Nachts. Eine Straße in Teheran. Unverschuldet fährt Gerichtsmediziner Kaveh mit dem Auto Moosa, seine Frau und dessen beiden Kinder auf dem Moped an. Scheinbar ist nichts passiert. Doch am nächsten Tag liegt Moosas Sohn vor Kaveh tot in dessen Pathologie. War der Unfall doch Grund für diesen Tod oder das Gammelfleisch, das Vater Mossa gekauft hatte, weil seine Familie nur gerade das Nötigste zum Überleben hat?
Eine Spirale von Gewalt, Schuld und Sühne
Das Iran, das Vahid Jalilvand in seinem Film "Eine moralische Entscheidung" darstellt, ist alles andere als eine egalitäre Gesellschaft. Doch nicht nur der arme Familienvater, auch der reiche Arzt zweifelt, besser: Verzweifelt. "Vielleicht war der Unfall ja doch die Todesursache. - Ich weiß, das kannst du jetzt nicht mehr ändern."
Die Ereignisse bringen eine Spirale von Gewalt, Schuld und Sühne in Gang. "Du hast meinen Sohn umgebracht!" Der Film "Eine moralische Entscheidung" erzählt seine Geschichte mit der Wucht einer griechischen Tragödie. "Meine Frau sieht mich nicht mehr an. Wissen Sie, was das bedeutet?" Es geht um Moral und um Entscheidungen, die ein Leben in einem kurzen Moment verändern oder – auch so kann, muss man es sehen – aus der Bahn werfen können. Und Vernunft, Rationalität ist da kein Maßstab mehr.
"Eine moralische Entscheidung" von Vahid Jalilvand – herausragend.
Was für ein irrer Trip durch die Berliner Nacht, der damit beginnt, dass der Rabe, irgendwie ja Bote des Jenseits, schon mal Juris Herz anknabbert. Juri, erfolglos, Musiker, Hypochonder vor dem Herrn, ja, wohl auch lebensmüde, der einen Herren mit Mantel und osteuropäischen Akzent im Club trifft: "Ich bin der Tod! Verrückt, oder?"
Faust lässt grüßen.
Berlin, Nacht, Dunkelheit, Neon, eine Frau in einem bizarren Peepshow-Club, in die sich Juri sofort, natürlich, verknallt, ein irres Russisches Roulette. Und klar versucht Juri in Xaver Xylophon Böhms Film "O Beautiful Night", Juri, der irgendwie dann doch am Leben hängt, dem Tod eben das Leben abzuhandeln. Faust lässt grüßen.
In jedem Fall: Das Ende dieser visuell abgefahrenen Geschichte bringt Juri auf den Punkt: "Keiner stirbt hier heute Nacht. Wir überwinden den Tod. - Wie überwindet man den Tod. - Mit Liebe." Gut, das ist das Kino-Allheilmittel. Aber für den Tod, also den Typ mit dem Mantel, sieht´s dann logischerweise eben nicht so gut aus. Schönes Paradoxon, oder?
"O Beautiful Night" von Xaver Xylophon Böhm – empfehlenswert.
Dänemark ist mal wieder eingetaucht in tiefes Dunkel. "Geht´s nur mir so, oder werden wir seit Gründung des Sonderdezernats von einem verrückten, ungelösten Fall nach dem anderen überrollt?" Fast ein Motto, das der Polizeichef in "Verachtung", der vierten Jussi-Adler-Olsen-Verfilmung um das Sonderdezernat "Q" und dessen Ermittler Carl Mørck und Kollege Assad zum Besten gibt.
Diesmal geht es um den Fall einer Gruppe mumifizierter Leichen um einen Esstisch, der seine Wurzeln in den 1960er Jahren hat, als junge Frauen, derer moralischer Leumund den Tugendwächtern nicht angemessen schien, in einem Heim missbraucht und zwangssterilisiert wurden, was eine rassistische Gruppe von Medizinern in der Gegenwart an jungen Migrantinnen weiterbetreibt.
Und wenn sie an ihren Klischees nicht gestorben sind...
Carl klärt seinen Chef auf; der antwortet nun mit dem wohl dämlichsten Satz eines Polizeichef in der Filmgeschichte. Carl zuerst: "Genetische Säuberung! - Ach komm, das ist doch völlig verrückt. - Wieso denn? - Davon hätten wir doch gehört, verdammt noch mal."
Mögen in "Verachtung" Bezüge zur dänischen Realität vorhanden sein, aber die bieten – Skandinavien-Krimi-gerecht – nur Anlass, Schock, Blut und Entsetzen zu evozieren, um dadrin das Beziehungs-Spiel zwischen dem schlecht gelaunten wie besessenen Carl und dem chronisch vermittelnden wie bessessenen Assad weiterzutreiben.
Und wenn sie an ihren Klischees nicht gestorben sind, werden sie auch den nächsten blutrünstigen Fall lösen, es sei denn, es gehen nach "Erbarmen", "Schändung", "Erlösung" und "Verachtung" die schlagkräftigen Titel-Substantive aus.
"Verachtung" von Christoffer Boe – enttäuschend.