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Neue Bach-CDs mit Beatrice Rana und Rafal Blechacz
Barocke Pianisten-Prüfsteine

Junge Pianisten machen gern Furore mit den großen Virtuosenkonzerten von Tschaikowsky oder Rachmaninow. Doch die ersten Prüfsteine folgen erst, wenn sie sich den großen Solowerken stellen, bei denen es nicht um Athletik und Schnelligkeit geht, sondern um andere Werte. Diesen stellen sich Beatrice Rana und Rafal Blechacz mit neuen Bach-Aufnahmen.

Von Christoph Vratz |
    Der polnische Pianist Rafal Blechacz 2012 beim Internationalen Prager Frühling-Musikfestival
    Vertreter der jungen Pianistengeneration: Rafal Blechacz (CTK)
    Musik: Bach, Goldberg-Variationen
    Es hat keine Eile, dieses Thema, dessen Bass-Figur Johann Sebastian Bach noch dreißigmal verändern wird, bevor das Thema am Ende der "Goldberg-Variationen" wieder original erscheint.
    Musik: Bach, Goldberg-Variationen
    Dieses Thema singt, es atmet, es leuchtet dezent, wie nach innen gerichtet. So spielt Beatrice Rana die Eröffnung zu Bachs großem Zyklus. Rana sorgte erstmals für größeres Aufsehen, als sie 2013 den Zweiten Preis beim 14. Van Cliburn-Klavierwettbewerb in den USA gewann. Nach einer Solo-Aufnahme mit Werken von Schumann bis Bartók und einer Aufnahme mit russischen Klavierkonzerten spielt sie nun erstmals Bach – und zeigt dabei all ihre Qualitäten. Da ist zum einen ihre glasklare Phrasierung…
    Musik: Bach, Goldberg-Variationen
    Da ist auch ihre Wandlungs- und Gestaltungsfähigkeit in den leisen, geheimnisvollen Passagen…
    Musik: Bach, Goldberg-Variationen
    Da ist schließlich ihre Beweglichkeit. Rana spielt das nie vordergründig virtuos, sie formt gesangliche Linien, ihr Anschlag ist kernig und samtig zugleich, ihre Verzierungen dienen nie als nur schmückendes Beiwerk, sondern sind Teil ihrer differenzierten dramaturgischen Gestaltung.
    Musik: Bach, Goldberg-Variationen
    Kantabilität und Transparenz
    Beatrice Rana ist den Herausforderungen dieses Gipfel-Werks in allen Belangen gewachsen. Sie kommt, und das mag vielleicht erstaunen, nah an die maßstabsetzenden Aufnahmen mit András Schiff und Murray Perahia heran (sofern man Glenn Gould einmal als Sonderfall betrachtet). Ihr perlender Anschlag, ihre markigen, aber immer organisch platzierten Akzente, die Kantabilität ihres Spiels, die Balance und Transparenz der einzelnen Stimmen sowie ihre feinen dynamischen Abstufungen – all das macht diese Einspielung zu etwas Großem.
    Musik: Bach, Goldberg-Variationen
    Es sind immer wieder die Feinheiten und Finessen, mit denen Beatrice Rana den Herausforderungen dieses Zyklus‘ gerecht wird. In Variation 10 etwa beginnt sie piano, und steigert mit jeder hinzutretenden Stimme die Lautstärke, so dass aus dem vorsichtigen Hineintasten eine Gebärde des Selbstbewusstseins und chorischer Jubel entsteht.
    Musik: Bach, Goldberg-Variationen
    Auch aufnahmetechnisch ist diese Produktion exzellent: ein wunderbar direktes und zugleich räumliches Klangbild – insgesamt ist diese Einspielung eines der Highlights des noch jungen CD-Jahres!
    Diese Produktion beweist einmal mehr, wie selbstverständlich junge und jüngere Pianisten heutzutage Bach auf dem modernen Klavier spielen: historisch informiert und souverän im Umgang mit den Gestaltungsmöglichkeiten heutiger Konzertflügel.
    Das gilt auch für Rafał Blechacz, der sein Bach-Album mit dem Italienischen Konzert eröffnet.
    Musik: Bach, Italienisches Konzert
    Zupackend, aber nicht plakativ
    Sehr entschlossen beginnt Blechacz dieses Konzert, doch nie plakativ. Auch er spielt mit historisch geschärftem Sinn, er trillert cembalohaft scharf, verteilt souverän die einzelnen Stimmen und arbeitet die rhythmischen Muster klar heraus. Im Mittelpunkt dieser Aufnahme, die außerdem Fantasie und Fuge BWV 944 sowie die Vier Duette enthält, stehen die beiden Partiten Nr. 1 und 3.
    Musik: Bach, Partita Nr. 1
    Diese Allemande aus der ersten Partita zeigt: Das schnurrt und surrt. Das klingt nie betulich, sondern geradezu aufrüttelnd – vielleicht eine Spur zu aufgekratzt. Würde Blechacz in den Widerholungsteilen nicht in delikatem Piano spielen, zöge diese Musik fast automatenhaft schnell am Hörer vorbei. Und das ist letztlich ein Manko. Denn gleiches wiederholt sich in der Courrante – und sogar im Menuett.
    Musik: Bach, Partita Nr. 1
    Bei aller herausragenden technischen und musikalischen Qualitäten, die Blechacz besitzt – an einigen Stellen wirkt dieser Bach forciert, gedrillt. Der innere Atem dieser Musik stockt, wenn die Linien zu sehr gehärtet werden.
    Musik: Bach, Partita
    Keine Frage, Rafał Blechacz spielt auf sehr hohem Niveau, doch er zeigt uns diese Musik zu selten als Organismen, die vor unseren Ohren ihr Leben entfalten und zu blühen beginnen. Eine gute, aber keinesfalls eine überragende Aufnahme.
    CD-Angaben:
    Johann Sebastian Bach
    Goldberg-Variationen BWV 988
    Beatrice Rana, Klavier
    Warner CD 0190295880187
    Johann Sebastian Bach
    Italienisches Konzert F-Dur BWV 971
    Partita Nr. 1 B-Dur BWV 825
    Partita Nr. 3 a-Moll BWV 827
    Duette BWV 802-805
    Fantasie & Fuge a-Moll BWV 944
    Jesus bleibet meine Freude BWV 147
    Rafał Blechacz, Klavier
    DG CD 479 5534