Archiv

Neue Filme
Altman, Musikunterricht und ein Anti-Märchen

Am 20. Februar wäre der Regisseur und Autorenfilmer Robert Altmann 90 Jahre alt geworden. Neben einer Dokumentation über ihn gibt es neu im Kino: die Musicalverfilmung "Into the Woods" und die amerikanische Produktion "Whiplash".

Von Jörg Albrecht |
    "Whiplash"
    Den Titel der Komposition von Hank Levy aus den 1970er-Jahren, den die Jazzband eines New Yorker Musikkonservatoriums einstudiert, hat Regisseur Damien Chazelle zum Titel seines Films gemacht: "Whiplash" bedeutet übersetzt Peitschenriemen. Mit "Zuckerbrot und Peitsche" - wobei die Betonung eindeutig auf dem zweiten Begriff liegt - lässt sich auch der Unterrichtsstil von Musiklehrer und Band-Leader Terence Fletcher beschreiben. Fletchers Methoden sind vergleichbar mit denen der Ausbilder beim US-Militär.
    "Was steht da? - 215 Schläge pro Minute. - Zähl mir einen 215er! - One, two, three ... Scheiße, ich wusste nicht, dass geistig Zurückgebliebene am Scheffer aufgenommen werden. Kannst du wirklich kein Tempo lesen? Kannst du überhaupt Noten lesen? ... Lies mir Takt 101 vor? ... Was? Bist du Mitglied in einer A-cappella-Gruppe? Spiel das gottverdammte Schlagzeug! ... Und jetzt beantworte meine Frage: Warst du zu schnell oder warst du zu langsam? Antworte! - Zu schnell."
    Fletcher scheut weder davor zurück seinen Schülern Ohrfeigen zu verpassen noch Gegenstände nach ihnen zu werfen. Das muss auch der 19-jährige Schlagzeuger Andrew erfahren, der neu in der Band ist. Auf ihn hat sich Fletcher ganz besonders eingeschossen. Er vergleicht Andrew mit dem jungen Charlie Parker. Der musste seinerzeit auch begreifen, dass nur Disziplin und harte Arbeit ihn zu einem großen Musiker machen würden. Seine Aufgabe sieht Fletcher darin, Andrew genau das auf rabiate Art einzutrichtern.
    "Wissen Sie, vielleicht entmutigt man dadurch den nächsten Charlie Parker, und deswegen wird er nie ein Charlie Parker werden. - Nein. Weil der nächste Charlie Parker sich niemals entmutigen lassen würde. - Ja."
    Während Andrew die verbalen und körperlichen Attacken über sich ergehen lässt, entwickelt er gleichzeitig eine Obsession, die sein Umfeld erschreckt.
    Regisseur Damien Chazelle verarbeitet in "Whiplash" eigene Erfahrungen. Auch er hat sich als junger Mann die Hände blutig getrommelt. Auch er hatte große Furcht, niemals den Sprung vom passablen Musiker zum Virtuosen zu schaffen - jene Transformation also, die Charlie Parker einst zur Jazz-Legende mit dem Ehrentitel "Bird" hat werden lassen. Wie viel also nimmt ein Mensch in Kauf, um besser als nur "gut" zu sein? Ein Thema, das schon Darren Aronofsky in "Black Swan" aufgegriffen hat.
    Mit "Whiplash" ist Damien Chazelle eine abgründige und gleichzeitig mitreißende Charakterstudie gelungen. Dazu tragen insbesondere die beiden Hauptdarsteller Miles Teller in der Rolle des Schülers und J.K. Simmons als dessen Lehrer bei. Diesen Kriegsfilm, in dem die Musikinstrumente zu Waffen werden, sollte man nicht versäumen.
    "Whiplash": herausragend.
    "Into the Woods"
    "Was hast du mit der Kuh gemacht? - Sie ist fortgerannt. Ich bin gar nicht zu Hause gewesen, habe die ganze Nacht gesucht. - Wie konntest du nur?! - Als ob sie dir nicht genauso hätte weglaufen können. - Ist sie aber nicht. ... Wen interessiert´s?! Die Kuh ist weg!"
    Und Meryl Streep ist da! Mit einem wunderbaren Auftritt. Aber wer hätte auch ernsthaft etwas anderes erwartet? Ja, an ihr als Hexe kann man seine Freude haben - wie auch an den übrigen Figuren in der Verfilmung des Stephen-Sondheim-Musicals "Into the Woods".
    "Into the Woods" dreht die Märchenwelt auf links. In der Geschichte vom Bäcker und seiner Frau, deren Kinderwunsch mit einem Fluch belegt ist, tauchen alle möglichen Märchengestalten auf - von Rotkäppchen bis Rapunzel. Sie alle sind getrieben von ihren Wünschen, die manchmal ganz und gar nicht märchenhafte Konsequenzen haben. Der moderne Subtext dieses Anti-Märchens allerdings geht in einer konventionellen, aber konfusen Inszenierung fast völlig unter.
    "Into the Woods": zwiespältig.
    "Altman"
    "Altmanesque - what does it mean? - Fearless. ... Kicking Hollywood´s ass."
    "Was bedeutet 'altmanesk'? Furchtlos. Auf den Außenseiter setzen. Seine eigenen Regeln machen. Leben, Freiheit und das Streben nach Wahrheit. Den Amerikanern zeigen, wer sie sind. Niemals aufgeben. Hollywood in den Hintern treten."
    Neun Schauspielerinnen und Schauspieler - unter anderem James Caan, Lily Tomlin und Bruce Willis - sagen in wenigen Worten, was für sie "altmanesk" bedeutet. Wenn der Name eines Regisseurs zu einem Adjektiv wird, muss dieser eine ganz eigene Handschrift haben.
    Was Altmans Filmsprache auszeichnet, ergründet jetzt der Dokumentarfilmer Rob Man. Dass eine Karriere jenseits des Mainstreamkinos von Hollywood möglich war und das man dazu einen Dickschädel haben, aber längst keine Egomane sein musste, zeigt diese gelungene Dokumentation, bei der jedem Programmkinobesucher das Herz aufgehen wird.
    "Altman": empfehlenswert.