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Neue Absatzmärkte für Schweizer Waffen

Die Schweiz diskutiert Lockerungen beim Thema Waffenexport. Um die heimische Rüstungsindustrie zu unterstützen, sollen die Hürden für Lieferungen ins Ausland gesenkt werden. In dem Land, das sich zu Neutralität und Frieden verpflichtet hat, ist das besonders umstritten.

Von Hans-Jürgen Maurus |
    Die Schweizer Rüstungslobby hat einen neuen politischen Vorstoß unternommen, um der kriselnden heimischen Waffenindustrie neue Absatzmärkte zu verschaffen. Im Ständerat, der kleinen Kammer des Parlaments, wurde dieser Tage eine Vorlage diskutiert, die eine Lockerung der Rüstungsexporte bedeutet. Dabei hatte das Parlament erst 2008 diese Exportbestimmungen verschärft.

    Doch die Schweizer Rüstungsindustrie kämpft. Die drei größten Hersteller Mowag, Rheinmetall und Ruag haben bereits 350 Stellen abgebaut, im ersten Halbjahr 2013 sind die Exporte im Vergleich zum Vorjahr um satte 53 Prozent eingebrochen. Aus diesem Grund müsse man helfen, meint SVP-Ständerat Alex Kuprecht aus dem Kanton Schwyz:

    "Wir versuchen, mit dieser Motion einen kleinen Schritt zugunsten der Konkurrenzfähigkeit unserer Wehrindustrie aufzumachen."

    Die Lage der heimischen Waffenproduzenten sei prekär, heißt es auch in einem Bericht des Arbeitskreises Sicherheit und Wehrtechnik. Und schuld daran seien die verschärften Ausfuhrbestimmungen. Deshalb müsse man sie lockern, findet Ständerat Paul Niederberger von der CVP im Kanton Nidwalden, Sitz des Rüstungsherstellers Ruag:

    "Die Schweiz wendet das strengste Gesetz der Welt an, zum Nachteil der schweizerischen Exporteure."

    Die Schweizer Rüstungsgüterproduzenten schielen vor allem nach Saudi Arabien und Pakistan, wo es gute Absatzmärkte gibt, die aber bisher nicht beliefert werden durften. Denn die Kriegsmaterialverordnung verbietet explizit Exporte in Staaten, die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen. Doch in der Schweiz gehen jetzt Arbeitsplätze verloren, so die Lobbyisten. Ein Argument, das die sozialdemokratische Ständerätin Anita Fetz nicht gelten lässt:

    "Wegen ein paar Arbeitsplätzen riskieren, dass Menschen in Risikogebieten mit Schweizer Waffen ermordet werden - das empört mich zutiefst."

    Es geht also auch hierzulande um das Thema wirtschaftliche Interessen versus Menschenrechte oder anders formuliert um den Konflikt zwischen Geld und Moral. Und da beziehen Grünliberale wie Ständerätin Verena Diener eindeutig Position:

    "Es geht doch nicht an, dass wir die Exportmöglichkeiten ausweiten zu Lasten der Menschenrechte."

    Die Befürchtungen sind nicht von der Hand zu weisen. Erst im vergangenen Jahr sorgten Meldungen für Schlagzeilen, wonach Schweizer Handgranaten auf Umwegen nach Syrien gelangt sind. Die Schweizer Ruag hatte das Material ursprünglich an die Vereinigten Arabischen Emirate geliefert, vor 2008, also noch vor der Verschärfung der Richtlinien.

    Auch 2011 kamen bei der Niederschlagung der Proteste in Bahrein durch saudische Sicherheitskräfte Schützenpanzer made in Switzerland zum Einsatz. Der sozialdemokratische Ständerat Roberto Zanetti fordert daher:

    "Wo schwerwiegend und systematisch Menschenrechte verletzt werden, da sollen einfach keine Schweizer Waffen eingesetzt werden. Da sollen auch keine Schweizer Waffen geliefert werden."

    Die sauberste Lösung wäre daher ein totales Waffenexportverbot, doch da macht das Schweizer Stimmvolk nicht mit. Mehrfach haben die Bürger ein solches Unterfangen an der Urne abgeschmettert.

    Die Rüstungsindustrie kommt jetzt mit einem anderen Argument: Es gehe nur darum, gegenüber anderen Konkurrenten, die an Saudi Arabien oder Pakistan liefern, Chancengleichheit zu wahren, so FDP Ständerat Hans Hess:

    "Wenn man natürlich nicht einmal gleich lange Spieße hat im Vergleich zum Ausland, versuchen wir doch wenigstens diese gleich langen Spieße herzustellen."

    Denn Länder wie Österreich oder auch Deutschland liefern Waffen an Saudi Arabien. Doch es geht nicht nur um gleich lange Spieße, sondern letzten Endes um die Frage, ob sich die Schweiz überhaupt noch langfristig eine eigene Waffenindustrie leisten kann oder nicht. Und damit eine eigene Armee, die wenigstens eine minimale Versorgung durch eigene Produkte erhält.

    Von ausländischen Produzenten abhängig zu werden würde nämlich bedeuten, so die Neue Zürcher Zeitung, die bewaffnete Neutralität zur Farce werden zu lassen.