Wenn Besucher Marc Halter fragen, wie es war in den 30er-Jahren in seiner Heimat, versucht es der 54 Jahre alte Franzose mit einem Vergleich:
"Wenn man Lieder hört, wenn man Filme sieht, dann sind die Filme wirklich sehr depressiv. Das ist ein Zeichen der Mentalität von damals."
Depression, Friedenssehnsucht, eine schwerfällige Demokratie. Für den Präsidenten der Freunde der Maginot-Linie war Frankreich schon vor Kriegsbeginn geschlagen:
"1936 war der Krieg schon verloren, von der Mentalität her, von der Politik. In Frankreich vor dem Krieg waren die Rivalitäten zwischen Kommunisten und Rechten so groß, dass einige sogar wollten, dass Deutschland gewinnt. Andere waren Pazifisten. Da hat Hitler gemerkt: Die Franzosen werden mich nicht stoppen."
Auf dem Papier war die französische Armee der Wehrmacht überlegen - doch Offiziere und Politiker waren kriegsmüde. Zu groß war das Trauma vom Ersten Weltkrieg, in dem Frankreich relativ gesehen die höchsten Verluste zu verkraften hatte. Mit drastischen Folgen für die Landesverteidigung:
"Man wusste, dass ab 1934 150.000 Männer nicht geboren würden. Man wollte die Soldaten, die während des Ersten Weltkriegs nicht geboren wurden, durch Beton ersetzen."
In Schoenenbourg ist dieses Konzept gut zu besichtigen. Schon der Blick in die scheinbar endlosen langen Stollen – 30 Meter unterhalb der Erdoberfläche – ist atemberaubend:
"Wir sehen jetzt vielleicht 300 Meter. Die Gesamtlänge ist 1100."
Karl-Hans Stöß gehört zu den deutschen Mitgliedern der Maginot-Freunde. Mindestens einmal pro Woche ist der 71-Jährige in Frankreich. Dann führt er die Besucher vorbei an den Loren der Schmalspurbahn und zeigt ihnen die winzigen Schlafräume der Soldaten:
"Das sind drei mal zwölf Betten übereinander. 200 Betten für 600 Mann. Ein Bett für drei Mann, die dann nacheinander darin geschlafen haben."
Anfangs haben sich viele Veteranen im Maginot-Verein engagiert. Doch das ist Geschichte. 2008 wurde in Frankreich der letzte Soldat des Ersten Weltkriegs zu Grabe getragen. Und auch die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg verblasst:
"Wir haben noch sehr viele Leute gekannt, die den Krieg erlebt haben.
Die jüngeren Leute, die haben Leute vom Zweiten Weltkrieg nicht gekannt. Das merkt man. Die Leute wissen heute nicht mehr, was eine Granate ist. Im Gegensatz zu einem Geschoss. Kasematte – was ist das? Wehrmacht? Was ist das?"
Rund 30.000 Besucher schleusen Ehrenamtliche jedes Jahr durch die Anlage. Seit zwei Jahren werden es aber weniger. Die Wirtschaftskrise hinterlässt auch in der Maginotlinie ihre Spuren.
"Jetzt geht’s rauf zum Turm."
Nach einem Kilometer Fußmarsch zeigt Karl-Hans Stöß das Herz der Festung – die mehr als 100 Tonnen schweren Kanonen:
""Normalerweise macht es der Motor, aber alles, was für den Kampf nötig ist, kann auch von Hand bedient werden. Selbst wenn die ganze Festung eingenommen sein sollte, kann man hier noch kämpfen."
Die Geschosse der Kanonen sollten in der evakuierten Zone vor der Grenze niedergehen. Die Friedenssehnsucht – auch hier spielt sie wieder eine Rolle.
"Es war so geplant, dass man mit den Geschützen nicht nach Deutschland schießen kann. Man hatte Angst, als aggressiv dargestellt zu werden. Aber von hier aus hat man ein wunderschönes Panorama. Da sieht man Baden-Baden, Karlsruhe, die Schwarzwaldhochstraße."
Im Krieg glichen die hügeligen Nordvogesen einer Kraterlandschaft:
"Die Festung Schoenenbourg hat mehr als 3000 Bomben und Granaten abgekriegt. Und selbst hat die Festung 17.000 Schuss abgefeuert. In drei Wochen."
Doch letztlich vergebens. Angriff wäre die bessere Verteidigung gewesen, sagen rückblickend die Historiker. Und doch ist das Einbunkern wieder ein Thema in Frankreich, seit Politiker verschiedener Lager für einen Wirtschafts-Protektionismus werben – eine ökonomische Maginotlinie, wenn man so will. Ob sie erfolgreicher sein kann als ihr militärisches Vorbild, ist fraglich. Aber manchmal, glaubt Lehrer Marc Halter, entscheiden die Franzosen lieber mit ihrem Herzen als mit dem Verstand:
"Von der Analyse sind die Deutschen viel konkreter, mathematischer, viel neutraler. Bei uns ist das sehr mit Herzen, nationalistisch. Das ist nicht immer falsch, aber oft verfälscht."
