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Neue Allianzen mit alten Bekannten
Wiener Bands von Folksheld bis Neuschnee

In Österreich tut sich was: Voodoo Jürgens hat sich als 'Folksheld' neu erfunden, mit Gitarre im Stile Woody Guthries. Die Band Neuschnee erzählt Popmärchen, bei denen Elektro auf Kammermusik trifft. Grant ist der Newcomer des Jahres und Herbert Janata hat sich mit Sohn Sebastian zusammengetan. Augenzwinkernd nennen sie sich Worried Man & Worried Boy und etablieren ein neues Genre: Mundart-Skiffle.

Von Regina Kusch |
    Die Musiker Sebastian und Herbert Janata stehen weißgekleidet in aufgeschüttetem Sand vor einer Fotoleinwan, die einen breiten Weg durch einen Palmenwald zeigt
    Ruhig bleiben: Ein musikalisches Experiment von Vater Herbert und Sohn Sebastian Janata (Naa Teki Lebar)
    Die Kleinkunstszene in Österreichs Hauptstadt ist nicht besonders groß, aber bestens vernetzt und so kommt es häufig vor, dass spontane Musik-Sessions stattfinden, im Café Dezentral im 2. Bezirk zum Beispiel. Es hat eine kleine Bühne, auf der immer wieder Neues entsteht, wenn Musiker, die sonst nicht zusammen spielen, gemeinsam improvisieren. In diesem Umfeld ist auch das erste Solo-Album des jungen Liedermachers Voodo Jürgens entstanden, der mit bürgerlichem Namen David Öllerer heißt: eine Compilation von Stücken, die er u.a. mit dem Nino aus Wien, Eva Billisich und Sebastian Janata aufgenommen hat. Anti-Folk-Songs nennt er seine Lieder.
    Schräge Geschichten aus Wien
    Witzig und mit viel Gefühl erzählt Voodoo Jürgens schräge Geschichten aus Wien, weshalb ihn die Medien als "Folkshelden" feiern. Seine aktuelle Single heißt "Heite grob ma Tode aus". Das Video dazu wirkt wie eine heitere Hommage an Orson Welles, denn es spielt in der Wiener Kanalisation, so wie dessen Filmklassiker "Der dritte Mann".
    Musik: "Heite grob ma Tode aus" - Voodoo Jürgens
    heit fohr ma mit da geisterbahn,
    heit schau ma si des nüchtern an
    heit sprech ma olle sätz verkehrt,
    schau ma was si tuat unta da erd
    heit kreu ma ausn schneckenhaus,
    heit loss ma unsere kinda z´haus,
    heut speib me es essen aus,
    heit geh ma auf an leichenschmaus
    jo heite grob ma tode aus
    heite geh ma fria zhaus
    heit tanz ma mit de greßtn feind
    und schenkn erna reinen wein
    heit gheart uns die gaunze welt,
    heit gemma dennan sandloan geld
    heit samm freindlich waunn uns
    was net passt, und zu die die
    freindlich san, san wir a gfrast
    heit schaut des gaunze anders aus
    weil heite grob ma tode aus.
    heite sama stolz auf uns, wir
    finden sicher no an grund
    wann kanna klatschtgem wir applaus,
    weil heite grob ma tode aus
    heit reiß ma die bladln von die bam,
    heit schau ma si des nüchtern an
    geh ma auf an leichenschmaus
    heite grob ma tode aus
    Der Musiker Sebastian Janata hat "Heite grob ma Tode aus" zusammen mit Voodoo Jürgens produziert.
    "Im Wiener Jargon finden sich sehr viele, sehr schöne Redewendungen, die aber ein bisschen vergraben sind, die man wie Schätze wiederfinden muss. Dafür ist der David, der Voodoo Jürgens ein Experte.‚Heute grab ma Tote aus‘ kann so ein Aufruf sein: Hey Freunde, Freundinnen, lass uns rausgehen, heute grab ma Tote aus, heut feiern wir mal und vergessen alles andere. "
    Sebastian Janata hat, obwohl er seit sieben Jahren in Berlin lebt und dort mit seiner Band "Ja Panik" arbeitet, den Kontakt zur Wiener Musikszene nie abgebrochen. Zusammen mit seinem Vater Herbert Janata hat er in Wien an einem zweiten gemeinsamen Album gearbeitet. Herbert Janata war schon in den frühen 1960er Jahren ein gefeierter Musiker, Frontmann der "Worried Men Skiffle Group", die manchen Hit in den österreichischen Charts platziert hat.
