"Der Schamane und die Schlange" von Ciro Guerra
Ruhig fließt der Yapura, ein Nebenfluss des Amazonas, durch den Regenwald. An seinem Ufer lebt der Eremit Karamakate. Er ist die zentrale Figur im Film "Der Schamane und die Schlange" von Ciro Guerra.
In hypnotische Schwarz-Weiß-Bilder getaucht, präsentiert sich der Dschungel als scheinbar unberührte Natur. Die Wunden jedoch, die der Kolonialismus den indigenen Völkern und ihrem Lebensraum bereits zugefügt hat, spiegeln sich in Karamakates feindlicher Gesinnung gegenüber den Weißen. Das bekommt auch der Deutsche Theodor Koch-Grünberg zu spüren, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts auf einer Expedition durch das Amazonasgebiet befindet. Der schwerkranke Forscher erhofft sich von dem Schamanen Hilfe.
"Theo, du kannst so nicht reisen."
Obwohl er die Weißen hasst, wird er dem Deutschen helfen, eine seltene Pflanze zu finden, die Heilung verspricht. Bevor sie gemeinsam auf die Suche gehen, warnt Karamakate den ungebetenen Gast eindringlich: Der Urwald sei empfindlich. Er werde ihre Reise nur dann tolerieren, wenn sie ihm respektvoll begegnen.
"Ich werde nicht hier sterben. ..."
Rund 40 Jahre später wird erneut ein Wissenschaftler den Weg zu dem mittlerweile alten Karamakate finden. Es ist der amerikanische Botaniker Richard Evans Schultes. Er will die Aufzeichnungen seines deutschen Kollegen auf ihre Richtigkeit überprüfen.
Er widme sein Leben den Pflanzen, lässt Schultes den Schamanen wissen. Das sei das Vernünftigste, das er je von einem Weißen gehört habe, entgegnet dieser.
Immer wieder wechselt "Der Schamane und die Schlange" zwischen den beiden Handlungssträngen, in denen Karamakate entweder mit Koch-Grünberg oder mit Schultes ins Herz des Dschungels vordringt. Dabei begegnen ihnen die Auswirkungen von Raubbau, Versklavung und Missionierung. Selten hat ein Film so poetisch und gleichzeitig eindringlich die Folgen des Kolonialismus geschildert.
"Der Schamane und die Schlange": empfehlenswert
"Chevalier" von Athina Rachel Tsangari
Eine Handvoll Taucher geht ans Land. Die Männer sind auf Angelausflug in der Ägäis. Noch am Abend soll es mit der Luxusyacht wieder zurück nach Athen gehen. Um die Zeit an Bord zu überbrücken, denken sie sich ein Spiel aus. Das heißt "In allem der Beste" und soll am Ende mit einem Chevalier-Ring belohnt werden. "In allem" ist dabei wörtlich zu nehmen. Sämtliche Aktivitäten und Fähigkeiten werden bewertet: Schlafpositionen, Blutwerte, Charaktereigenschaften. Und selbstverständlich auch das beste Stück des Mannes.
Die Diskussionen über die Größe eines erigierten und eines unerigierten Penis enden mit den Worten: "Deine Syntax ist Mist und dein Penis winzig." Von solch pointierten Dialogen hätte es in diesem Film über männliche Rituale und ausgeprägte Egos gern mehr geben dürfen. Doch der Film der griechischen Regisseurin Athina Rachel Tsangaris dümpelt – trotz des interessanten Ansatzes – dahin wie eine Yacht bei Flaute. Es fehlen Biss und satirische Schärfe.
"Chevalier": enttäuschend
"The Dressmaker" von Jocelyn Moorhouse
Die Musik passt perfekt zu einem Western, das Kaff irgendwo in der australischen Steppe ebenso und der Auftritt von Kate Winslet als Schneiderin Tilly erst recht.
"Ich bin zurück, ihr Mistkerle!"
Da steht sie in ihrer, an die Kleider von Dior angelehnten Robe mitten im Nirgendwo. Nach vielen Jahren in Europa ist Tilly in den 1950ern in ihren verschlafenen Heimatort zurückgekehrt. Offensichtlich nicht ohne Rachegedanken, wie ihren Eingangsworten zu entnehmen ist. Auf das Wiedersehen mit der verlorenen Tochter hätten alle gern verzichtet – inklusive Tillys verwahrloster Mutter, die von der wunderbaren Judy Davis gespielt wird.
"Wieso bist du zurückgekommen in dieses Loch? Hier gibt es nichts. – Ich bin gekommen, weil ... habe ich einen Mord begangen?"
Tilly glaubt einen Mitschüler umgebracht zu haben, als sie noch ein Mädchen war. Zumindest hat man ihr das damals immer wieder eingeredet.
Wer jetzt einen Rachefeldzug im Stil von Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame" erwartet, wird allerdings schnell enttäuscht von einem Film, der mit Karikaturen statt Charakteren aufwartet und der nie weiß, was er überhaupt sein will. Tillys Spurensuche und Abrechnung ist ein wenig schwarze Komödie, ein wenig sentimentales Mutter-Tochter-Drama, ein wenig Liebesgeschichte, Krimi und Satire. Von allem etwas – und nichts richtig. Schade um die ausgezeichneten Darsteller.
"The Dressmaker": zwiespältig