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Neubau des Berliner Schlosses
"Die Leute wollen sehen, wofür sie spenden"

Der Förderverein Berliner Schloss e.V. hat sich die Aufgabe gestellt, Spenden zu sammeln für die Fassade des Schlosses, die Kuppel und die Innenportale. Rund die Hälfte der erforderlichen 105 Millionen Euro seien schon zusammengekommen, sagte der Geschäftsführer Wilhelm von Boddien im DLF. Die Spendenbereitschaft wachse mit dem Fortgang der Bauarbeiten.

Wilhelm von Boddien im Gespräch mit Dina Netz |
    Die Kuppel des Rohbaus des Berliner Schlosses, das den Namen Humboldt-Forum trägt, in Berlin. Es ist Nacht, im Vordergrund ein Baukran.
    Die Kuppel des Rohbaus des Berliner Schlosses, das den Namen Humboldt-Forum trägt, in Berlin. (dpa / picture alliance / Alex Heinl)
    Dina Netz: Auch das Berliner Stadtschloss ist letztlich Opfer eines Krieges geworden, des Kalten Krieges: Im 15. Jahrhundert von den Hohenzollern erbaut, brannte es im Zweiten Weltkrieg zwar aus, stand aber noch, bis die DDR-Regierung 1950 beschloss, es abzureißen, um an der Stelle den Marx-Engels-Platz mit Palast der Republik zu errichten. Der ist längst auch wieder Geschichte, seit 2013 wird ein neues Schloss gebaut, im Juni war Richtfest.
    In den vergangenen Wochen haben wir hier in "Kultur heute" viel über die künftige Nutzung des Humboldt-Forums und über neue Museumskonzepte gesprochen. Heute geht es noch einmal um das Gebäude, und zwar im Gespräch mit Wilhelm von Boddien, Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Schloss. Der Förderverein hat sich die Aufgabe gestellt, Spenden zu sammeln für die Fassade des Schlosses, die Kuppel und die Innenportale. Herr von Boddien, lassen Sie uns zuerst noch einmal rekapitulieren: Wie kam es am Ende einer langen, langen Debatte überhaupt dazu, dass das Berliner Schloss im 21. Jahrhundert nun eine barocke Fassade und Kuppel bekommen wird?
    Wilhelm von Boddien: Ich glaube, das war einfach die Sehnsucht vieler Menschen danach, eine schöne und intakte Stadt Berlin wieder zu haben. Berlin hat ja wie keine andere Stadt Deutschlands als der Stein gewordene Ablasszettel für die Sünden der Deutschen gestanden, auch durch die Teilung bedingt. Keine Stadt hat sich mehr zerstört wie Berlin, auch nach dem Kriege. Während Münster, München und andere Städte versucht haben, einen Teil ihrer Identität zurückzubekommen, wurde da ja vielfach Tabula rasa gemacht.
    Ich glaube, das war die Grundlage für den Bundestagsbeschluss. Berlin hat sich der Moderne sehr weit überantwortet und dann hat man gesagt, aber dieses historische Zentrum, in dem ja sehr viel kostbare Gebäude stehen, die sich alle auf das Schloss bezogen, da macht diese Stadt Reparatursinn, und so ist es gekommen.
    "Ich halte davon gar nichts"
    Netz: Nun wird es eine barocke Fassade und modernes Inneres geben. Heute hat die "Gesellschaft Berliner Schloss" eine Unterschriftenaktion vorgestellt, die fordert, auch innen mehrere Räume historisch zu restaurieren. Abgesehen davon, dass die Initiatoren damit nun etwas spät dran sind: Was halten Sie von dieser Initiative?
    von Boddien: Ich halte davon gar nichts. Einmal haben wir mit dem Architekten Stella einen sehr sensiblen Mann, der ganz bewusst die Innenmaße des Hauses, die Deckenabstände und die Wände, Außenwandabstände in dem Bereich, wo die wirklich kulturhistorisch wertvollen Räume waren, zentimetergenau so wiederhergestellt hat, auch wenn man davon nichts sieht, weil es sehr moderne, schöne Museumsräume werden.
    Das ist eine Aufgabe für spätere Generationen, wenn man denn will. Wir haben einen Prozess angestoßen und mit diesem Prozess müssen wir jetzt leben. Das ist der demokratische Kompromiss, den ich auch gut finde in dieser Richtung. Wir haben nämlich auch gar nicht möglicherweise die geistige Kraft, die ja sehr viel kostbareren und empfindlicher hergestellten Innenräume mit ihren wunderbaren Skulpturen und Reliefs und Ähnlichem so wiederherzustellen, wenn es nicht ein billiger Abklatsch werden soll.
    Ich finde es einfach kontraproduktiv. Wir haben dem Bundestag diese Zustimmung nur abringen können, weil wir gesagt haben, wir finanzieren zunächst 80 Millionen, jetzt über 105 Millionen Euro. Nicht der Steuerzahler zahlt die Fassaden, sondern der Bürger, der spenden will. Und jetzt kommen solche Forderungen, wofür weitere Millionen nötig sind, und das von einer Gesellschaft, die gerade 200.000 Euro selbst gesammelt hat. Das macht mich sprachlos.