    Generationsübergreifendes Experiment
    "Wir haben dann irgendwann einmal aus Spaß bei einer Freundin zu einer Jubiläumsfeier gemeinsam seine Musik gespielt. Irgendwie war es lustig und die Leute fanden das auch gut und wir haben dann überlegt, machen wir eine Platte gemeinsam, wo wir seine Songs nochmal neu aufnehmen. Das war unser erstes Album, das war sehr lustig und hat uns viel Spaß gemacht, live zu spielen. Und jetzt mit dem neuen Album mit dem Titel "Ruhig bleiben" haben wir versucht, neue Lieder zu schreiben. Es ist natürlich noch immer Mundart. Und die Lieder haben noch immer den Anstrich des Skiffleigen, es kommen viele jazzige Harmonien auch vor, mehr HiFi und mehr Popmomente als es bisher war."
    "Ruhig bleiben" ist ein musikalisches Experiment. Vater und Sohn haben beide für das Album Texte geschrieben und die Lieder dann gemeinsam arrangiert, manchmal fällt es schwer zu erraten, ob sie nun vom alten oder vom jungen Janata geschrieben wurden. Es geht um ungeliebte Lohnarbeit, das Hackln’, wie man in Wien sagt, um Gartenpartys, die Coolness von den Toten, Wiener Schnitzel und Benimmregeln.
    Musik: "Nimm die Finger weg" - Worried Man & Worried Boy
    "Ruhig bleiben" ist ein zeitloses Album, auf dem es gleich in mehreren Stücken um das Thema Gelassenheit geht. Ein wichtiger Aspekt in der generationsübergreifenden Zusammenarbeit von Vater und Sohn, erinnert sich Sebastian Janata.
    "Weil man ja auch gerne mal streitet, wenn man nahe verwandt ist. Und in verschiedenen Songs fand sich das einfach wieder, dass man gelassen an Sachen rangehen muss."
    Und das treffe immer zu, ganz gleich, an welchem Punkt des Lebens man sich gerade befinde. "Frühling", das Eröffnungs-Duett des Albums, dreht sich genau darum.
    "Das war als Versuch ausgelegt, gemeinsam ein Lied zu schreiben, ohne am selben Ort zu sein, ich hab einfach die erste Strophe geschrieben, hab die dann meinem Vater geschickt und hab gemeint, Papa, was hältst du davon, wenn wir gemeinsam im Ping Pong Verfahren uns gegenseitig Strophen schicken, bis wir dann ein Lied haben? Wir fanden die Idee beide super. Und dann hat er mir eine Strophe geschickt, die mir leider überhaupt nicht gefallen hat. Ende der Geschichte ist, dass ich dann das Lied fertig geschrieben hab. Worüber wir jetzt lachen, wenn wir daran denken."
    Musik: "Frühling” - Worried Man & Worried Boy
    Musik: "Konditorei" - Natalie Ofenböck & der Nino aus Wien
    Der Geruch vom Rauch vermischt sich
    mit´ m Zucker und dem Duft von Kaffee
    da steht eine riesengroße Vitrine
    mit Krapfen und Ribiselschnee
    Beim Begrüßen kleben die Hände fest
    was allen aber gut steht
    auf dem G´wand sieht man Kuchenreste
    die man noch abends trägt
    Die Konditorei roch nach Zucker
    nach Rum, Ruhm und Rauch
    und jeder der sie besuchte
    roch so auch.
    Die Strudel sind fertig gebacken
    der erste Bissen schon getan
    die Krachmandeln knacken
    Gesichter aus Marzipan
    Und die Karamellen kleben
    wie die Schokolade am Gaumen
    in den Punschkrapferl wälzen
    und über die Glasuren staunen
    Die Konditorei roch nach Zucker
    nach Rum, Ruhm und Rauch
    und jeder der sie besuchte
    roch so auch
    Zwischen den Zähnen sammeln sich die Kipferl
    unter der Zunge die Schokoladenglasur
    die Lippen picken z´sam mit Zucker
    man schaut nicht auf die Uhr
    Der blaue Rauch im süßen Licht
    der Zucker, Mohn und der Zimt
    die Rosinen und die Nüsse
    das Konfekt, die Tortengüsse
    Die Konditorei roch nach Zucker
    nach Rum, Ruhm und Rauch
    die Brösel schon fast in der Butter
    der Apfelstrudel im Bauch
    Die Konditorei roch nach Zucker
    nach Rum, Ruhm und Rauch,
    und jeder der sie besuchte
    roch so auch
    Nino Mandl, alias der Nino aus Wien und die Allround-Künstlerin Natalie Ofenbröck besingen in "Konditorei" die Atmosphäre verrauchter Landkaffeehäuser. Ihr erstes Album hatten die beiden noch als "Krixi, Kraxi und die Kroxn" veröffentlicht. Da dieser Bandname allerdings nicht besonders gut ankam und sich niemand mehr daran erinnert, in welcher durchzechten Nacht er entstanden ist, haben ihn die beiden wieder abgelegt. Da ihnen aber auch noch kein neuer Name eingefallen ist, singen sie auf ihrer zweiten gemeinsamen CD als Natalie Ofenböck und der Nino aus Wien.
