Das Signal von Bidens Erlassen ist klar: Das US-Einwanderungssystem wird grundlegend reformiert, weg von der Anti-Immigrationspolitik der Ausweisungen und des Mauerbaus unter Donald Trump. Einwanderer seien wesentlich dafür, wer wir als Nation sind, heißt es in einer Unterlage des Weißen Hauses, und entscheidend für die Zukunft. Aber schnell wird nichts gehen: Die neue US-Regierung gibt dem Heimatschutzministerium und anderen Behörden Zeit, um zu prüfen, wie die Ziele eines geordneten Einwanderungs- und Asylsystems am besten zu erreichen sind. So wird eine Task Force Vorschläge machen, um Eltern und Kinder wieder zusammenzubringen, die beim Grenzübertritt von den US-Behörden gewaltsam getrennt wurden, ein Vorgehen, das der frühere Präsident Trump zur Abschreckung von Einwanderern angeordnet hatte. Über 500 Kinder und Eltern konnten immer noch nicht zusammengeführt werden, weil die US-Behörden Eltern oder Kinder bislang nicht finden konnten. Präsident Joe Biden: "Wir werden daran arbeiten, die moralische und nationale Schande der vorherigen Regierung ungeschehen zu machen und buchstäblich, nicht im übertragenen Sinne, Kinder aus den Armen ihrer Familien gerissen haben, ohne einen Plan, um Kinder, die noch in Gewahrsam sind, und ihre Eltern wieder zu vereinen."
In 120 Tagen muss die Task Force ihren ersten Bericht zur Zusammenführung der noch getrennten Familien vorlegen, danach alle 60 Tage über Fortschritte berichten.
In einem weiteren Erlass hat der US-Präsident gestern die Überprüfung der Regelungen angeordnet, mit denen die Grenze zu Mexiko de facto geschlossen wurde für Asylsuchende. Asyl konnte nur von jenseits der Grenze beantragt werden. Weiter will die US-Regierung die Ursachen der Migration in den Herkunftsländern in Lateinamerika angehen und erreichen, dass möglichst viele Migrantinnen und Asylbewerber Aufnahme und Schutz in Ländern nahe ihrer Heimat finden. Ein drittes Dekret beschäftigt sich mit einer besseren Integration von Einwandern und der zentralen Koordination über Bundesbehörden.
Befürworter einer offenen Einwanderungspolitik enttäuscht
Erste Schritte zu einer Umkehr der Einwanderungspolitik hatte Biden direkt nach seinem Amtsantritt gemacht: Dem Kongress liegt ein Gesetz vor, das einen mehrjährigen Weg zur Staatsbürgerschaft vorsieht für die fast 11 Millionen Einwanderer ohne Papiere. Biden hatte auch den Stopp des Baus der Mauer verfügt und ein Ausweisungsverbot für junge Migrantinnen ohne Aufenthaltsstatus. Trotzdem waren gestern die Befürworter einer offenen Einwanderungspolitik enttäuscht bis abwartend, dass sich die Regierung für ein schrittweises Vorgehen entschieden hat und nicht alle Maßnahmen der Vorgängerregierung sofort rückgängig macht. Pressesprecherin Jen Psaki bat gestern um Geduld: alles werde dauern.
"Ein Teil unserer Bemühungen besteht darin, den Schaden einzuschätzen, der durch die von der vorherigen Regierung eingeführten Maßnahmen entstanden ist. Wir wollen zügig handeln. Wir wollen sofort handeln. Aber wir müssen auch sicherstellen, dass wir das durch einen strategischen politischen Prozess tun."
"Dies ist nicht die Zeit, um in die Vereinigten Staaten zu kommen"
So will die US-Regierung das Asylrecht wieder beleben, sie will aber zugleich vermeiden, Millionen von Menschen in Ländern südlich der Grenze das Signal zu geben, sie würden mit offenen Armen in den USA erwartet. Denn das ist nicht der Fall. Derzeit haben die US-Behörden alle Mühe, unbegleitete minderjährige Einwanderer menschenwürdig unterzubringen. Die bisherigen Kapazitäten sind erschöpft, und wegen Covid gibt es Grenzen bei der Belegung. Die Botschaft der US-Regierung in den Süden beschrieb Pressesprecherin Psaki so: sei
"Es bleibt eine gefährliche Reise. Dies ist nicht die Zeit, um in die Vereinigten Staaten zu kommen."
Wie umstritten und schwierig die geplante Reform der US-Einwanderungspolitik wird, zeigte sich gestern auch bei der Bestätigung des neuen Heimatschutzministers Alejandro Mayorkas im US-Senat. Sie fiel mit 56 zu 43 Stimmen deutlich knapper aus als die anderer Minister.