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Netzwerkdurchsetzungsgesetz
Gefahr für die Meinungsfreiheit?

Der Name klingt sperrig: Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Doch der Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Maas gegen Hass im Netz trifft einen Nerv. Aber trifft er auch die Richtigen? Bei der ersten Lesung im Bundestag hat die Opposition ihre Kritik am Gesetzentwurf erneuert.

19.05.2017
    Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) äußert sich am 05.04.2017 in Berlin bei einem Pressegespräch zu den Entscheidungen des Kabinetts zu den Themen Kinderehen und Hasskommentare im Internet.
    Justizminister Maas (dpa/picture alliance/Paul Zinken)
    Die Linken-Politikerin Sitte warf dem Bundesjustizminister vor, mit seinem Vorhaben neue Probleme zu schaffen, weil die rechtliche Beurteilung von Inhalten privaten Unternehmen überlassen werden solle. Der Grünen-Abgeordnete von Notz sprach von einer Gefahr für die Meinungsfreiheit. Auch der Experte der Amadeu-Antonio-Stiftung, Baldauf, äußerte Bedenken. Er sagte im Deutschlandfunk, das geplante Gesetz könne dazu führen, dass mehr Inhalte gelöscht würden als angemessen. Außerdem sei das Gesetz ein zahnloser Tiger. Denn der Gerichtsstand sei in der Regel nicht in Deutschland, Beschwerden hätten daher keine Konsequenzen. Auch im Netz regt sich Widerstand.
    Die Bundesregierung will mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz die sozialen Netzwerke zwingen, sogenannte "Hate Speech" - übersetzt etwa: Hassreden, also rassistische, erniedrigende oder besonders aggressive Anfeindungen - konsequenter zu entfernen. Außerdem sollen die Netzwerke verpflichtet werden, gut erreichbare Beschwerdestellen für die Nutzer zu schaffen. Offenkundig strafbare Inhalte sollen dann innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden, in komplizierteren Fällen innerhalb einer Woche. Wer dem nicht nachkommt, dem drohen hohe Bußgelder: Bis zu 50 Millionen Euro.
    Es gibt aber einige Einschränkungen: Die Strafen sollen nur dann verhängt werden, wenn soziale Netzwerke wie Facebook kein taugliches Verfahren zur Löschung von strafbaren Hasskommentaren und Beleidigungen einrichten. Das Nicht-Löschen beanstandeter Kommentare soll außerdem nicht zu Bußgeldern führen, wenn es vertretbar begründet sei. Und: Das Gesetz gilt nicht für Maildienste, berufliche Netzwerke wie Xing oder LinkedIn oder Messenger wie WhatsApp.
    Kritiker warnen vor Schnellschuss
    Bundesjustizminister Maas (SPD) will das Gesetz vor dem Sommer durchsetzen. Auch deshalb formiert sich Kritik. Die "Allianz für Meinungsfreiheit", zu der der IT-Verband Bitkom und der Deutsche Journalisten-Verband gehören, warnte vor einem "gesetzgeberischen Schnellschuss". Kritiker fürchten, dass die Durchsetzung von Gesetzen privatisiert wird, wenn Plattformen entscheiden sollen, was von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.
    Johannes Baldauf von der Amadeo-Antonio-Stiftung sagte im DLF, das Gesetz sei "faktisch eine Einschränkung der Meinungsfreiheit". Sexismus, Homophobie und Antisemitismus ließen sich nicht per Gesetz verbieten. Es brauche andere Maßnahmen.
    Markus Reuter, Redakteur bei netzpolitik.org, kritisierte, das geplante Gesetz statte die Betreiber sozialer Netzwerke mit juristischen Kompetenzen aus. Dabei sei ursprünglich Hintergrund des Gesetzes gewesen, deren Entscheidungsbefugnis reduzieren zu wollen. Statt eines neuen Gesetzes fordert Reuter, Ermittlungsbehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte finanziell und personell besser auszustatten. Bestehende Gesetze seien ausreichend.
    Maas hält Kritik am Gesetz für "grotesk"
    Justizminister Maas verteidigte seinen Gesetzentwurf zuletzt vehement und bezeichnete den Vorwurf, das Gesetz könnte die Meinungsfreiheit einschränken, als "ziemlich grotesk". Es gehe um Äußerungen, die gegen Strafgesetze verstoßen wie Mordaufrufe, Drohungen, Beleidigungen und die Auschwitz-Lüge. "Meinungsfreiheit endet eben da, wo das Strafrecht beginnt", sagte Maas und widersprach auf Facebook der Darstellung, die sozialen Netzwerke hätten künftig bei der Löschung freie Hand.
    (vic/mw)