"Am grünen Rand der Welt" von Thomas Vinterberg
Die Musik: eine wunderschöne Reminiszenz an den englischen Komponisten Ralph Vaughn Williams. Die Bilder: erlesen. Die Ausstattung: sorgfältig. Kaum zu glauben, aber: Der Regisseur von "Am grünen Rand der Welt" gehörte zu den Unterzeichnern des Dogma-95-Papiers. Damals hatte sich der Däne Thomas Vinterberg verpflichtet, in seinen Filmen unter anderem auf den Einsatz von Filmmusik zu verzichten, nur eine Handkamera zu gebrauchen sowie keinerlei Requisiten zu verwenden. Nicht einmal in einer anderen Zeit als der Gegenwart durfte die Geschichte spielen. Thomas Vinterbergs packendes Familiendrama "Das Fest" war 1998 der erste, unter Dogma-Bedingungen gedrehte Film. Und jetzt - 17 Jahre später - also die große Inszenierung, wie sie sich bei der Verfilmung eines Romans aus dem viktorianischen Zeitalter absehen lässt.
"Ich bin nicht wegen des Lamms hier. - Sondern? - Nun, Miss Everdene, ich wollte fragen: Würdet ihr mich gerne heiraten? Ich habe noch keine zuvor gefragt. - Nein. Das will ich auch nicht hoffen. Mister Oak, das will gut durchdacht sein. - Gibt es jemanden, der auf euch wartet? - Nein. Aber das heißt nicht, dass ich euch heirate."
Mit dem erfolglosen Heiratsantrag des Schäfers Gabriel beginnt die in Südengland angesiedelte Geschichte, in deren Zentrum Bathsheba Everdene steht. Carey Mulligan spielt die junge, schöne und unabhängige Frau, die von ihrem Onkel eine Farm geerbt hat und diese mit selbstauferlegter Disziplin vor dem Ruin retten will.
"Von jetzt an habt ihr eine Herrin, keinen Herrn mehr. Ob ich für die Landwirtschaft tauge, weiß ich nicht. Aber ich werde mein Bestes tun."
Sätze wie diese könnten auf eine frühe emanzipatorische Grundhaltung der Hauptfigur schließen lassen. Doch resultieren sie eher aus Bathshebas Lebensumständen und spiegeln ihren Ehrgeiz und Pragmatismus.
"Ich werde auf den Beinen sein, wenn ihr noch schlaft, ich werde auf dem Feld sein, bevor ihr aufsteht. Es ist mein Ziel euch alle zu erstaunen."
Auch Thomas Vinterberg interpretiert Thomas Hardys Roman nicht um, wenngleich Carey Mulligan in ihrer Rolle eigenständiger handelt, als es Julie Christie in John Schlesingers Verfilmung "Die Herrin von Thornhill" aus dem Jahr 1967 getan hat. Bis der Schäfer Gabriel am Ende von "Am grünen Rand der Welt" seinen ganzen Mut für einen zweiten Heiratsantrag zusammennehmen wird, werden noch zwei weitere Männer um Bathsheba werben und die Irrungen und Wirrungen ihren Lauf nehmen.
Dank der Darsteller und ihrem feinen Gespür für präzise Gesten, aber auch dank der stimmungsvollen, kitschfreien Inszenierung läuft der Film nie Gefahr, in die Niederungen einer banalen Seifenoper abzugleiten.
"Am grünen Rand der Welt": empfehlenswert
"Señor Kaplan" von Álvaro Brechner
"Wenn sich etwas bewegt wie eine Ente, schwimmt wie eine Ente, klingt wie eine Ente - was ist das? - Das ist eine Falle, oder? - Es handelt sich um einen sehr heiklen Fall. - Ein Fall? - Eine Ermittlung."
Mit 76 Jahren wird Jacobo Kaplan eines klar: Er hat in seinem Leben bislang nichts erreicht, an das man sich auch noch nach seinem Tod erinnern wird. Das aber soll sich ändern. Denn der Rentner aus Montevideo, der als Kind osteuropäischer Juden auf der Flucht vor den Nationalsozialisten nach Uruguay kam, ist neuerdings unter die Agenten gegangen. Ins Visier genommen hat er einen gebürtigen Deutschen, den er für einen geflohenen Nazi hält. Und so plant Jacobo eine ähnliche Aktion wie die des israelischen Geheimdienstes, der im Jahr 1960 Adolf Eichmann aus Argentinien entführen ließ.
"Das ist eine geheime Mission. Wenn die Leute herausfinden, dass wir ihn entführen und nach Israel bringen, geht die ganze Operation den Bach runter. - Wir sollen ihn entführen? Diesen großen Kerl? Sie haben doch gar keine Ahnung, was eine Entführung ist, Jacobo."
Gibt der ehemalige Polizist Wilson zu bedenken, der Jacobo bei seiner delikaten Operation unterstützen soll. Die verläuft schon in den Anfängen so haarsträubend, dass schnell deutlich wird: So ernst es Jacobo mit seinem Vorhaben auch meint, so dilettantisch gestaltet sich die Ausführung des Plans. Dem aus Uruguay stammenden Regisseur Álvaro Brechner ist eine über weite Strecken vergnügliche Tragikomödie gelungen, die sich trotz des heiklen Hintergrunds nie im Ton vergreift.
"Señor Kaplan": empfehlenswert