Archiv

Neu im Kino
Ackerbau und Unzucht

Es gibt sie noch: Die kleinen romantischen Bauernhöfe fernab des agrarindustriellen Komplexes. Der deutsche Dokumentarfilm "Sauacker" schildert bewegend den Überlebenskampf eines schwäbischen Kleinstbauern. Außerdem im Kino: Ein kolossal scheiternder Frauenabend und eine ziemlich schlechte "Beste Chance".

Von Hartwig Tegeler | 25.06.2014
    Der schwäbische Landwirt Philipp Kienle in einer undatierten Szene des Dokumentarfilms "Sauacker".
    Landwirt Philipp Kienle im Dokumentarfilm "Sauacker" (dpa/Teichoskop Filmverleih/Neue Visionen)
    Es gibt sie noch: Die kleinen romantischen Bauernhöfe fernab des agrarindustriellen Komplexes. Der deutsche Dokumentarfilm "Sauacker" schildert bewegend den Überlebenskampf eines solchen Hofs in Schwaben. Außerdem neu im Kino: Ein kolossal scheiternder Frauenabend und eine ziemlich schlechte "Beste Chance".
    "Beste Chance" von Marcus H. Rosenmüller
    Kaie und Jo, die beiden Freundinnen aus "Beste Zeit" - 2008 war Marcus H. Rosenmüllers Film im Kino -, leben nicht mehr in ihrem kleinen bayerischen Dorf. Sie sind erwachsen und zumindest Jo hat es in die weite Welt verschlagen.
    Aber über den Anrufbeantworter kommunizieren die beiden Freundinnen noch - gespielt von Anna Maria Sturm und Rosalie Thomass. Dann gerät Jo augenscheinlich in Indien in Schwierigkeiten. Katie macht sich panisch auf die Reise, wird Jo in Indien allerdings nie treffen, weil die schon auf dem Heimweg nach Hause, nach Bayern ist. Was Marcus H. Rosenmüller in "Beste Chance", nach "Beste Zeit" und "Beste Gegend" der Abschluss seiner Trilogie, was Rosenmüller die Gelegenheit bietet, bayerische und indische Lebenswelten aufeinanderprallen zu lassen. Insbesondere dann, wenn es die Väter von Kati und Jo ebenfalls ins Exotische verschlägt.
    Das alles ist nett anzusehen, aber wie schon bei den ersten beiden Teile dieser Trilogie mangelt es den Figuren von "Beste Chance" an Tiefe, von denen man den Eindruck bekommt, dass sie mehr machen als den Job des Drehbuchautors. Die geniale Verbindung von Tragischem und Komischem, die Rosenmüller in seinem Debüt "Wer früher stirbt ist länger tot" gelang, die wird man hier vergebens suchen.
    Fazit: Annehmbar.
    "Mädelsabend" von Steven Brill
    "Guten Abend, Los Angeles, ich bin Meghan Miles." Sagt die an sich ziemlich unscheinbare Meghan ihren Namen auf und liest anschließend die Nachrichten im lokalen Fernsehsender in Los Angeles. Doch im weiteren Verlauf von "Mädelsabend" wird Meghan alles andere als unscheinbar bleiben, im Gegenteil, sie wird in einem sehr kurzen, grell-gelben Designer-Kleid durch die Stadt irren, weil das Vorhaben ihrer Freundinnen, um die traurige Meghan, die der Freund verlassen hat, aufzuheitern, also dieser titelgebende "Mädelsabend" bringt Meghan zwar einen aufregenden One-Night-Stand. Aber noch einiges mehr, was nicht unbedingt im Plan war.
    "Mädelsabend", der Film von Komödien-Routinier Steven Brill, trägt im Original den Titel "Walk of Shame". Das ist wörtlich zu nehmen. Es wirklich ein Weg aus Scham und Peinlichkeiten, den Elisabeth Banks als Meghan in ihrem gelben Kleid beschreiten muss. Denn bald ist sie Auto, das ´mobile´, ihre Geldbörse und all die Karten los, und muss nun ans andere Ende der Stadt, um den Karrieresprung noch hinzukriegen, der da dann lockt. "Über raue Pfade gelangt man zu den Sternen" lautet das Sprichwort, nun ja, und L. A. ist wahrhaftig wohl ein ziemlich raues Pflaster. Wo man als Weiße in schwarzen Vierteln ... Nicht gut!
    Die unfreiwillige Reise, die der Programmierer in Martin Scorseses Film "Die Zeit nach Mitternacht" 1985 durchs nächtliche New York durchlebte, war ein Albtraum. "Mädelsabend" ist eher die skurrile Komödienfassung eines solchen Albs - klar, mit Happyend -, aber Elizabeth Banks gibt eine hervorragende Vorstellung dieser biederen Medienarbeiterin, die jetzt, auf ihrer Odyssee durch die "Stadt der Gefallenen Engel", auf böse Weise eine Welt erfahren muss, über die sie bisher nur berichtete.
    Fazit: Empfehlenswert.
    "Sauacker" von Tobias Müller
    Es ist soweit in "Sauacker". Die Schulden der schwäbischen Bauernfamilie Kienle steigen und steigen. Philipp, Jungbauer, am Anfang von Tobias Müllers Dokumentation noch nicht ganz 30, will seinen Vater Konrad jeden Tag überzeugen, mit der Zeit zu gehen, zu investieren, etwas betriebswirtschaftlich besser, anders, klüger zu machen. Aber der Vater ist skeptisch bis stur, die Banken wollen keine Kredite geben, und Phillips Freundin möchte Kunstgeschichte studieren. Und nicht als Bäuerin morgens im Stall stehen. Phillip geht übers Maisfeld und grübelt. Und dann streitet sich Philipp wieder mit seinem Vater, und dann allerdings denken beide wieder an den Hof, der seit 300 Jahren im Besitz der Familie Kienle ist.
    Parallel zur Arbeit auf dem Hof hat der Sohn noch einen Achtstundenjob in der Fabrik, und der Vater, er trägt morgens Zeitungen aus. Ein hartes Leben, das Dokumentarfilmer Tobias Müller in "Sauacker" eindrucksvoll, mit einer atemberaubenden Nähe zu seinen Protagonisten aus der Bauernfamilie Kienle porträtiert. Angesichts unserer industriellen Nahrungsmittelproduktion ist dieser Film über den kleinen bäuerlichen Betrieb ein nahezu exotischer Film, einer über schwer arbeitende Menschen, deren Lebenswelt von Vergänglichkeit gekennzeichnet ist.
    Fazit: Herausragend.