    Als arrogant verschriene Wiener
    "Das grüne Album - Wiener Reise durch die Steiermark" haben sie es genannt. Im österreichischen Urlaubsparadies wollten die beiden herausfinden, was es dort mit den Vorurteilen gegen die als arrogant verschrienen Wiener auf sich hat. Und so haben sie sich bei Weinverkostungen, Besuchen in steirischen Singkreisen, Konditoreien, Kirchen und zahlreichen Gesprächen mit Volksmusikern, Bürgermeistern und Weintrinkern zu 15 musikalisch grundverschieden, poetischen Liedern inspirieren lassen. Wenn Nino Mandl und Natalie Ofenböck über die schaurigen Moore in der Steiermark fabulieren z.B., klingt das eher düster und geheimnisvoll. "Klapotetz" dagegen ist fröhlich und erinnert an ein Kinderlied. Ein Klapotetz, das ist übrigens eine im Südsteirischen Weinland verbreitete Vogelscheuche – ein Windrad mit Schlägeln, das durch sein Geklapper gefräßige Vögel von den Trauben fernhalten soll.
    Musik "Klapotetz" - Natalie Ofenböck & der Nino aus Wien
    Kuckucksuhr, Klapotetz
    wo ist der Regen jetzt
    Repolusk, Kürbiskopf
    er ist getropft
    Sonnenhügel, Winterflügel
    Hopfengärten, Windmühlen
    halt dich fest am Apfelrest
    die Kerne fliegen weg
    Die Zeitung macht mich heute blind
    ich fühl mich wie ein Rebenkind
    weil ich so vertrunken bin
    Kuckucksuhr, Klapotetz
    wo steht die Sonne jetzt
    Regenwind, Sonnenstrahl
    es ist egal
    Brettljaus, Bienenhaus
    Zirbentraum, Birnenbaum
    größere Walnüsse
    wenn du nur wüsstest
    Das Auto kenn ich aus dem Film
    es weiß genau wohin ich will
    ich sitz nur da und bin ganz still
    Katzenkind, Rebenwind
    wo ist das Leben hin
    Stadtgespräch, Dorfkantin
    die Wildnis ist bedingt
    Spiegelglatt, Schnee bergab
    Regentropfen, nasser Tag
    Kürbiskerne, Wintersterne
    was ich alles ernte
    Kuckucksuhr, Klapotetz
    die Reben sind gesetzt
    alles aus Holz gebaut
    wer hat das geglaubt
    Kuckucksuhr, Klapotetz
    wo sind die Reben jetzt
    Speckgesicht, Brettljaus
    sie führen nach Haus
    Elektro trifft auf Kammermusik – Mit dieser Attitüde hat sich die Band Neuschnee einen Namen gemacht. Auch ihr drittes Album hält das ein. Es ließ allerdings fünf Jahre auf sich warten. Grund war eine berufliche und private Lebenskrise des Masterminds der Band, Hans Wagner. Jetzt hat er sie gemeistert. Davon erzählt er auf dem neuen Album "Schneckenkönig". Es ist ein Popmärchen geworden, die Geschichte eines Königs, dessen Reich zugrunde geht. In zehn Kunstliedern, die von einem Prolog der die Weisheit sucht und einen Epilog, der sie im Universum findet, eingerahmt sind, erzählt der Sänger, Songwriter und Komponist, wie er es geschafft hat, das Königreich wieder neu aufzubauen. Mit dem Märchen Froschkönig - so Hans Wagner - hat die Geschichte nichts zu tun.
