Ein junger Mann eilt durch die Straßen von Paris. In einem Hausflur findet er den Schlüssel für eine leerstehende Wohnung. Er geht hinein, legt seine Kleidung ab und springt unter die Dusche. Als er sich wieder anziehen will, sind seine Sachen verschwunden. Die Kälte lässt ihn in Ohnmacht fallen. Als der Mann wieder aufwacht, steht ein junges Paar vor ihm. Ob das der Tod sei, fragt er die beiden, die sich als Èmile und Caroline vorstellen. Er sei Yoav und habe nichts mehr.
Keine klassische Erzählstruktur
So rätselhaft diese ersten Minuten auch sind: Sie machen neugierig auf das, was da noch kommen wird in Nadav Lapids Film "Synonymes". Gewiss ist nur: Dies ist ein Film, der sich keiner klassischen Erzählstruktur unterordnet. Yoav wird sich – von seinen Rettern neu eingekleidet – ein Wörterbuch kaufen gehen.
Wenig später hören wir aus seinem Mund, was er bereits gelernt hat und erfahren etwas über seine Wurzeln: "Ich kam hierher, um Israel zu entkommen", sagt Yoav. Denn dieser Staat sei böse, obszön, ignorant, schmutzig, widerlich, derb, abscheulich, niederträchtig, jämmerlich, abstoßend, verwerflich, engstirnig, engherzig. Kein Land sei das alles zugleich, entgegnet Émile. Er solle sich etwas aussuchen.
Für seine Heimat Israel findet Yoav viele Worte, keines von ihnen ist schmeichelhaft. Yoav ist nach Paris gekommen, um seine israelische Identität vollständig abzustreifen. Seine Nacktheit vom Anfang ist dafür ein Sinnbild. Genauso plakativ, manchmal gewollt provokant oder einfach nur naiv sind viele andere Szenen, die Regisseur Lapid für seinen Protagonisten vorgesehen hat.
Man kann Gefallen daran finden, sich an diesem Bären-Gewinner der diesjährigen Berlinale abzuarbeiten und hinter jeder Szene einen tieferen Sinn zu vermuten. Aber ganz so smart und radikal, wie er sein möchte, ist dieser Film dann eben doch nicht.
"Synonymes": zwiespältig
"Was hinter euch liegt, hat nichts mit Kommunismus zu tun. Es wird die Zeit kommen, dann werden wir über alles reden. Aber nicht jetzt."
So klingt es, wenn einem ein Maulkorb verpasst wird. Antonia ist eine von drei Frauen, die unterschreiben sollen, dass sie mit niemandem über ihre Vergangenheit sprechen werden. Denn die passt nicht zur Doktrin der noch jungen DDR.
Es ist das Jahr 1952. Die Frauen, die in ihre Heimat zurückgekehrt sind, befanden sich – trotz ihrer kommunistischen Überzeugungen – jahrelang in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Dass der große Bruder die eigenen Genossen in Gulags gesteckt, gefoltert und getötet hat, soll jedoch niemand wissen. Antonia wird ihre Mutter genauso anlügen wie anfangs ihren neuen Lebensgefährten. Das Besondere in ihrem Fall: Trotz des Erlebten glaubt Antonia weiter an den Sieg des Sozialismus und unterwirft sich dem Diktat der SED-Kreisleitung.
Melodramatische Momente sind eher die Ausnahme
"Wir bauen uns gemeinsam ein neues Leben auf."
"Hier ist das neue Leben. Ich gehe nicht fort."
"Nach allem, was du durchgemacht hast?"
"Ja, genau deshalb. Weil sonst alles sinnlos war."
"Hier ist das neue Leben. Ich gehe nicht fort."
"Nach allem, was du durchgemacht hast?"
"Ja, genau deshalb. Weil sonst alles sinnlos war."
Melodramatische Momente wie dieser sind eher die Ausnahme in Bernd Böhlichs etwas bravem Filmdrama "Und der Zukunft zugewandt". Böhlichs Verdienst ist es, ein nahezu unbekanntes Kapitel der DDR-Geschichte aufzuschlagen. Dennoch hätten die vergessenen Schicksale der Rückkehrer aus den Lagern der Sowjetunion, für die stellvertretend die Figur der von Alexandra Maria Lara gespielten Antonia steht, einen differenzierteren Blick und vor allem einen aufregenderen Film verdient gehabt.
"Und der Zukunft zugewandt": akzeptabel
Fans: "Diego, Diego, Diego!"
Es ist der 5. Juli 1984: Ganz Neapel feiert die Ankunft des besten Fußballers der Welt. Er heißt Diego Maradona. Ausgerechnet der SSC Neapel, der noch nie italienischer Meister war, leistet sich Maradona. Wie der Starkicker binnen sieben Jahren vom Heilsbringer zum gefallenen Engel wurde, zeigt der Dokumentarfilm "Diego Maradona".
Es sei ein harter Schlag gewesen, erzählt Maradona. Als er nach Neapel kam, hätten ihn 85.000 Menschen begrüßt. Als er still und leise ging, ohne großen Zirkus zu veranstalten, sei er ganz allein gewesen. Mit Originalkommentaren von Diego Maradona geht Asif Kapadia äußerst sparsam in seinem Film um. Vielleicht, weil die Interviews, die er mit seinem Studienobjekt geführt hat, nicht mehr hergegeben haben.
Von der Täuschung bis zur Selbsttäuschung
Problematisch aber ist das nicht für seinen rein aus Archivaufnahmen zusammengestellten Film. Denn die Bilder, die chronologisch die Verwandlung des Weltmeisters in einen koksenden Partylöwen zeigen, sprechen für sich.
Beim Fußball, so Maradona, drehe sich alles ums Täuschen. Man täusche eine Richtung an und laufe in die andere. Woraufhin der Gegner woanders hinrenne. Dass es von der Täuschung bis zur Selbsttäuschung nur ein kleiner Schritt ist, zeigt Asif Kapadis Dokumentarfilm eindrucksvoll.
"Diego Maradona": empfehlenswert