"Mein Lieblingszitat ist eines von Luther, das gar nicht verbürgt ist, als unmittelbares Zitat von ihm. Er steht vor dem Reichstag in Worms, vor dem Kaiser und den Vertretern des Papstes. Und sagt: 'Ich stehe hier, ich kann nicht anders. Gott helfe mir – Amen'. Aus Glaubensüberzeugung hat er seine Positionen gewonnen und hält sie durch."
Das war 1521, vor dem Reichstag zu Worms: Die Antwort Luthers auf die Frage, ob er seine Schriften widerrufe. Das Zitat ist nicht verbürgt, genauso wie seine Hammerschläge gegen die Türe der Schlosskirche in Wittenberg, wo der Augustinermönch seine 95 Thesen angeschlagen haben soll. Für Margot Käßmann, Botschafterin der evangelischen Kirche für das 500-jährige Reformationsjubiläum 2017, beinhalten diese Erzählungen jedoch einen wahren Kern: Sie seien eine Zusammenfassung der Haltung, für die Luther als Symbolfigur der Reformation stehe. Zum Helden stilisieren dürfe man ihn deswegen aber nicht.
"Für mich ist Luther ein Lehrer, ein theologischer Lehrer, seine Schriften von der Freiheit eines Christenmenschen finde ich großartig, seine Predigtkraft und Sprachkraft, auch wie er die Bibel übersetzt hat, das ist mir sehr nahe. Aber ich sehe Luther nicht nur als Helden, beispielsweise sein Antijudaismus ist ein Schatten, den wir nicht einfach leugnen können."
Die Auseinandersetzung der Protestanten mit den Schattenseiten Luthers unterscheidet das fünfte Jahrhundertgedächtnis der Reformation von den vier vorangegangenen Jahrhundertfeiern. Diente die Hundertjahrfeier 1617 noch der konfessionellen Selbstvergewisserung, wurde Luther 1717 zum frommen Mann der Pietisten und zum Frühaufklärer gegen mittelalterlichen Aberglauben. 1817 avancierte Luther zum deutschen Nationalhelden und 1917 zum Retter der Deutschen in Zeiten großer Kriegsnot.
Wenn heute verstärkt das Thema "Luther und die Juden" Beachtung findet, geht es zumeist um Luthers späte Schriften, in denen er sich dezidiert antisemitisch äußert. Dies ermöglichte es den Nationalsozialisten, Luther zu instrumentalisieren. Diese Vereinnahmung wirft Fragen auf, die auch das anstehende Reformationsjubiläum prägen, sagt Ute Gause, Professorin für Kirchengeschichte an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.
"Gibt es überhaupt eine legitime Theologie nach Ausschwitz? Also sind die Protestanten, die Lutheraner durch ihre Staatstreue im Nationalsozialismus, müssen die sich nicht so sehr der Schuldfrage stellen, dass am Ende gar nichts mehr zu feiern übrig bleibt?"
Diese Schuldfrage ließ auch die evangelische Lutherforschung und die damit verbundene Bewertung seiner Theologie nicht unbeeinflusst. Ein populäres protestantisches Geschichtsbild geht davon aus, dass Luther und seine Rechtfertigungslehre den Beginn der Moderne einleiteten und Dreh- und Angelpunkt reformatorischer Prozesse seien. Heute konstatiert die evangelische Kirchenhistorikerin Ute Gause auch einen gegenläufigen Forschungstrend, der das Konzept der Reformation als Epoche verabschiedet und Luther nur als einen Reformtheologen unter anderen verortet.
Das war 1521, vor dem Reichstag zu Worms: Die Antwort Luthers auf die Frage, ob er seine Schriften widerrufe. Das Zitat ist nicht verbürgt, genauso wie seine Hammerschläge gegen die Türe der Schlosskirche in Wittenberg, wo der Augustinermönch seine 95 Thesen angeschlagen haben soll. Für Margot Käßmann, Botschafterin der evangelischen Kirche für das 500-jährige Reformationsjubiläum 2017, beinhalten diese Erzählungen jedoch einen wahren Kern: Sie seien eine Zusammenfassung der Haltung, für die Luther als Symbolfigur der Reformation stehe. Zum Helden stilisieren dürfe man ihn deswegen aber nicht.
