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Neue Brexit-Vorschläge
Chancen für eine Unterhaus-Mehrheit

Kann Boris Johnson doch noch einen neuen Vertrag mit der EU abschließen? Nach langem Streit zwischen Regierung und Parlament sind die Erwartungen in London gedämpft. Neue Vorschläge des Premier für den Umgang mit Nordirland hätten aber durchaus Chancen auf eine Mehrheit im Unterhaus.

Von Friedbert Meurer |
Der britische Premierminister Boris Johnson auf dem Parteitag in Manchester. Er steht hinter einem Rednerpult.
Der britische Premierminister Boris Johnson (BEN STANSALL / AFP)
Die Unterhaus-Sitzung in London ging gestern vergleichsweise ruhig zu. Premierminister Boris Johnson erklärte ruhig seine Vorschläge, wie ein neuer Vertrag mit der EU aussehen könnte. Details nannte er nicht. Selbst als die Opposition die Vorschläge prompt ablehnte, entgegnete Johnson nur, das sei enttäuschend.
Nach all dem Theaterdonner und Streit zwischen Regierung und Parlament steht in London erst einmal die Frage im Vordergrund: Kann Premierminister Boris Johnson vielleicht doch noch einen neuen Vertrag mit der EU abschließen?
"Unsere Vorschläge sollten die Grundlage für schnelle Verhandlungen sein, auch in der kurzen Zeit, die noch zur Verfügung steht. Aber wenn unsere europäischen Nachbarn nicht auch entsprechend den Willen zu einer Einigung zeigen, dann müssen wir am 31. Oktober ohne Vertrag die EU verlassen."
Nordirland im EU-Binnenmarkt, aber außerhalb der Zollunion?
Die Erwartungen in London sind gedämpft. Die Vorschläge an die EU könnten ein rein wahltaktisches Manöver sein, glaubt zum Beispiel Ian Blackford, der Fraktionschef der Schottischen Nationalpartei.
"Diese Vorschläge kann die EU nicht annehmen, sie tragen nicht. Es geht nur darum, jemand anderem, nämlich der EU, die Schuld zu geben, wenn dieser Plan abgelehnt wird."
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Doch der Fokus liegt zurzeit erst einmal auf Johnsons neuen Vorschlägen. Danach soll Nordirland zwar im EU-Binnenmarkt bleiben, aber die Zollunion verlassen – mit der Folge, dass es eine Zollgrenze auf der irischen Insel geben muss. Deswegen wurde die Debatte im Londoner Unterhaus gestern auch in Dublin aufmerksam verfolgt – und zwar mit großem Unbehagen. Neale Richmond leitet im irischen Parlament den Brexit-Ausschuss.
"Wir brauchen gesetzliche Garantien, wie das funktionieren soll, ohne Zollkontrollstellen zu errichten. Der Hinweis auf neue Technologien ist zu vage. Wir können nicht das Karfreitagsabkommen gefährden, indem wir uns auf bloß ehrgeizige Pläne einlassen."
Brexiteer Jenkin: "Es gibt viel Anlass zum Optimismus"
Einen Vorteil haben die Vorschläge Boris Johnsons: Sie hätten durchaus Chancen, im Unterhaus eine Mehrheit zu finden. Die nordirische DUP und selbst ultraharte Brexiteers wie Bernhard Jenkin wären einverstanden.
"Es gibt den Wunsch nach einem Kompromiss. Die Leute wollen das endlich erledigt sehen. Es gibt viel Anlass zum Optimismus. Die Frage ist, ob die EU sich auch kompromissfähig zeigt."
Sollten sich Briten und Europäer beim EU-Gipfel in zwei Wochen nicht einigen, verlangt ein britisches Gesetz, dass Premier Boris Johnson die EU dann bitten muss, den Brexit noch einmal zu verschieben. Johnson droht, dass er das auf keinen Fall tun will. Damit könnte es in den letzten Tagen vor dem 31. Oktober zu einem Showdown zwischen Regierung und Parlament kommen, der am Ende wieder vor dem höchsten Gericht, dem Supreme Court, landet.