    "Schneckenkönig" ist im Volksmund ein Begriff für die Tatsache, dass jemand seine inneren Organe spiegelverkehrt hat. Das heißt Situs Inversus in der Fachsprache. Und damit bin ich geboren. Und irgendwie war das für mich ne Art und Weise, das zu verklausulieren, dass es auf diesem Album ganz viel um meine Geschichte geht."
    Anleihen aus der Barockzeit
    La Folia - so nennt man ein Harmoniemodell, das Komponisten in der Barockzeit als musikalische Vorlage diente. Hans Wagner schrieb es für die Diplomprüfung von Julia Pichler, der ersten Geigerin der Band und baute musikalische Zitate von Mendelssohn, Mozart, Brahms oder Khachaturian ein, alles Werke, die zum Repertoire einer klassischen Ausbildung gehören. Er kritisiert in diesem Lied, dass man im Studium zu Musikmaschinen erzogen werde. Man lerne zwar, die großen Meister virtuos zu reproduzieren,aber nicht, seine eigenen Gefühle in die Interpretationen einzubringen. So bliebe die Entwicklung einer eigenen musikalischen Persönlichkeit meist auf der Strecke.
    Musik: "La Folia" - Neuschnee
    Ein halbes Leben lang wird dir gezeigt, was du nicht kannst
    Und du spürst ständig deine Grenzen
    Keine Zeit, um zu merken, was du eigentlich schon kannst
    Keine Zeit heißt, dass Leben zu schwänzen
    Nein, sie ist nicht verrückt
    Ihre Federn sind bunt, oh hört ihr sie singen
    Ob sie die alten Lieder am schönsten singt
    Hauptsache ist doch ihr Herz will zerspringen
    Seid gewiss die Musik fließt durch uns durch
    Sei es die von gestern oder heute
    Nur wenn die Tradition nicht erlaubt den eigenen Ton
    Sind wir morgen noch dieselben Leute
    Ja, sie fliegt in der Nacht,
    denn was soll sie denn tun
    Am Tag muss sie sich biegen
    Die Freiheit, die ist doch Arbeit genug
    Gratulieren wir und lassen sie fliegen
    Vor 15 Jahren zog der Berliner Hans Wagner nach Wien. An der Universität für Musik und darstellende Kunst gründete der klassische Cellist und Nirvana-Fan 2006 die Band Neuschnee. Sein Ziel: auf ganz eigene Weise Kammermusik und Popsongs zu verbinden.
    "Das heißt, die Liedform her zu nehmen und diese Klangwelt, die klassische, die kammermusikalische, und dann, anders als im klassischen Gesang, nicht klassisch zu singen, weil ich es auch persönlicher finde, wenn man singt, wie einem der Schnabel gewachsen ist. "
    Markenzeichen der klassisch ausgebildeten sechsköpfigen Combo Neuschnee wurde eine Crossover-Kammermusik, die Bögen spannt von der Klassik bis zum Punk - und das immer mit extrem lyrischen Texten.
    Zwischen Introversion und Extroversion
    "Die Musik hat etwas sehr Zartes, weil es teilweise auch sehr ruhige Stücke sind. Sehr emotionale, melancholische sag ich mal. Und gleichzeitig ist unsere dynamische Spannweite ziemlich groß zwischen laut und leise. Und Neuschnee ist halt etwas Zartes und was Schönes, und wenn viel Neuschnee fällt, mag ich diese Ruhe, die entsteht und gleichzeitig ein wahnsinniges Chaos. In einer großen Stadt geht dann für eine Weile nichts mehr, weil man nicht fahren kann. Und irgendwie mag ich, dass es etwas Feinsinniges ist und gleichzeitig etwas Rohes. Die Spannweite zwischen Introversion und Extroversion ist ziemlich groß."
    Hans Wagner wandert da auf schmalem Grat zwischen Mainstream auf der einen Seite und seiner musikalischen Selbstverwirklichung auf der anderen. Geld ließe sich mit eingängigen Popsongs sicherlich leichter verdienen als mit komplizierten Kunstliedern. Aber Schlager zu schreiben, darauf hat Hans Wagner keine Lust. Er sagt über sich, er sei nur mit authentischen Texten wirklich gut. Diesen Konflikt hat er in dem Lied "Blatt im Wind" beschrieben.