"Für mich ist Luther ein Lehrer, ein theologischer Lehrer, seine Schriften von der Freiheit eines Christenmenschen finde ich großartig, seine Predigtkraft und Sprachkraft, auch wie er die Bibel übersetzt hat, das ist mir sehr nahe. Aber ich sehe Luther nicht nur als Helden, beispielsweise sein Antijudaismus ist ein Schatten, den wir nicht einfach leugnen können."
Die Auseinandersetzung der Protestanten mit den Schattenseiten Luthers unterscheidet das fünfte Jahrhundertgedächtnis der Reformation von den vier vorangegangenen Jahrhundertfeiern. Diente die Hundertjahrfeier 1617 noch der konfessionellen Selbstvergewisserung, wurde Luther 1717 zum frommen Mann der Pietisten und zum Frühaufklärer gegen mittelalterlichen Aberglauben. 1817 avancierte Luther zum deutschen Nationalhelden und 1917 zum Retter der Deutschen in Zeiten großer Kriegsnot.
Wenn heute verstärkt das Thema "Luther und die Juden" Beachtung findet, geht es zumeist um Luthers späte Schriften, in denen er sich dezidiert antisemitisch äußert. Dies ermöglichte es den Nationalsozialisten, Luther zu instrumentalisieren. Diese Vereinnahmung wirft Fragen auf, die auch das anstehende Reformationsjubiläum prägen, sagt Ute Gause, Professorin für Kirchengeschichte an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.
"Gibt es überhaupt eine legitime Theologie nach Ausschwitz? Also sind die Protestanten, die Lutheraner durch ihre Staatstreue im Nationalsozialismus, müssen die sich nicht so sehr der Schuldfrage stellen, dass am Ende gar nichts mehr zu feiern übrig bleibt?"
Diese Schuldfrage ließ auch die evangelische Lutherforschung und die damit verbundene Bewertung seiner Theologie nicht unbeeinflusst. Ein populäres protestantisches Geschichtsbild geht davon aus, dass Luther und seine Rechtfertigungslehre den Beginn der Moderne einleiteten und Dreh- und Angelpunkt reformatorischer Prozesse seien. Heute konstatiert die evangelische Kirchenhistorikerin Ute Gause auch einen gegenläufigen Forschungstrend, der das Konzept der Reformation als Epoche verabschiedet und Luther nur als einen Reformtheologen unter anderen verortet.
Initialzündung ist von Luther ausgegangen
"Luther hat schon eine Spitzenposition, so wichtig die anderen Reformatoren auch gewesen sind, Zwingli und Calvin, das darf man nicht vergessen. Aber die Initialzündung ist von ihm aus gegangen und das zu nivellieren ist im Moment ein Bestreben von einer bestimmten kirchenhistorischen Forschung. Weil wir eben dann noch einmal diese Instrumentalisierung Luthers im Nationalsozialismus haben. Und das finde ich ganz, ganz schwierig, weil man Luther im 16. Jahrhundert verstehen muss, und er kann nichts dafür, dass er durch Hitler instrumentalisiert worden ist."
