"Clash" von Mohamed Diab
Ein leeres Transportfahrzeug der Polizei. Die Kamera ist im Innern des Fahrzeugs platziert. In den folgenden 90 Minuten wird sie den Kleinlastwagen nicht ein einziges Mal verlassen. Das macht den Film"Clash" zu einem Kammerspiel. Allerdings vor großer Kulisse. Denn das Auto bewegt sich durch eine Stadt, in der es im Sommer 2013 zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und regelrechten Hinrichtungen gekommen ist.
Nur wenige Wochen, nachdem das Militär geputscht und den demokratisch gewählten Staatspräsidenten Mursi abgesetzt hat, ziehen Protestzüge mit Anhängern der Mursi nahestehenden Muslimbruderschaft durch Kairo. Die Sicherheitskräfte greifen hart durch. Willkürlich verhaften sie Menschen und stecken sie in den bereitstehenden LKW.
"Wir haben nichts getan", ruft ein Mann, der sich als Journalist ausgibt. Seinem Kollegen reißen die schwerbewaffneten Polizisten die Kamera aus der Hand. Die beiden Männer sind die ersten Gefangenen. Weitere folgen.
So überschaubar der Ort der Handlung ist, so spektakulär ist der Blick, den der in Ägypten aufgewachsene Filmemacher Mohamed Diab in seinem Film "Clash" auf die Unruhen wirft. Der Gefangenentransport wird zum Mikrokosmos des politischen Umbruchs in Ägypten. Auf den wenigen Quadratmetern treffen die unterschiedlichsten Ansichten aufeinander.
Es ist eine aufgeheizte Stimmung innerhalb des Fahrzeugs wie auch außerhalb. Die Authentizität der klaustrophobischen Lage wird durch die fiebrige Kameraarbeit noch verstärkt."Clash"ist Spannungskino, in dem der Wille zur Gestaltung sich nicht in formaler Virtuosität erschöpft.
"Clash": empfehlenswert
"Es war einmal Indianerland" von Ilker Çatak
"Das Gefühl sich aufzulösen, zersetzt zu werden in Moleküle und Atome von unsichtbarer Macht."
So poetisch seine Worte auch sind: Der Alltag des 17-Jährigen - genannt Mauser - ist gekennzeichnet durch ein raues Klima. Das macht Mausers Kurzbeschreibung aller wichtigen Figuren aus seinem Umfeld direkt zu Beginn deutlich.
"Schlag zu!"
"Kondor: Sein Bruder ist vor kurzem gestorben. Bahnhofsklo. Nadel im Arm. Seitdem ist er komplett unberechenbar. Außer im Ring. Zöllner: Minuten zuvor hat er seine Frau getötet. Erwürgt. Zöllner: dein Vater."
Nach der schnell geschnittenen Collage zum Einstieg drückt Regisseur Ilker Çatak, der mit der Verfilmung von Nils Mohrs Roman "Es war einmal Indianerland" sein Spielfilmdebüt gibt, die Rückspultaste, um danach die Ereignisse der letzten Tage vor dem wichtigsten Boxkampf seines noch jungen Lebens ausführlicher und vor allem von vorn zu präsentieren. Dazu zählt auch die Begegnung mit der gleichaltrigen Jackie, die Mauser den Kopf verdreht.
"Hey, heirate mich!"
"Du bist mehr so der kreative Typ?"
"Nur für einen Trauschein."
Dass ein Filmemacher versucht, der literarischen Vorlage seinen ganz eigenen Stempel aufzudrücken, verdient zunächst einmal Lob. Und doch will einen diese Coming-of-Age-Geschichte aus der Hochhaussiedlung am Rande der Großstadt nicht so recht packen. Die Figuren - einschließlich Mauser, den Leonard Scheicher wenig charismatisch spielt - haben kaum Tiefe. Demgegenüber wirken die Regieeinfälle überambitioniert.
"Es war einmal Indianerland": zwiespältig
"Borg/McEnroe" von Janus Metz
"Ass für Borg. Jetzt kann er den Titel schon so gut wie riechen. Björn hat noch nie ein Grand-Slam-Finale verloren."
Er - Björn Borg - wird im Jahr 1980 sein fünftes Wimbledon-Finale in Folge gewinnen. Die Spannung eines Sportlerfilms, der eine wahre Geschichte rekonstruiert, kann zwangsläufig nicht aus dem Ausgang des Wettkampfs resultieren. Das Interesse muss also auf anderem Weg geweckt werden. In diesem Fall versucht es der dänische Regisseur Janus Metz über Borgs Kontrahenten von 1980. Der junge US-amerikanische Vulkan John McEnroe scheint mit seiner unbeherrschten Art das genaue Gegenteil von Eisberg Borg zu sein.
"Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis wir Zeugen einer der berüchtigten Wutanfälle McEnroes werden."
Das Finale mit seinem knappen Ausgang nach fünf packenden Sätzen bildet den Rahmen dieser Doppelbiografie, die sowohl zur Kindheit der beiden Stars zurückgeht, als auch die Tage der Vorbereitung auf das Turnier schildert. Dabei kristallisiert sich als These des Films heraus, dass die vermeintlich grundverschiedenen Kontrahenten mehr verbindet als trennt. Denn ihre inneren Dämonen ähneln sich.
"Du wirst ihn sicher schlagen."
"Jeder tut so, als ob das einfach wäre. Geh raus und schlag ihn, Björn! Komm schon, du schaffst das locker! Für dich ist das leicht!"
"Es ist für keinen von uns leicht."
"Ach ja, und wann ist dein nächstes Spiel?"
"Borg/McEnroe"ist zwar mit Sverrir Guðnason und Shia LaBeouf in den Titelrollen perfekt besetzt. Nur lässt der Film die Genauigkeit und den Schwung des grandiosen Rennfahrerstreifen"Rush"über das Duell zwischen Niki Lauda und James Hunt vermissen. Ein solides Match, aber eben kein großes Tennis.
"Borg/McEnroe": akzeptabel