Noch vor wenigen Monaten stand ein in Deutschland verbotenes Nazi-Lied für jeden zugänglich auf YouTube. Dann meldete ein Nutzer das Video, kurz darauf wurde es gesperrt. Anders erging es der Aufzeichnung einer Rede von Adolf Hitler, die wegen vermeintlicher Hassrede gemeldet wurde. "Der Titel und die Beschreibung des Videos stellen den historischen Kontext dar", urteilte YouTube und entschied sich gegen eine Sperrung.
Die zwei Fälle stehen exemplarisch für gut 250.000 Beschwerden, die YouTube im zweiten Halbjahr 2018 registriert hat. Die Zahl stammt aus dem jüngsten Bericht der Videoplattform zur Umsetzung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Seit das NetzDG am 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist, müssen die großen sozialen Netzwerke zweimal im Jahr Bilanz ziehen.
Wenige Beschwerden bei Facebook
Die aktuellen Zahlen weisen dabei große Unterschiede auf: Während bei Twitter und YouTube jeweils über eine Viertelmillion Beschwerden eingingen, meldete Facebook nur 1.048 – und das bei rund 32 Millionen monatlichen Nutzern in Deutschland.
Das Gesetz sei dennoch ein Erfolg, sagte Jens Zimmermann, digitalpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, im Dlf. Ein Erfolg sei es, dass die Plattformen viel mehr Mitarbeiter eingestellt hätten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Meldungen viel schneller bearbeitet würden, sei deshalb heute höher als vor einem Jahr.
Jeder zehnte gemeldete Tweet gelöscht
YouTube löschte fast ein Fünftel der gemeldeten Beiträge. Häufigster Grund waren Hassrede und politischer Extremismus, an zweiter Stelle folgten Persönlichkeitsrechtverletzungen und Beleidigungen. Die meisten Inhalte sind dem Plattformbericht zufolge nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit gesperrt worden, da sie gegen die Community-Richtlinien verstießen.
Twitter löschte nach eigenen Angaben lediglich neun Prozent der gut 256.000 monierten Beiträge. Bei Facebook wurden 35 Prozent der beanstandeten Beiträge gelöscht – insgesamt 369. Der häufigste genannte Grund waren Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung.
Noch kein Bußgeld verhängt
Das NetzDG verpflichtet die Betreiber großer Plattformen, strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Meldung zu löschen. Bei uneindeutigen Fällen haben die Unternehmen maximal eine Woche Zeit. Halten sie sich nicht daran, drohen Strafen von bis zu 50 Millionen Euro.
Wie die Nachrichtenagentur KNA berichtete, sei seit Inkrafttreten des Gesetzes allerdings noch kein Bußgeld verhängt worden. Nutzer können sich direkt an das Bundesamt für Justiz wenden, falls Inhalte nicht fristgemäß gelöscht werden. Die Behörde hatte laut KNA mit 25.000 Beschwerden pro Jahr gerechnet, 2018 seien es jedoch lediglich 714 gewesen.
Evaluation bis 2020 geplant
Das Bundesjustizministerium hat angekündigt, das NetzDG bis spätestens Ende 2020 überprüfen zu wollen. "Es wird eine Evaluation des Gesetzes geben und da muss man schauen, an welchen Punkten nachgebessert werden muss", sagte der SPD-Politiker Zimmermann.
Spannend sei aber auch die Frage, welche Inhalte aufgrund der Gemeinschaftsstandards gelöscht worden seien, obwohl sie in Deutschland legal seien. Dass es an vielen Stellen Überschneidungen zwischen den Hausregeln der Plattformen und dem deutschen Recht gebe, verwische den Blick.