"Noma - Ein Blick hinter die Kulissen des besten Restaurants der Welt" von Pierre Deschamps
Warme Sumpfbrombeerbrühe, Limfjord-Austern an Broccoli-Sternen, gedünstete Königskrabbe in Eidottersoße sowie Roggengrütze mit Schokofüllung: ein Auszug aus der aktuellen Karte des häufig mehr als 20 Gänge umfassenden Menüs, wie es von René Redzepi täglich im Noma in Kopenhagen zubereitet wird. Sein Preis pro Person: stolze 2.000 Dänische Kronen, also rund 270 Euro.
"Ladies and Gentlemen, it gives me great pleasure to announce that the San Pellegrino world's best restaurant 2010 is Noma."
2010, '11 und '12 - also dreimal in Folge - und ein weiteres Mal im Jahr 2014 ist das Noma zum besten Restaurant der Welt gewählt worden. Der französische Filmemacher Pierre Deschamps durfte nun hinter die Kulissen blicken. René Redzepi, als Kind mit seiner Familie von Mazedonien nach Dänemark gekommen, erinnert sich an seine Anfänge als Koch vor 20 Jahren.
"At that time the Nordic cuisine ... did not exist ..."
Damals habe es keine nordische Küche gegeben, kein einziges Kochbuch. Wenn man den Begriff "nordische Küche" vor 2003 gegoogelt hat, habe man keinen Treffer erhalten. Die Philosophie hinter dem Noma: ausschließlich skandinavische Produkte der jeweiligen Saison. René Redzepi wolle seinen Gästen zeigen, wo und in welcher Jahreszeit sie sich befinden. Eigentlich ganz einfach, aber im Alltag schwer umzusetzen.
"We are showing people ... but so difficult to do on a daily basis."
Die Teller mit ihren kuriosen Kompositionen dürften hin und wieder Erstaunen auslösen, die eitle Selbstdarstellung des kulinarischen Künstlers hingegen weniger. Schließlich wird der als "Mozart der Küche" tituliert und als einer, der nicht nur kocht, sondern gleich die Welt verändert. Kritische Anmerkungen? Fehlanzeige! Je länger Pierre Deschamps seinen Protagonisten wie einen egomanen Rockstar ins Rampenlicht stellt, desto schwerer liegt einem sein Dokumentarfilm im Magen.
"Noma - Ein Blick hinter die Kulissen des besten Restaurants der Welt": zwiespältig
"Der Eid" von Baltasar Kormákur
"Und wenn es Ihr eigenes Kind wäre? - Aber sie ist kein Kind, nicht wahr? Laut Gesetz ist sie eine erwachsene Person."
Auf die Polizei hatte Finnur alle seine Hoffnungen gesetzt. Mit staatlicher Unterstützung wollte der Arzt seine drogenabhängige Tochter Anna von ihrem Freund loseisen und diesen gleichzeitig in den Knast bringen. Der Plan aber geht nicht auf. Denn Anna ist bereits volljährig und will sich von ihrem Vater nicht vorschreiben lassen, mit wem sie zusammen sein darf.
"In deinem Zustand siehst du die Dinge nicht ganz klar, Anna. … Ich sage nicht, du liebst ihn nicht. - Du hasst ihn. Gib es doch zu! - Ich hasse ihn gar nicht. Ich kenne ihn doch überhaupt nicht."
Finnur wird Annas Freund aber noch kennenlernen - und das von einer Seite, die den Arzt aus Sorge um das Wohlergehen seiner Familie darin bestärken wird, das Gesetz selbst in die Hand zu nehmen. Dass der isländische Regisseur Baltasar Kormákur, der auch die Hauptrolle spielt, seinen Film mit den Worten vom Eid des Hippokrates einleitet, ist allerdings ein bisschen zu viel Pathos in einem ansonsten nüchtern, eiskalt und schnörkellos servierten Selbstjustizthriller. Der ist zwar nicht immer ganz glaubwürdig, dafür aber bis zum Schluss spannend.
"Der Eid": akzeptabel
"Was hat uns bloß so ruiniert" von Marie Kreutzer
"Du hast abgenommen. - Sie kotzt jeden Tag statt Frühstück. - Deswegen hast du nichts getrunken in letzter Zeit. - Echt jetzt?"
Babyalarm erst bei Stella und Markus, ein paar Wochen später dann auch bei Mignon und Luis sowie Ines und Chris. Drei Paare, sechs Freunde - alle so Mitte 30. Wer die typisch deutsche Beziehungskomödie kennt und diese völlig zu Recht hasst - dem schwant jetzt wahrscheinlich nichts Gutes. Doch erstens kommt dieser Film aus Österreich und zweitens ist er keine typische Beziehungskomödie mit peinlich-platten Scherzen rund um Elternfreud und -leid.
Die Grazer Autorenfilmerin Marie Kreutzer beleuchtet in ihrem Porträt die Lebenswirklichkeit von Großstädtern Mitte 30 im Spannungsfeld zwischen Idealismus und Materialismus, zwischen Freiheitsdrang und Spießertum. Passenderweise hat die Regisseurin ihre Bestandsaufnahme in Anlehnung an ein Lied der Gruppe Die Sterne "Was hat uns bloß so ruiniert" genannt. Denn nach der Schwangerschaft ist nichts mehr wie davor.
"Du warst echt mal eine coole geile Frau mit Schmäh, aber jetzt bist du eine nervige Biofaschistin mit fettem Arsch und Milchflecken auf der Bluse."
Das Sextett bildet immer wieder neue Koalitionen, während jeder der Sechs nach Orientierung sucht bei der Wahl des richtigen Lebensweges. Marie Kreutzer lässt ihre Figuren scheitern, damit sie sich danach neu finden können - und das möglichst lebensnah, ungekünstelt und dabei doch spritzig und humorvoll. Dass ihr das über weite Strecken gelingt, grenzt beinahe an ein Wunder angesichts der vielen verlogenen Nabelschauen, die über die Generation der Mittdreißiger betrieben werden.
"Was hat uns bloß so ruiniert": empfehlenswert