die Tsiganologie - also Forschungen über die vielfältigen Kulturen und Völker der Zigeuner - mehr Hobby als Bestandteil eines Lehrplans. Vor allem in Leipzig und Freiburg haben sich kleine Forscherkreise gebildet. Daraus ist das Forum Tsiganologischer Forschung entstanden.

Von Elisabeth Schröter |
    Studenten und Lehrer sitzen auf alten Sofas und Klappstühlen um eine kleine Bühne herum. Darauf stellen einzelne ihre Arbeiten vor, sprechen über ihre Zweifel, Fragen und Thesen.

    "Hier wird offen diskutiert, hier muss keiner Angst haben, dass wenn er sagt, hier habe ich Schwächen, hier habe ich Probleme, dass er dann irgendwie nicht ernst genommen wird, sondern die Offenheit und Gleichberechtigung aller Leute, die hier her kommen, das ist die große Stärke des ganzen."

    Der Ethnologe Johannes Ries ist einer der Gründer des Forums Tsiganologische Forschung. Er hat sein Studium bereits abgeschlossen, promoviert und die Universität Leipzig Richtung Wirtschaft verlassen, arbeitet in einer Unternehmensberatung:

    "Da ist weniger mein inhaltlicher Fokus auf die Zigeuner hilfreich gewesen, als mein methodischer Fokus als Ethnologe, der es mir nicht nur erlaubt, in Rumänien in einem Dorf bestimmte Perspektiven aufzuzeigen, sondern mir auch erlaubt, im Wirtschaftlichen eine Analyse anzulegen, die dann für Unternehmen dienlich ist."

    Dass innerhalb der Leipziger Ethnologie ein kleines Zentrum der Zigeunerforschung entstanden ist, liegt an Lehrstuhlinhaber Professor Bernhard Streck. Der 62-Jährige war schon lange fasziniert von der Vielfalt der kaum erforschten Minderheiten. Sein ehemaliger Student Udo Mischek, heute selbst Dozent in Göttingen, erinnert sich, wie der Professor in seinen Seminaren aufforderte, auch in Deutschland und Europa zu forschen:

    ""Guckt euch mal an, wie differenziert auch unsere Gesellschaft ist, versucht das mal wahrzunehmen." Das war sicher der größte Mitauslöser bei mir. Wir haben hier eine hochkomplexe Gesellschaft, die sich immer weiter ausdifferenziert hat. Und mit Gruppen, die eine ganz lange Tradition des Fremdseins haben, obwohl sie seit 600 Jahren hier sind."

    Obwohl mit einer größer werdenden europäischen Union auch Minderheiten mehr politisches Gewicht bekommen, gibt es an deutschen Universitäten bisher lediglich dieses Forschungszentrum in Leipzig, eng verbunden mit Bernhard Streck. Er geht bald in den Ruhestand, hat
    aber mit der Gründung des Fördervereins zum Netzwerk sichergestellt,
    dass dieses unabhängig von seinem Nachfolger weiter leben wird.
    "Ich mache jetzt auch in unserem neuen Studiengang Einführung in die Tsiganologie, so lange ich hier bin, wird das ein Lehrthema sein."

    Er plant mit seinen Studenten, noch in diesem Jahr ein Lesebuch über die Roma-Stadt Shutka in Mazedonien zu veröffentlichen. Dorthin konnte im vergangenen Sommer eine größere Gruppe reisen und sich mit vielen
    verschiedenen Aspekten der Zigeunergesellschaft befassen.
    Studentin Julia Glei hat in Shutka ihre Kommilitonen bei der Arbeit beobachtet.

    "Die drei Wochen waren für uns alle sehr wichtig, ich schreibe auch meine Magisterarbeit darüber, dafür ist der Netzwerkenworkshop sehr wichtig, weil man auf die ganze Literatur hingewiesen wird, die Theorien, die Standpunkte, mit denen muss man sich ja auch dann in der Arbeit auseinander setzen."

    Was die Ethnologin nach bestandener Prüfung mit ihrer Spezialisierung Tsiganologie beruflich machen wird, weiß sie noch nicht. Doch mit den Kontakten, die in solchen Workshops auf entspannte Weise entstehen, lassen sich auch Jobperspektiven finden. Max Matter, Dozent an der Universität Freiburg.

    "Ich denke, dass in den nächsten Jahren das Thema Roma in Osteuropa beziehungsweise Roma, die aus dem östlichen Europa versuchen werden, hier hin zu kommen, wenn einmal die Freizügigkeit gegeben ist, das diese Fragen uns noch lange beschäftigen werden und sich noch die einen oder andere Stelle auftut"

    Bislang gibt es solche Stellen kaum, so wie es für Ethnologen insgesamt schlecht aussieht auf dem Arbeitsmarkt. Es bleibt nur, sich mit den erlernten Fähigkeiten andere Bereiche zum Beispiel in den Medien, der Wirtschaft, der Bildung oder den Nichtregierungsorganisationen zu erschließen.
    Informationen:

    Forum Tsiganologische Forschung

    Weiterer wichtiger Ansprechpartner:
    Rom e.V., Dokumentation, Archiv