    Musik: "Blatt im Wind" - Neuschnee
    Ich schieße mit Amors Pfeil
    Doch treffe leider nur dein Hinterteil
    Besser als daneben, aber meine Beine schlottern
    Mi-Mi- Mist jetzt fang ich auch noch a-,a-, an zu stottern
    Schau nicht so, als ob dich das mit uns nicht interessiert

    Ich lauf in Rotation, denn ich bin gut produziert
    Mag sein doch du bist leider nicht mein Archetyp
    Doch sei nicht traurig, weil es von mir sicher viele gibt
    Und übrigens hier ist die Nummer von meinem Vater
    Meld dich bei mal ihm, er ist ein guter Psychiater
    Ich renne doch ich komm nicht an
    Gut, dass ich schwimmen kann
    Durch den Warteraum
    Plan B ist Plan A
    Denn der war schon immer da
    Wie ein wiederkehrender Traum
    Kurze Weile langer Weg bestimmt
    Was auch immer es auch ist mein Kind
    Falten Sorgenfalten klein gewinnt
    Denn wir fallen wie ein Blatt im Wind

    Ich roll den Rock`n`Roll Koffer bergauf und bergab
    Und wenn ich zwischendurch dazu fast keine Kraft mehr hab
    Dann schreib ich mir selbst `ne Postkarte, auf der steht
    Vergesse niemals, Heimat ist dort, wo man Dich versteht
    Er sagt zu mir, du arbeitest hart, doch fährst keine Renditen
    Mach’s doch wie ich und nehme einarmige Banditen
    Das ist legal und wie Robin Hood in umgekehrt
    Nimm von den Armen, gib den Reichen, das hat sich bewährt
    Manchmal ist das Leben wie das des Huhns im
    Hühnerparadies
    Ein verheißungsvoller Name, doch dort dreht man Dich am
    Spieß
    Grant - der Geheimtipp
    Mit zwölf schrieb Dima Braune seine ersten Gedichte. Er lieh sich die Gitarre seines Vaters und vertonte seine lyrischen Versuche. Erste Bühnenerfahrungen gewann er in einer Schülerband und jetzt, zehn Jahre später, werden er und seine Band Grant als Geheimtipp in der Wiener Musikszene gehandelt. Grant besteht seit drei Jahren und gerade haben sie ihr Debütalbum veröffentlicht. Eine Sammlung dunkler, neue Wienerlieder. Sie erzählen von Liebeskummer, zorniger Einsamkeit und melancholisch durchzechten Nächten.
    Musik: "Was bleibt?" - Grant
    Ich erzähl euch jetzt vom Schmerz
    Und von neuen Idealen
    Tetanischen Göttern
    Neuen Ritualen – wie konntest du die Zeiten so
    verschwenden und glücklich sein?
    Denn immer wenn du hinter dich blickst
    Stellst du fest: hier gibt’s nicht außer Qualen
    Und die paar Kinder in ihren schönen Schalen
    Und alles, was wir immer ernten, ist blanker Hohn
    Und diese Nacht im Atelier
    Ich war nervös und hab mich betrunken
    Dann bin ich auf ewig in deinem Ansehen gesunken
    Und alles, was mir bleibt, ist diese Trostlosigkeit

    Du weißt doch eh, dass
    Die keine Ahnung haben von irgendwas
    Und die Wienerliedmelodie
    Zerstülpt die Seelen und beleuchtet sie
    Und ich fahr zum Friedhof der Namenlosen raus
    Und schreib auf jedes Grab ein paar Namen drauf
    Auf manche schreib ich ich und auf manche eben du
    Und das Spiel, das schnürrt mir die Kehle zu
    Und sonst nichts
    Das ist alles was bleibt
    Und man haut mich in ein Taxi
    Und sagt ihm, wo ich wohn
    Und ich wein wieder urherrlich, schluck und verfluch den
    Hurensohn
    In so ein Licht hinein, das immer glänzt und scheint und
    immer dableibt weil
    Das ist alles was bleibt
    Der Name Grant - auf hochdeutsch: schlechte Laune - sei eher durch Zufall entstanden, erinnert sich der Sänger, Texter und Komponist der Band Dima Braune, und er sei nicht unbedingt Programm.
    "Darüber machen wir uns auch recht wenig Gedanken, über unsere Einstellung. Es ist nicht jeder grantig in der Gruppe. Es ist ein Wort, das man mit Wien assoziiert."