Die Zurückhaltung im evangelischen Bereich korrespondiert mit einer verstärkt positiven Rezeption Luthers im katholischen Denken. War im Katholizismus lange eine völlige Verwerfung und Verteufelung Luthers vorherrschend, hat sich vor etwa 50 Jahren in der Epoche des Zweiten Vatikanischen Konzils eine andere Wahrnehmung etabliert, so Wim Damberg, Professor für Kirchengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum
"Luther hat sehr verantwortungsvoll, gewissenhaft, als Seelsorger schwere Missstände der Zeit, die sich in der katholischen Kirche eingeschlichen hatten, erkannt und dagegen protestiert und ein insofern legitimes Anliegen verfolgt. Dass das hinterher zu einer Eskalation und Kirchenspaltung führte, das lag nicht in seiner Sicht. Insofern gab es tatsächlich so etwas wie einen katholischen Luther. Und es ist auch wichtig, sich dies vor Augen zu führen, dass wir deshalb eine Grundlage für ein gutes ökumenisches Gespräch und Bewertung dieser Zeit haben, weil die katholische Kirche von ihrer Fixierung auf Luther als den großen Erzhäretiker abgerückt ist."
Die Zurückhaltung im evangelischen Bereich korrespondiert mit einer verstärkt positiven Rezeption Luthers im katholischen Denken. War im Katholizismus lange eine völlige Verwerfung und Verteufelung Luthers vorherrschend, hat sich vor etwa 50 Jahren in der Epoche des Zweiten Vatikanischen Konzils eine andere Wahrnehmung etabliert, so Wim Damberg, Professor für Kirchengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum
"Luther hat sehr verantwortungsvoll, gewissenhaft, als Seelsorger schwere Missstände der Zeit, die sich in der katholischen Kirche eingeschlichen hatten, erkannt und dagegen protestiert und ein insofern legitimes Anliegen verfolgt. Dass das hinterher zu einer Eskalation und Kirchenspaltung führte, das lag nicht in seiner Sicht. Insofern gab es tatsächlich so etwas wie einen katholischen Luther. Und es ist auch wichtig, sich dies vor Augen zu führen, dass wir deshalb eine Grundlage für ein gutes ökumenisches Gespräch und Bewertung dieser Zeit haben, weil die katholische Kirche von ihrer Fixierung auf Luther als den großen Erzhäretiker abgerückt ist."
Reformationsjubiläum als Fest der Ökumene
In Deutschland soll das Reformationsjubiläum nun zum ersten Mal im Horizont der Ökumene stattfinden und auch gemeinsam mit den Katholiken begangen werden. Für den katholischen Kirchenhistoriker Wim Damberg stehen Veränderungen in der Reformationserinnerung stets im Zusammenhang mit gesellschaftlichen und kirchlichen Umbrüchen. Die beiden großen Kirchen hätten daher allen Grund, die Bedeutung Luthers und der Reformation auf die Zukunft hin neu zu befragen.
"Im Grunde stellt Luther bestimmte Fragen, was das Individuum und sein persönliches Gottesverhältnis angeht, die sind bis heute zentral. Allerdings würde man heute auch sagen, es gibt in der katholischen altgläubigen Tradition Persönlichkeiten, die diese Denkrichtung auch verfolgen. Es ist es heute zum Beispiel gängig in der Forschung den Begründer der Jesuiten, Ignatius von Loyola, in bestimmten Denkmustern, seiner der Betonung des Individuums als Subjekt vor Gott, durchaus in Parallele mit Luther zu stellen. Allerdings Loyola tut das im Kontext der Papstkirche. Das sind historische Unterschiede, aber auf einer gemeinsamen starken Grundlage."
"Im Grunde stellt Luther bestimmte Fragen, was das Individuum und sein persönliches Gottesverhältnis angeht, die sind bis heute zentral. Allerdings würde man heute auch sagen, es gibt in der katholischen altgläubigen Tradition Persönlichkeiten, die diese Denkrichtung auch verfolgen. Es ist es heute zum Beispiel gängig in der Forschung den Begründer der Jesuiten, Ignatius von Loyola, in bestimmten Denkmustern, seiner der Betonung des Individuums als Subjekt vor Gott, durchaus in Parallele mit Luther zu stellen. Allerdings Loyola tut das im Kontext der Papstkirche. Das sind historische Unterschiede, aber auf einer gemeinsamen starken Grundlage."