In der Beschreibung der Lage waren sich die Vertreter der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Linkspartei sowie studentischer Initiativen des linken Spektrums an der Goethe-Uni Frankfurt am Main gestern Abend bei einer Podiumsdiskussion schnell einig: Es gibt aus ihrer Sicht eine "Prekarisierung der Arbeit" an den Hochschulen – vor allem durch die starke Befristung vieler Stellen bei den Hilfskräften. Gleichzeitig sieht man eine "Ökonomisierung der Bildung" durch Globalbudgets für Fachbereiche und dem Zwang für die Lehrstühle, ständig neue Drittmittel einzuwerben. Außerdem spricht man von einer "Entdemokratisierung" der hessischen Hochschulen. Die klassischen Räte der universitären Selbstverwaltung wie Fachbereichsräte verlören an Einflussmöglichkeiten.
Eine neue Hochschulgewerkschaft namens "Unterbau" will nun mit Streiks und spektakulären Aktionen die Studierenden gegen diese Entwicklungen mobilisieren. Durchsetzten will man auch einen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte nach Berliner Vorbild. Darauf setzt Michal Pallack von der sogenannten "Hilfskräfteinitiative" an der Frankfurter Goethe-Uni:
"Die neue Gewerkschaft Unterbau, die sich gegründet hat, hat nun einen sehr dezidiert kämpferischen Einschlag. Und ich glaube, das ist eine gute Ergänzung zu dem, was ohnehin schon passiert und was nun auch die anderen, etablierten Gewerkschaften schon machen."
Kein anarchistisches Eldorado
Vorbild für "Unterbau" sind lokale Rätedemokratien wie etwa im anarcho-syndikalistisch geprägten Barcelona vor der Franco-Zeit. Medizinstudent Manuel Müller ist Pressesprecher der geplanten neuen Gewerkschaft. Man träume zwar nicht von einem "anarchistischen Eldorado" auf dem Campus Westend der Goethe-Uni. Aber:
"Uns ist aber trotzdem die Idee, die dahinter steckt, sehr sympathisch. Deswegen haben wir es auch als unser Konzept übernommen, weil wir der Meinung sind, dass gerade die rätedemokratische Organisationsform eine gute Form ist. Weil sie mehr auf basisdemokratische Dinge Rücksicht nimmt und wir so ein bisschen von der Funktionärsstruktur wegkommen."
Neuer Schwung um den Kampf für mehr Rechte
Rund 100 Angehörige der Goethe-Uni Frankfurt am Main wollen deshalb im November die Gewerkschaft "Unterbau" im Rahmen eines Kongresses offiziell aus der Taufe heben. Die Vorbereitungen zu dieser Gewerkschaftsneugründung laufen aber bereits seit längerem in Frankfurt am Main. Michael Pallack von der "Hilfskraftinitiative" freut sich über den neuen Schwung im Kampf um mehr Rechte für die Studierenden:
"Und auch die GEW hat nun eine Stelle eingerichtet für studentische Hilfskräfte. Und das sehen wir auch als sehr positive Entwicklung, wo wir auch glauben, dass das damit zusammenhängt, dass die Hilfskraftinitiative dafür gesorgt hat, dass die Belange von Hilfskräften als wichtig anerkannt werden."
Tobias Cepok war gestern bei der Podiumsdiskussion über gewerkschaftliche Organisation an den Hochschulen der Vertreter der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Er sei auch zur Podiumsdiskussion von "Unterbau" gekommen, um zu lernen:
"Wenn die sexy sind, wollen wir das auch sein. Wir sind lernfähig und lernwillig. Da sind ja auch viele von Verdi oder der GEW so als Einzelpersonen, Studis, organisiert, die organisieren sich da. Da muss man sich als Gewerkschaft auch fragen: Warum organisieren sie sich nicht bei uns? Und das müssen wir selbstkritisch auch intern diskutieren."
In die Zukunft denken
Ob sich "Unterbau" nun im November als selbstständige Hochschulgewerkschaft konstituiert oder doch irgendwann ein Teil der GEW wird – für Janine Wissler, die Fraktionsvorsitzende der Linken im hessischen Landtag ist eines wichtig: Dass sich die engagierten "Unterbauer" langfristig innerhalb des DGB organisieren, um die Gewerkschaftsbewegung hierzulande nicht zu schwächen:
"Ich glaube, dass es notwendig ist, dass die DGB-Gewerkschaften an den Hochschulen stärker werden und ich glaube, es ist notwendig, dass die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich organisieren. Und ich würde mir wünschen, dass sie das in den DGB-Gewerkschaften tun."
Vielleicht bekommt also der Deutsche Gewerkschaftsbund also bald einen neuen, akademischen "Unterbau".