    Wiener Melancholie
    Motiviert von seinen Vorbildern, den österreichischen Dichtern H.C. Artmann und Joseph Roth, zeichnet der zweiundzwanzigjährige Dima Braune seine Sicht auf die reichlich besungene Wiener Melancholie; er singt darüber, was in seinem Leben passiert und wechselt dabei ständig die Blickwinkel. Mal erzählt er von Spielern, die er im Prater-Kasino beobachtet hat mal von Hurensöhnen, die Frauen schlecht behandeln. Oft beschreibt er einfach wie er sich fühlt, während er in rauchgeschwängerten Kellerlokalen Konzerte gibt oder wenn er nachts durch die Stadt stromert, in der er tagsüber manchmal auch an der Universität für angewandte Kunst anzutreffen ist.
    "Es ist eher so eine Art romantisches Dasein, in der Jugendsprache sagt man driften, auf Bahnen schweben und alles ignorieren, und gar nichts gut finden, aber eigentlich doch."
    Da ihn das Studieren oft eher grantig macht, hat Dima Braune stattdessen jede Menge Stoff für neue Alben produziert. Strukturierter soll das nächste werden. Keine einfache Liedersammlung, sondern eine zusammenhängende Geschichte. Der Titel steht schon fest: "Unter dem Milchwald" und es soll eine Abrechnung werden mit kleinkarierten Idyllen, von denen Dima Braune einiges erzählen kann. Schließlich ist er in Klosterneuburg aufgewachsen, einer gediegenen Kleinstadt an der Donau, nördlich von Wien. Kein inspirierender Ort für Jugendliche auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, findet Dima Braune. Eine Erinnerung aus dieser Zeit hält er aber hoch: die an seine Großmutter, der er ein melancholisches Lied gewidmet hat.
    Die Hoffnung stirbt zuletzt
    "Meine Großmutter kam aus Russland, ursprünglich aus ländlicher Gegend, dann sind sie später nach Moskau, dann nach St. Petersburg. Angetrieben von der Revolution, von der Hoffnung auf Arbeit, sind trotzdem verarmt,
    haben dort wegmüssen. Meine Großmutter ist dann schließlich in Wien gelandet, bei einem Mann, der sie als Putzfrau gehalten hat und sie nicht sehr liebevoll behandelt hat und sie war aber eine unglaublich liebevolle Person und genau das ist es, worum ich mir in dem Lied Gedanken mache. Und so, wie ich sie aus russischen Dorfdichtungen habe, aus russischen Folkloren, wie Sergeij Jessenin: Es wird immer von der Warte aus geschrieben, dass alles besser wird, obwohl man weiß, dass es nicht so ist."
    Musik: "Baba Jaga" - Grant
    Vier Geschwister waren wir am Weg von Moskau nach
    Sankt Petersburg
    Tonda, Ada, Bozina und ich
    Wir stoben um die Wette dort
    Eher da als eher fort
    Alles andre interessierte uns noch nicht
    Baba Jaga baba jaga bitte tu mir das nicht an
    Mama ist längst tot und Papa trinkt
    Irgendwann werden wir so wie früher sein,
    wenn Stalin dieses rote Lied noch singt
    Drei Geschwister hatte ich auf den Straßen von
    Sankt Petersburg
    Tonda spielt Gitarre für Radio Ost
    Kommt dann immer spät nachhaus
    Schläft mittags seine Kater aus
    Jeden Tag nur: Ach was für ein Fest!
    Baba jaga baba jaga bitte tu mir das nicht an
    Weil Ada weint und Tonda ist auf Junk
    Irgendwann werden wir so wie früher sein –
    bis dahin gebührt dir unser Dank
    Zwei Geschwister hatte ich auf dem Weg nach Prag
    Ein Mann hielt Bozina am Herzen fest
    Und stößt sie von den Stufen dort
    Und schlägt und betrügt sie oft sofort
    Lebt nun mit ihm im heiligenden Budapest
    Baba Jaga Baba jaga bitte tu mir das nicht an
    Bozina wo bist du nur mein Schatz
    Irgendwann da werden wir noch so wie früher sein
    An irgendeinem ur ur bösen Tag
    Ganz alleine war ich dann in Prag, eines morgens
    Ein Arier der nahm mich dort mit sich
    Und ich putz ihm Schuh, ich putz ihm Haus
    Ich fick ihm die Dämonen raus
    Irgendwann sagt er vielleicht ich liebe dich
    Baba jaga baba jaga bitte tu mir das nicht an
    Ada hat ein Restaurant in Prag
    Irgendwann werden wir noch so wie früher sein
    Ich bring mich lieber um als dass ich´s sag