1982 wird Romy Schneider sterben. Ein Jahr vorher:
"Da sind zwei Journalisten, die machen morgen ein Interview und Fotos mit mir."
"Ist das eine gute Idee?", fragt Romys alte Jugendfreundin Hilde in Emily Atefs Spielfilm "3 Tage in Quiberon".
"Ja, aber glaubst du, es ist eine gute Idee, jetzt ein Interview zu geben vor der deutschen Presse?"
"Ja", meint Romy, gespielt von Marie Bäumer. "Ja", meint der "Stern"-Journalist Jürgs. "Ja", meint der dritte, der Fotograf und alte Freund, der stillschweigend die übergriffigen Fragen des Journalisten an die Schauspielerin hinnimmt. Die ist zu dem Zeitpunkt pleite, alkohol- und tablettenabhängig. Kurzum: Alle wollen was. Auch die Schauspielerin, die einst die "Sissi" spielte. Sie möchte nämlich versuchen, ihre Wahrheit über sich, jenseits von "Sissi", über dieses Interview in die deutsche Öffentlichkeit zu lancieren.
Ein schmaler Grat
"Alleine für einen weiteren 'Sissi'-Teil …" / "Ich sag's jetzt zum letzten Mal: Ich bin schon längst nicht mehr 'Sissi', und ich war es auch nie. Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren. Und ich heiße Romy Schneider." / "Unglücklich?"
Marie Bäumer spielt Romy Schneider auf dem schmalen Grat einer Rasierklinge: intensiv, abstoßend, anziehend, saufend, weinend, lachend, jeden umgarnend - auch den Journalisten und den Fotografen. Wer hat den längeren Atem? Für "3 Tage in Quiberon" verfügt Filmemacherin Emily Atef mit Marie Bäumer, Birgit Minichmayr, Robert Gwisdek als "Stern"-Interviewer und Charly Hübner als Fotograf über ein eindrucksvolles Schauspieler-Quartett. Ob allerdings Romy Schneider Opfer der Medien war oder jemand, die auch geschickt mit ihrem Image spielte: Die Frage bleibt ungelöst.
"3 Tage in Quiberon" von Emily Atef - empfehlenswert.
Jan Gorkow, Spitzname "Monchi", ist, keine Frage, jemand, der hervorragend mit der Kamera "kann". Das beweist er in "Wildes Herz". Ein charismatischer Selbstdarsteller. Charly Hübner, der Schauspieler, der in "3 Tage in Quiberon" den Fotografen Lebeck spielt, ist hinter die Kamera getreten. Seine Doku "Wildes Herz" ist das Porträt des wuchtigen Frontmanns der Punk-Band "Feine Sahne Fischfilet" aus Mecklenburg-Vorpommern. "Monchi" über sich und seine Band:
"Ja, geile Typen, die sich in Vorpommern getroffen haben und nichts anderes zu tun hatten, als in der Bushaltestelle abzuhängen und dann Mucke gemacht haben und sich gegen Faschos engagiert haben."
"Wildes Herz" zeigt den politischen Sänger als jemand, der gegen den Rechtsruck im Land mit Charisma und dampfenden Beats kämpft. Ausländer- und Flüchtlingsfeindlichkeit, sagt "Monchi", das geht gar nicht.
"Natürlich lassen wir Leute nicht verrecken. Punkt. Und da hat eine Gesellschaft sich mit zurechtzufinden. Da wird es tausende Probleme geben. Aber die hat man auszufechten."
Politisch, wuchtig, mitreißend
Dabei wirkt "Monchi" in "Wildes Herz" durchaus nicht wie der reine Held. Als Mitbewohner in einer WG ist der Typ eine Krankheit, sagt sein Mitbewohner. Und "Monchi" ist auch keineswegs ein Chorknabe, wenn er sagt:
"Also, ich habe so viel Rassismus und so viel Sexismus in meinem Kopf. Das ist unglaublich. Bloß, ich sage das auch öffentlich. Versuche, damit irgendwie umzugehen, weißt du."
Selbstkritische Zwischentöne in dieser mitreißenden Doku "Wildes Herz", in der Filmemacher Charly Hübner keinen Hehl daraus macht, dass er begeistert ist von der Band "Feine Sahne Fischfilet" und der politischen Arbeit, die die mit ihren Auftritten leistet. Was gut zu verstehen ist - auch wenn man nicht unbedingt mit "Monchi", diesem wuchtigen Narzissten, in einer WG zusammenwohnen möchte.
"Wildes Herz" von Charly Hübner - empfehlenswert.
Layla ist wütend. Beim Fußballspiel beispielsweise, als Linienrichterin, wenn sie mit dem Schiri aneinander gerät.
"Hör auf, immer mit deiner Fahne rumzuwedeln." / "Hör du auf, mit deinem Finger in meinem Gesicht rumzuwedeln. Kriegst du zu Hause nicht genügend Aufmerksamkeit? Ist es das?"
Präzise und eindrucksvoll
Die 18-jährige Muslima Layla - mit marokkanischen Wurzeln, geboren in Amsterdam - hat liberale Eltern, steht kurz vor dem Abitur, ist aber mit ihrem Leben in dieser westlichen Überflussgesellschaft vollkommen unzufrieden. Layla heiratet einen Islamisten und geht mit ihm in den Nahen Osten, um dort mit der Realität einer politischen und religiösen Welt konfrontiert zu werden, die sie vollkommen desillusioniert. Und die sie nur mit Glück überlebt. Im Gegensatz zu ihrem Mann, der Selbstmordattentäter wird:
"Nein, tu das nicht. Nein, bitte!"
Die niederländische Regisseurin Mijke de Jong beschreibt in ihrem eindrucksvollen Film "Layla M." den Radikalisierungsprozess, den ihre Figur durchmacht und konzentriert sich dabei ganz auf eine junge Frau, die Ventile für ihre Wut sucht und letztlich scheitert. Dabei geht es nicht darum, Laylas Weg gutzuheißen oder ihn zu verurteilen, sondern der eindrucksvollen Präzision dieser filmischen Erzählung zu folgen.
"Layla M." von Mijke de Jong - empfehlenswert.