"Wenn man Lieder hört, wenn man Filme sieht, dann sind die Filme wirklich sehr depressiv. Das ist ein Zeichen der Mentalität von damals."
Depression, Friedenssehnsucht, eine schwerfällige Demokratie. Für den Präsidenten der Freunde der Maginot-Linie war Frankreich schon vor Kriegsbeginn geschlagen:
"1936 war der Krieg schon verloren, von der Mentalität her, von der Politik. In Frankreich vor dem Krieg waren die Rivalitäten zwischen Kommunisten und Rechten so groß, dass einige sogar wollten, dass Deutschland gewinnt. Andere waren Pazifisten. Da hat Hitler gemerkt: Die Franzosen werden mich nicht stoppen."
Auf dem Papier war die französische Armee der Wehrmacht überlegen - doch Offiziere und Politiker waren kriegsmüde. Zu groß war das Trauma vom Ersten Weltkrieg, in dem Frankreich relativ gesehen die höchsten Verluste zu verkraften hatte. Mit drastischen Folgen für die Landesverteidigung:
"Man wusste, dass ab 1934 150.000 Männer nicht geboren würden. Man wollte die Soldaten, die während des Ersten Weltkriegs nicht geboren wurden, durch Beton ersetzen."
In Schoenenbourg ist dieses Konzept gut zu besichtigen. Schon der Blick in die scheinbar endlosen langen Stollen – 30 Meter unterhalb der Erdoberfläche – ist atemberaubend:
"Wir sehen jetzt vielleicht 300 Meter. Die Gesamtlänge ist 1100."
Karl-Hans Stöß gehört zu den deutschen Mitgliedern der Maginot-Freunde. Mindestens einmal pro Woche ist der 71-Jährige in Frankreich. Dann führt er die Besucher vorbei an den Loren der Schmalspurbahn und zeigt ihnen die winzigen Schlafräume der Soldaten:
"Das sind drei mal zwölf Betten übereinander. 200 Betten für 600 Mann. Ein Bett für drei Mann, die dann nacheinander darin geschlafen haben."
Anfangs haben sich viele Veteranen im Maginot-Verein engagiert. Doch das ist Geschichte. 2008 wurde in Frankreich der letzte Soldat des Ersten Weltkriegs zu Grabe getragen. Und auch die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg verblasst:
"Wir haben noch sehr viele Leute gekannt, die den Krieg erlebt haben.
Die jüngeren Leute, die haben Leute vom Zweiten Weltkrieg nicht gekannt. Das merkt man. Die Leute wissen heute nicht mehr, was eine Granate ist. Im Gegensatz zu einem Geschoss. Kasematte – was ist das? Wehrmacht? Was ist das?"
Rund 30.000 Besucher schleusen Ehrenamtliche jedes Jahr durch die Anlage. Seit zwei Jahren werden es aber weniger. Die Wirtschaftskrise hinterlässt auch in der Maginotlinie ihre Spuren.
"Jetzt geht’s rauf zum Turm."
Nach einem Kilometer Fußmarsch zeigt Karl-Hans Stöß das Herz der Festung – die mehr als 100 Tonnen schweren Kanonen:
""Normalerweise macht es der Motor, aber alles, was für den Kampf nötig ist, kann auch von Hand bedient werden. Selbst wenn die ganze Festung eingenommen sein sollte, kann man hier noch kämpfen."
Die Geschosse der Kanonen sollten in der evakuierten Zone vor der Grenze niedergehen. Die Friedenssehnsucht – auch hier spielt sie wieder eine Rolle.
"Es war so geplant, dass man mit den Geschützen nicht nach Deutschland schießen kann. Man hatte Angst, als aggressiv dargestellt zu werden. Aber von hier aus hat man ein wunderschönes Panorama. Da sieht man Baden-Baden, Karlsruhe, die Schwarzwaldhochstraße."
Im Krieg glichen die hügeligen Nordvogesen einer Kraterlandschaft:
"Die Festung Schoenenbourg hat mehr als 3000 Bomben und Granaten abgekriegt. Und selbst hat die Festung 17.000 Schuss abgefeuert. In drei Wochen."
Doch letztlich vergebens. Angriff wäre die bessere Verteidigung gewesen, sagen rückblickend die Historiker. Und doch ist das Einbunkern wieder ein Thema in Frankreich, seit Politiker verschiedener Lager für einen Wirtschafts-Protektionismus werben – eine ökonomische Maginotlinie, wenn man so will. Ob sie erfolgreicher sein kann als ihr militärisches Vorbild, ist fraglich. Aber manchmal, glaubt Lehrer Marc Halter, entscheiden die Franzosen lieber mit ihrem Herzen als mit dem Verstand:
"Von der Analyse sind die Deutschen viel konkreter, mathematischer, viel neutraler. Bei uns ist das sehr mit Herzen, nationalistisch. Das ist nicht immer falsch, aber oft verfälscht."