    Netz: Herr von Boddien, jetzt müssen Sie ein bisschen Offenbarungseid leisten. Seitdem Ihr Verein erklärt hat, für die Fassade zu sammeln, wird dauernd auf Ihren Kontostand geschaut. Sie haben schon gesagt, 105 Millionen Euro werden benötigt. Wie viel haben Sie inzwischen eingeworben?
    von Boddien: Der Kontostand ist öffentlich, den kann man im Internet einsehen. Wir sind sehr stolz eigentlich, denn wir haben jetzt knapp über 50 Millionen Geld eingeworben, allein im vorigen Jahr 15,6 Millionen und in diesem Jahr nähern wir uns auch schon wieder der über zehn Millionen Grenze. Und wenn wir jetzt noch mal drei, vier Jahre mit je zwölf Millionen nur rechnen, dann haben wir das fehlende Defizit raus.
    Es gibt eine ganz einfache Rechnung, mit der ich mich ja selber auch immer wieder ermutige, denn es ist harte Arbeit und man muss sehr liebenswürdig sein, man muss wegstecken und trotzdem am Ball bleiben. Diese 55 Millionen, die wir zurzeit noch brauchen, sind 137.500 Menschen, die uns einmalig 400 Euro geben, oder im Abonnement jedes Jahr 100 Euro, und das steuerfrei absetzbar. Das ist zu machen bei 82 Millionen Deutschen.
    Es ist eine Frage des Marketing, wie komme ich an die Leute heran. Für teure Werbung haben wir kein Geld, aber die Mundpropaganda läuft mit dem wachsenden Schloss wie bei der Frauenkirche extrem gut, wie die Steigerungsraten zeigen. Das liegt einfach daran: Die Leute wollen etwas sehen, wofür sie ihr Geld geben, und jetzt wird am Schloss vieles sichtbar, was die Leute begeistert, und dafür geben sie ihr Scherflein.
    Netz: Radio-Interviews helfen dabei sicher auch.
    von Boddien: Aber sicher! Ich bin wirklich sehr dankbar dafür. Ich klappere ja auch ordentlich drauf los.
    "Wir haben keinen Plan B"
    Netz: Sie haben jetzt eine Rechnung vorgelegt, die geht bis 2019, aber da soll das Humboldt-Forum ja schon eröffnen. Schaffen Sie es denn im Moment, rechtzeitig die Summen bereitzustellen, die für den Fortgang der Arbeiten nötig sind, oder was passiert, wenn Sie das nicht schaffen? Stoppen dann die Arbeiten?
    von Boddien: Wir haben keinen Plan B. Das ist das eine. Denn es gibt ja immer wieder Leute, die sagen, ja dann muss der Steuerzahler ran und der Staat muss einspringen. Wir sind jetzt durchfinanziert bis in das Frühjahr 2016. Bisher ist alles, was dort steht, aus unseren Spendeneinnahmen bezahlt worden, ob es die Bauhütte ist, oder ob es die Handwerker sind, die die Aufträge bekommen haben. Es kann natürlich möglich sein, dass es zwischendurch mal ein Defizit gibt, aber dann kann die Stiftung, wenn sie die Handwerker beauftragt hat, die Rechnungen bezahlen und wir müssen umso härter arbeiten, um dieses Defizit zu füllen.
    Langfristig gehen wir davon aus, dass wir am 14. September 2019 - das ist nämlich der Eröffnungstermin, weil dort Alexander von Humboldt 250 Jahre alt geworden wäre -, dass wir das Geld dann haben.
    Die Zuversicht nehmen wir auch aus der Geschichte der Frauenkirche. Dort sind zwei Drittel der Spenden im letzten Drittel der Bauzeit eingeworben worden - ein Zeichen dafür: Die Leute wollen etwas begreifen im wahrsten Sinne des Haptischen und sie wollen etwas besitzen im wahrsten Sinne dessen, dass man sich draufsetzen muss.
    "Der Markt ist dünn, die Luft ist mager"
    Netz: Herr von Boddien, Dresden ist ein gutes Beispiel, dass bürgerschaftliches Engagement, Mäzenatentum in Deutschland klappt. Aber Sie sprechen immer wieder von harter Arbeit. Insgesamt ist die Spendenbereitschaft ja doch etwas hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Gibt es in Deutschland kein richtiges mäzenatisches Verständnis, oder interessieren sich nicht genug Leute für das Schloss?
    von Boddien: Deutschland ist ja voll von Projekten, wo die Kosten explodiert sind, und natürlich gibt niemand Geld als Spende in ein schwarzes Loch, wenn er nicht weiß, dass es ankommt.
    Bei uns ist es so, dass dieser Bau voll im Plan liegt, sowohl von der Zeit wie von den Kosten, und auch wir liegen voll im Spendenplan. Wir haben ja immer gesagt, 2019 ist für uns der Abgabetermin. Wir haben nie gesagt, dass wir massenhaft vorfinanzieren können, weil die Bereitschaft der Bürger, am Beispiel der Frauenkirche zu sehen, erst wächst mit dem Ereignis. Und wenn ich die Steigerungsraten sehe, dass wir vor drei Jahren noch 5,4 Millionen im Jahr hatten, dann stieg es auf 9,1, voriges Jahr auf 15,6 und vielleicht dieses Jahr wieder zwischen 13 und 15, dann ist das toll!
    Denn man muss eine Sache auch noch wissen: Von allen Spenden, die in Deutschland gegeben werden - das sind über vier Milliarden Euro -, gehen ganze fünf Prozent in den Kulturbereich. Das heißt, der Markt ist da dünn, die Luft ist mager und Kannibalismusformen sind durchaus gang und gäbe.
    Netz: Das waren Rechenspiele mit Wilhelm von Boddien, Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Schloss e.V., über eben dies und über Deutschland und sein Mäzenatentum. Ich danke Ihnen sehr.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.