Neue DFB-Medienstrategie
EM-Bekanntgabe bei Oma Lotti

Traditionell gibt der Deutsche Fußball-Verband den Kader für große Turniere auf einer Pressekonferenz bekannt. Doch in diesem Jahr geht der DFB einen neuen Weg: Einzelne Medien dürfen einzelne Spieler vorab verkünden. Eine gelungene Strategie?

Von Michael Borgers |
Bundestrainer Julian Nagelsmann hält auf einer Pressekonferenz das neue offizielle EM-Trikot des DFB-Teams hoch.
Im März stellte Bundestrainer Julian Nagelsmann auf einer Pressekonferenz das neue offizielle EM-Trikot des DFB-Teams vor - bei der Kader-Benennung geht der DFB einen neuen Weg (picture alliance / dpa / Boris Roessler)
„Freunde, ich hab‘ gemeinsam mit dem DFB ne Torte vorbereitet für Oma Lotti. Und da ist der Spieler, der für Deutschland in der EM spielen darf, abgebildet.“ Der Altenpfleger Rashid Hamid ist das. Er besucht eine Kundin, die 93-jährige Lotti. Hamid trägt das aktuelle DFB-Trikot – und in der Hand einen Pappkarton: „Das hier ist eine Torte. Da ist ein Bild von dem Herrn, der für die deutsche Nationalmannschaft spielen darf.“ Gmeinsam lüften sie dann das Geheimnis.
Mehr als zwei Millionen Mal wurde das Reel bereits angeschaut. Auf Instagram dokumentiert Rashid Hamid seinen Alltag als Altenpfleger regelmäßig. Und der knapp anderthalbminütige Clip mit Oma Lotti – er ist der erste, mit dem der DFB einen Teil des EM-Kaders vorab bekannt gibt, der erste auf Social Media.

Instagram, "Tagesschau", "Exklusiv"

Denn den Auftakt gemacht hatte zuvor bereits die „Tagesschau“: „Der Dortmunder Fußballprofi Nico Schlotterbeck wird in den Kader für die Heim-Europameisterschaft im Sommer berufen. Das erfuhr die 'Tagesschau' aus DFB-Kreisen“ Gefolgt von RTL, wo Frauke Ludowig, ebenfalls im Nationalmannschafts-Trikot, im Boulevard-Magazin „Exklusiv“ den nächsten Spieler verrät: „Und der Name, der ist wirklich für viele eine Überraschung, es ist: Aleksandar Pavlovic.“
Und ganz aktuell, am Dienstagmorgen, darf dann auch noch ein Radiosender ran: 1Live, die junge Welle des WDR. "Fix mit dabei im deutschen EM-Kader ist vom Champions-League-Finalisten Borussia Dortmund: Niclas Füllkrug. Morgen, Fülle!“ Niclas Füllkrug gibt dann sogar noch ein kurzes Interview.

Medienwissenschaftlerin: "Es wirkt ein bisschen wahllos"

Spieler für Spieler, häppchenweise, auf unterschiedlichsten Medienkanälen – es ist das erste Mal, dass der Deutsche Fußball-Bund so vorgeht. Dem DFB sei damit etwas gelungen, was erst einmal grundsätzlich erfrischend sei, findet Jana Wiske, Professorin an der Hochschule Ansbach für PR und Sportkommunikation. „Er geht mit dem Zeitgeist, indem er auch Influencer bemüht und damit eine andere Zielgruppe anspricht. Auch das ist lobenswert.“
Was ihr aber fehle, sei eine Erklärung, warum genau man sich für wen entschieden hat, so Jana Wiske. „Warum jetzt ein Pflege-Influencer bei der Verkündung von Tah? Warum Frauke Ludowig, die was verkünden darf?“ Hier hätte sich die Medienwissenschaftlerin Hinweise des DFB gewünscht, um die Entscheidungen besser nachvollziehen zu können.
"Es ist jetzt eine Mischung aus, ich nenne es mal, öffentliches Topfschlagen, Adventskalender und Überraschungsei. Und von allem irgendwie was. Es wirkt ein bisschen wahllos, ohne Bezug, ohne System. Und das kommt natürlich auch rüber und lässt viele Menschen in diesem Land auch mit Fragezeichen zurück.“
Fragezeichen, die auch Oma Lotti aus dem Video von Pflege-Influencer Rashid Hamid hat.
„Eins, zwei, drei – tadaaa. Na, kennst du den Herrn?“
„Ja.“
„Wer ist denn das?“
„Na, das bis Du!“
Es ist natürlich nicht das Bild von Rashid Hamid auf der Torte. Mit zur Heim-EM darf Jonathan Tah von Meister Bayer Leverkusen. Aber das ist der 93-Jährigen auch eigentlich egal. Denn sie hat sichtlich Freude an der DFB-Aktion.