"Der blinde Fleck" von Daniel Harrich
"Immer fragwürdiger wird die Rolle der bayerischen Staatsschützer in diesem Fall. Sie haben vor dem Attentat die Gefahr von rechts maßlos unterschätzt und verharmlost. ... Was die Staatsschützer von den rechtsextremistischen Akteuren wirklich wissen, ist unklar. ..."
Es ist frappierend, aber was sich hier anhört wie ein Kommentar zum aktuellen NSU-Prozess, sind Sätze, die im Original vor rund 30 Jahren gesendet wurden. Gesprochen werden sie von Benno Fürmann, der den Hörfunkjournalisten Ulrich Chaussy spielt. Chaussy hat gerade sein Feature fertiggestellt, in dem er Zweifel äußert an der These vom Einzeltäter, der verantwortlich sein soll für das Oktoberfestattentat am 26. September 1980. Werner Dietrich, Anwalt vieler Opfer des Anschlags, hatte den Journalisten auf zahlreiche Ungereimtheiten und Manipulationen bei den Ermittlungen hingewiesen.
"Hören Sie! Gundolf Köhler, ein 21-jähriger Bursche aus Donaueschingen hat angeblich eine Bombe aus militärischem Sprengstoff gebaut ohne Hilfe. Ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen, konnte er durch alle Sicherheitsnetze hindurch das Attentat auf die Wies'n verüben? Ich will Ihnen keine Vorträge halten. Machen Sie sich Ihr eigenes Bild! Sie sind doch Journalist."
Chaussys Ehrgeiz ist geweckt. Warum ist offensichtlichen Spuren nicht nachgegangen worden? Warum wurde die öffentliche Meinung gezielt beeinflusst? Das Drehbuch zu "Der blinde Fleck" hat Regisseur Daniel Harrich zusammen mit Chaussy geschrieben. Das Bestreben, einen Politthriller in der Tradition von "Die Unbestechlichen" oder Costa-Gavras' "Z" zu drehen, ist anzuerkennen und lobenswert. Doch wo die Genreklassiker hoch spannende Filmerzählungen geliefert haben, kommt "Der blinde Fleck" nicht über ein nüchternes, etwas ungelenk inszeniertes Protokoll dieser Recherche hinaus. Es ist durchaus ein Film, der nachhallt, was schon der aktuelle Bezug zur unterschätzten Gefahr von rechts unterstreicht. Nur ist es eben nicht der fesselnde Film, den man sich bei diesem Stoff gewünscht hätte.
"Der blinde Fleck": akzeptabel.
"Hannas Reise" von Julia von Heinz
"Was ist denn?" - "Sechs Monate meldest du dich nicht. Dann tauchst du plötzlich hier auf, willst, dass ich dir ein Zeugnis fälsche." - "Das ist doch nur ein Brief. ..."
Ein Brief, der bestätigt, dass sich BWL-Studentin Hanna auch sozial engagiert hat, wäre jetzt genau das Richtige für die berufliche Karriere. Hannas Mutter, die Leiterin der "Aktion Friedensdienste" für Israel ist, könnte helfen, will aber nicht.
"... Weißt du eigentlich, wie viele Leute sich hier jedes Jahr bewerben? Und du verweigerst seit jeher jegliche Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte." - "Oh, bitte Mama, nicht die Holocaust-Keule jetzt!"
Nein - Schuld empfinde Hanna, die Mitte 20 ist, keine. Was habe sie schließlich mit den Verbrechen der Nationalsozialisten zu tun? Erfreulicherweise packt auch Julia von Heinz in ihrem Film "Hannas Reise" nicht die moralische Keule aus. Fernab von pädagogisch wertvollem Betroffenheitskino hat die Regisseurin nach Motiven von Theresa Bäuerleins Roman Das war der gute Teil des Tages eine unangestrengte Geschichte mit überraschend zynischen Dialogen entworfen. "Was mit Juden kommt immer gut. Und behinderte Juden zählen doppelt." Ein Zitat aus dem Film. Um ihre Bescheinigung zu bekommen, bleibt Hanna also nichts anderes übrig: Sie wird nach Israel gehen und in einem Behindertendorf arbeiten. Dort trifft sie auf den Betreuer Itay.
"Was kann ich tun?" - "Geh mit mir aus!" - "Und was wenn nicht?" - "Stimmt was nicht mit deinem Schuldkomplex?" - "Ich bin Jahrgang 1986. Ich habe nichts zu tun mit dem Holocaust, okay?" - "Schön für dich."
Was sich neckt, das sollte sich doch auch in dieser Geschichte ineinander verlieben dürfen. Für Hanna und Itay ist der Weg dorthin untrennbar mit der Vergangenheit ihrer Familien und Nationen verbunden. Etwas überkonstruiert ist diese Geschichte schon, aber Julia von Heinz gelingt dennoch eine unverkrampfte Annäherung an ein schwieriges Thema.
"Hannas Reise": akzeptabel.
"Art War" von Marco Wilms
Für ihn, erzählt der ägyptische Sänger Ramy, sei die Revolution das wichtigste Ereignis in seinem Leben. Kunst und Musik hätten ihn und viele andere wieder lachen lassen. Nur so hätten sie alles durchstehen können.
"Art War" - also "Kunst Krieg" - hat Marco Wilms seinen Film über die jungen Künstler des Arabischen Frühlings genannt. Sie singen, rappen und sprühen Graffitis wie der Maler Alaa.
Ihre Graffitis seien inspiriert von Bildern altägyptischer Kunst. Graffitis seien eine positive Art, das Feuer, das auf der Straße brennt, auszudrücken. Diese Graffitis sind oft Bildergeschichten, zeigen die Helden und Opfer des Straßenkampfs. Geradezu explodiert ist die Kreativität in vielen Vierteln von Kairo und Luxor nach dem Sturz Mubaraks im Frühjahr 2011. Diese lebendige Subkultur fängt Marco Wilms in fiebrigen Bildern ein. Der Filmemacher zeigt die Kunst als Mittel der Unterdrückten im Kampf gegen den Militärrat und als treibende Kraft, die noch lange nicht vollendete Revolution voranzutreiben.
"Art War": empfehlenswert.