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Neue CD von Kevin Morby
Folk für die großstädtische Einsamkeit

Sein letztes Album "Singing Saw" hat Kevin Morby dem ländlichen mittleren Westen der USA gewidmet. Jetzt legt er den kompletten konzeptuellen Gegenentwurf vor: Die Musik auf "City Lights" soll Folk für die Großstadt sein. Wie gelingt es, diese beiden Gegensätze zu vereinen?

Von Florian Fricke |
    Kevin Morby auf dem "Rock en Seine"-Festival in Paris vergangenes Jahr.
    Kevin Morby auf dem "Rock en Seine"-Festival in Paris vergangenes Jahr. (imago stock&people)
    Das war einer der Indie-Hits 2016, "I have been to the Mountain" vom Album "Singing Saw" von Kevin Morby. Morby ist Ende 20 und stammt aus dem ländlichen Mittleren Westen, er wuchs in Kansas City auf. "Singing Saw" war als ländliches, folkiges Album konzipiert, inspiriert von den Göttern des Genres, Bob Dylan und Joni Mitchell. Gleichzeitig schrieb Morby schon am Nachfolgealbum "City Music", der großstädtische Gegenentwurf zu "Singing Saw"..
    "City Music" ist diesmal inspiriert von Lou Reed und Patty Smith, eine Referenz also an das mythische New York der späten 1960er und 1970er-Jahre, von dem heute kaum noch etwas übrig ist.
    "Manchmal denke ich, dass es vielleicht keine so gute Idee ist so sehr an die Vergangenheit zu kleben, auch weil es so naheliegend ist. Aber es ist eben gar nicht so naheliegend. Ich bin jetzt fast 30 Jahre alt, aber etliche Kids von heute haben wahrscheinlich überhaupt keine Ahnung, wer Lou Reed war. Als zeitgenössischer Künstler kann ich also sehr wohl meinen Idolen huldigen, so wie Patty Smith es damals auch gemacht hat."
    Im musikalischen Zentrum des Openers "Come to me now" steht eine uralte Pumporgel, die Kevin Morby im kalifornischen Studio mit Meeresblick vorfand, und die den Ton vorgibt für das Thema, das über dem ganzen Album schwebt - die großstädtische Einsamkeit.
    "Ich hatte einen Artikel in der New York Times gelesen, 'Der langsame Tod des George Bell'. Dort ging es um einen Einsiedler in Manhattan, dessen Leiche erst Monate nach seinem Tod gefunden wurde. Ich habe diese Geschichte verbunden mit einem Song von Nina Simone namens 'Turn me on', wo sie ihre eigene Einsamkeit verhandelt. Und aus diesen beiden Geschichten habe ich meinen fiktiven Charakter erstellt, der ein Einsiedlerleben in einer Metropole wählt, wo um ihn herum das Leben nur so überquillt."
    "City Music" steht auch mehr für die Energie einer Live-Show, anstatt für Lagerfeuer-Reflexionen. Es sind die zwei Herzen, die in Kevin Morbys Brust schlagen. Als er als 18-Jähriger nach New York kam, spielte er gleichzeitig in einer Psych-Folk- und in einer Garagenrock-Band. Heute lebt er in Los Angeles, pendelt aber wie viele andere Kreative oft nach New York, wo er viel zu tun hat. Zum Ausspannen zieht er sich in sein Haus in Kansas zurück, das er sich kürzlich gekauft hat.
    "Am besten repräsentieren die USA nicht New York oder Los Angeles, sondern der mittlere Westen, der Süden und der Norden. Kansas City ist durch und durch amerikanisch, ich liebe es, von diesen Leuten umgeben zu sein. Du spürst dort die Geschichte und das mühsame Leben. Ich finde die Gegend faszinierend, auch deswegen, weil die meisten Menschen nie herausfinden werden, wie es dort ist."
    Im Mittepunkt: Morbys warmherzige Stimme
    Interessant wird die Auseinandersetzung Morbys mit verschiedenen Formen von Einsamkeit, wenn er sie mit seiner eigenen Wirklichkeit spiegelt. Kevin Morby ist wie viele seiner ungefähr gleichaltrigen Kollegen ein globaler Bürger, ständig auf Achse und übers Internet mit der ganzen Welt verbunden. Den Song "Aboard my Train" widmet er diesem vermeintlichen Glück des reisenden Künstlers.
    "Ich kenne nun so viele Menschen, und so viele wurden Freunde, ich glaube, ich habe wirklich 1000 Freunde - und nicht nur auf Facebook. Manchmal ist dieses Gefühl einfach nur überwältigend. Und mit den Freunden von früher, die mich noch kennen, als ich noch nicht so viel zu tun hatte, mit denen wird es umso schwieriger Kontakt zu halten. Das ist ist einerseits hart, und irgendwie muss ich damit zurechtkommen - aber es ist, seien wir ehrlich, auch das First-World-Problem eines weißen Indierockers."
    Klanglich ist "City Music" ein Album, das frei atmet, man hört wirklich alles, auch das Pedal der antiken Pumporgel. Kevin Morbys charakteristische und warmherzige Stimme ist dabei stets im Vordergrund, man wird nicht müde ihr zuzuhören - ein klassischer Geschichtenerzähler auf den Pfaden seiner großen Vorbilder Dylan, Cohen, Reed oder Nina Simone. Ein eigener Lyrikband ist bereits geplant. Und das Technik nichts zählt, aber Empathie und Fantasie umso mehr, das hat er von Nobelpreisträger Bob Dylan gelernt.
    "Einer meiner Lieblingsbands ist Silver Jews. Von ihnen gibt es die Liedzeile 'Alle meiner Lieblingssänger konnten gar nicht singen.' Man kann damit in dieser Art Musik gut durchkommen. Ich habe zwar keine Ahnung vom Singen, aber ich mache meine ganz eigene Sache daraus, und die Leute finden es gut."