Es klingt wie in einem Agentenfilm. Russische Verantwortliche sollen Nachrichten frei erfunden haben, um den wichtigsten Kronzeugen des Staatsdopingskandals, Grigori Rodtschenkow, zu diskreditieren. So schildert es Jonathan Taylor, Chef der unabhängigen WADA-Prüfkommission: "Ich denke insbesondere daran, wie sie gefälschte Beweise in die Datenbank geschleust haben. Und dann haben sie uns auf die eigens hingewiesen. So wollten sie verstärkt suggerieren, alles sei nur Rodtschenkows Schuld. Das ist wirklich dramatisch."
Rodtschenkow war einst Leiter des Moskauer Dopinglabors. In den nun aufgetauchten Nachrichten sollte laut WADA-Ermittlern der Eindruck erweckt werden: Rodtschenkow sei mit einem anderen Labormitarbeiter der Drahtzieher des Dopingsystem gewesen. Ein Russe, der Rodtschenkow massiv beschuldigte, sei dagegen geschützt worden, sagt Günther Younger, WADA-Chefermittler. "Einer der Laborexperten war ein Kronzeuge oder ein wichtiger Zeuge für die IOC-Verfahren. Jedoch konnten wir feststellen, dass in diesen Forum-Messages einige von seinen Mails gelöscht wurden. Die konnten wir alle wieder herstellen. Und auch modifiziert wurden, wo er involviert war. Die konnten wir auch wieder herstellen."
Wie glaubwürdig ist Kronzeuge Kudrijawtzew?
Die Rede ist von Jewgeni Kudrijawtzew. Einst Verantwortlicher für den Eingang und die Lagerung von Proben im Moskauer Dopinglabor. Gerade diesen Mann präsentierten die Russen als wichtigen Zeugen vor dem Internationalen Sportgerichtshof. Dort sagte er aus, Rodtschenkows Aussagen zum Probenaustausch im Labor seien ein Märchen. Das könnte nun Folgen haben, Günther Younger erläutert die nächsten Schritte: "Wir werden jetzt in einem Bericht das IOC verständigen und sagen, dass dieser wichtige Zeuge eben involviert war in Cover-ups im Labor."
IOC könnte Fälle der freigesprochene Russen neu prüfen
Besonders brisant: Kudrijawtzew sagte vor dem CAS zu Gunsten von 39 des Dopings verdächtigen russischen Athleten aus. Die waren zuvor vom IOC gesperrt worden. Darunter fünf Olympiasieger, neun Weltmeister, aus insgesamt sechs Sportarten. Sie wurden schließlich ganz oder teilweise freigesprochen. Für die Ermittler ist klar: die Freisprüche etlicher Russen im Dopingskandal haben einen mehr als faden Beigeschmack. "Ich denke, sobald wieder neue Beweismittel vorgebracht werden, kann man einen Fall durchaus wieder neu eröffnen."
Das IOC teilt dazu mit, derzeit halte es sich alle Optionen offen, man prüfe die Lage aufgrund der verfügbaren Informationen. Ob am Ende wirklich ein Verfahren eröffnet wird, bleibt allerdings fraglich.