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Neue CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer
"Schwer, die Erfolge im Saarland auf Bundesebene zu wiederholen"

Mit Annegret Kramp-Karrenbauer sei eine neue CDU-Parteichefin gewählt worden, die am stärksten das "Weiter so" verkörpere, sagte der Politikwissenschaftler Jürgen Falter im Dlf. Anders als ihrem geschlagenen Konkurrenten Friedrich Merz traue er ihr nicht zu, verlorene Wähler vom rechten Flügel zurückzuholen.

Jürgen Falter im Gespräch mit Sandra Pfister | 07.12.2018
    Annegret Kramp-Karrenbauer winkt auf dem Parteitag den Delegierten zu, neben ihr applaudiert Angela Merkel
    Annegret Kramp-Karrenbauer tritt die Nachfolge von Angela Merkel als CDU-Vorsitzende an (AFP)
    Sandra Schulz: Diese Richtungsentscheidung bei der CDU mitverfolgt hat heute auch der Politikwissenschaftler Professor Jürgen Falter. Er ist jetzt am Telefon. Schönen guten Abend!
    Jürgen Falter: Guten Abend, Frau Schulz.
    Schulz: Auf Angela Merkel folgt jetzt Annegret Kramp-Karrenbauer. Zeichnet sich damit für die CDU ein "Weiter so" ab?
    Falter: Ja, ein bisschen schon natürlich. Frau Kramp-Karrenbauer liegt eindeutig viel stärker auf Angela Merkels Linie. Sie ist auch in der Partei so verankert. Ich bin ganz sicher, dass das vielleicht nicht ein einfaches "weiter so" geben wird, aber von allen dreien ist sie doch diejenige, die am stärksten dieses "weiter so" verkörpert.
    Schulz: Und ist das gut oder schlecht für die Partei?
    Falter: Ach Gott, das ist unglaublich schwer zu sagen. Die CDU war ja sehr erfolgreich gewesen unter Angela Merkel, bis zur vorletzten Bundestagswahl, und dann kam der Einbruch, auch in den Landtagswahlen. Das lag natürlich daran, unter anderem, dass Angela Merkel in ihrer Politik, die CDU mehr zur Mitte hin zu rücken - manche sprachen von der Sozialdemokratisierung der CDU -, den rechten Flügel vernachlässigt hat. Und da haben doch viele sich in der CDU durch die CDU nicht mehr vertreten gefühlt und sind dann entweder ins Nichtwähler-Lager gegangen, oder manche - gar nicht so wenige - zur AfD.
    Da wäre vielleicht Friedrich Merz derjenige gewesen, der die vielleicht hätte wieder zurückholen können. Frau Kramp-Karrenbauer traue ich das nicht zu. Dazu ist sie zu sehr, würde ich sagen, auf dem Sozialflügel auch der CDU, auf jeden Fall nicht auf einem nationalkonservativen Flügel.
    Falter: Schwer, den Erfolg im Saarland auf Bundesebene zu wiederholen
    Schulz: Aber wir haben gesehen, dass die AfD im Saarland bei den Landtagswahlen im vergangenen Frühjahr bei ungefähr sechs Prozent gelandet ist, also genau das Ergebnis, von dem Friedrich Merz ja gesagt hat, das traue ich mir zu, nämlich die AfD zu halbieren, wenn wir das jetzt in Bezug setzen zum Wahlergebnis der AfD im Bund. Warum hätte Friedrich Merz das schaffen können sollen?
    Falter: Man sollte das Saarland nicht mit dem Bund gleichsetzen. Das Saarland ist wirklich ein Ländchen, ein kleines Bundesland sui generis. Und die besondere Situation war ja da, dass man Angst hatte bei vielen, vielen Saarländern vor einer, wie man es da gesagt hat, Volksfrontregierung, vor Rot-Rot-Grün oder Rot-Rot. Das wollten viele, viele verhindern und es war ganz klar, dass man das durch die Wahl der AfD eigentlich nicht verhindern konnte. Frau Kramp-Karrenbauer hat die Gelegenheit beim Schopf gefasst und hat tatsächlich die CDU zu einem unerwarteten Wahlsieg geführt.
    Aber das ist auf Bundesebene doch noch mal etwas anderes. Da ist die Situation nicht dieselbe und landsmannschaftlich gibt es doch riesen Unterschiede. Die AfD ist ja nicht nur im Saarland schwach; sie ist auch etwa in Nordrhein-Westfalen nicht besonders stark. Sie hat auch in Bayern schlechter abgeschnitten, als man es vielleicht hätte vermuten können. Das liegt jeweils an der Konkurrenz-Situation, die im jeweiligen Bundesland da ist, und auf Bundesebene natürlich ähnlich. Ich glaube schon, dass Frau Kramp-Karrenbauer es schwer hätte, auf der Bundesebene noch einmal diesen Erfolg zu wiederholen, die AfD klein zu halten und die CDU/CSU auf über 40 Prozent zu führen.
    Prof. Jürgen Falter, Politikwissenschaftler, Universität Mainz
    Prof. Jürgen Falter, Politikwissenschaftler an der Universität Mainz (picture alliance / Erwin Elsner)
    "Da denken viele einfach an ihren Machterhalt"
    Schulz: Okay. - Jetzt gehe ich mit Ihnen noch mal zurück zu dem CDU-Parteitag heute, zu diesem unheimlich knappen Wahlergebnis, 51,7 Prozent für Annegret Kramp-Karrenbauer. Was sagt uns das?
    Falter: Das zeigt, dass die Partei nicht innerlich völlig zerspalten ist. Das ist meines Erachtens eine journalistische Übertreibung. Aber dass es doch in der CDU relativ viele Leute gibt, die mit dem Merkel-Kurs nicht so glücklich waren, vor allen Dingen mit dem Kurs Angela Merkels in den Jahren 2015/2016, was die Massen-Immigration von Flüchtlingen anging. Und da versprach man sich, verspricht man sich von Merz mehr, als man wahrscheinlich von Frau Kramp-Karrenbauer erwartet.
    Aber es ist nicht die Mehrheit innerhalb dieses Parteitages. Es ist vielleicht die Mehrheit in der CDU, aber die hat ja nicht abgestimmt, sondern es sind Parteitagsdelegierte, Mandatsträger, Ehrenamtliche, viele, viele Bürgermeister und Parteifunktionäre, und die denken dann auch anders als die richtige Basis. Da denken viele einfach an ihren Machterhalt, an die Frage, mit wem kann ich besser, und an die Frage, war das vielleicht gar nicht so schlecht mit Angela Merkel, da wähle ich doch lieber das geringere Risiko.
    Schulz: Danke bis hierhin an den Politikwissenschaftler Jürgen Falter.
    Den zweiten Teil des Interviews mit Jürgen Falter können Sie hier hören:
    Interview (2) Jürgen Falter, Politikwissenschaftler (04:11)
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.