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Feinde und Verbündete

Erbitterte Gegner müssen im Western "Feinde" kooperieren. In der Beziehungsstudie "Zwei im falschen Film" hinterfragt ein Paar den Status quo der Beziehung. Für ein Kunst- und Filmprojekt haben sich Regisseurin Agnès Varda und Fotograf JR in "Augenblicke: Gesichter einer Reise" verbündet.

Von Jörg Albrecht |
    Die Regisseurin Agnès Varda auf dem Filmfestival in Cannes 2017.
    Die Regisseurin Agnès Varda auf dem Filmfestival in Cannes 2017. (Sébastien Botella / MAXPPP / dpa)
    "Sie sind menschliche Wesen und haben das Recht als solche behandelt zu werden."
    Im Jahr 1892, in dem der Western "Feinde - Hostiles" spielt, steht eine solche Stimme längst nicht die für die Haltung der Mehrzahl der US-Bürger. Die Indianer gelten seit der Besiedlung Amerikas durch die Engländer im frühen 17. Jahrhundert als Feinde und Barbaren. Das sind sie auch für U.S.-Army-Captain Blocker, den Christian Bale spielt. Für viele ist er ein Held, der in seinem Leben schon Dutzende Indianer getötet hat.
    "Nach allem, was Sie gesehen haben und was Sie getan haben, da ist man doch irgendwann kein Mensch mehr."
    "Jeder hat seinen Teil zu tragen."
    Ein von den Kriegen gezeichneter Mann ist auch der Cheyenne-Häuptling Yellow Hawk, der seit Jahren in einem Gefängnis in New Mexiko gefangen gehalten wird. Nach dem Willen der der US-Regierung soll der Chief, der todkrank ist, zusammen mit seiner Familie nach Montana in ein Indianer-Reservat überführt werden. Blocker ist für diese Aufgabe als Anführer des kleinen Trupps ausgewählt worden.
    "Bei allem Respekt, Sir, ich werde diesen feigen Mörder und seine Brut von Bastarden und Huren nirgendwo hinbegleiten."
    "Ich fürchte, das ist ein Befehl."
    Gewalt, Schuld und Vergebung
    Die Aussicht darauf, seine Pension gestrichen zu bekommen und womöglich vor dem Militärgericht zu landen, lässt Blocker einlenken. Nun braucht es einen dramaturgischen Kniff, damit die beiden Männer ihre Todfeindschaft vergessen und sogar die Möglichkeit der Versöhnung besteht. Das gemeinsame Ziel, die gefährliche Reise zu überleben, erweist sich dabei als durchaus nachvollziehbares Motiv. Denn auf den Trupp warten Pelzjäger, ein Mörder und ein Komantschen-Stamm.
    Aus einem dem Film vorgehefteten Zitat von D.H. Lawrence über die harte, mörderische amerikanische Seele hat Regisseur Scott Cooper eine Geschichte mit Gegenwartsbezügen über ein blutgetränktes Land geformt, über Gewalt, Schuld und Vergebung. Inszeniert als lupenreiner Western, konzentriert sich der Film allerdings in erster Linie auf Blocker, während sein Gegenüber, der von Wes Studi gespielte Chief, zur Staffage gerät als "edler Indianer". Am Ende wird zwar keine Blutsbrüderschaft wie bei "Winnetou" geschlossen und Blocker wird auch nicht in den Sonnenuntergang reiten, aber ohne Hoffnung wird uns Scott Cooper in seinem Western auch nicht entlassen.
    "Feinde - Hostiles": zwiespältig
    "Wir spielen den Abend unseres Kennenlernens nach. Ist das nicht eine witzige Idee?"
    "Und peinlich."
    Vor allem Letzteres ist es oft, wenn sich das Kino - nicht nur das deutsche - am Genre Beziehungskomödie versucht und verhebt. Eine erfrischende Ausnahme ist da Laura Lackmanns "Zwei im falschen Film" mit Laura Tonke und Marc Hosemann als Paar, das sein Achtjähriges feiert. Zeit für eine Bestandsaufnahme und Rückschau. Während sie zum Beispiel romantische Erinnerungen an den Abend des Kennenlernens hat, weiß er nur, dass sie damals sturzbetrunken war und ihrem Ex nachgetrauert hat.
    Viel Ironie, aber kein Zynismus
    "Bist du gemein!"
    "Ich weiß gar nicht, was du willst. Genauso war es."
    "Ja, na und? Du bist ja nicht eifersüchtig."
    "Gott sei Dank! Denn dank meiner Beharrlichkeit ist aus mir, dem Trostpflaster, eine Prothese geworden. Wie romantisch!"
    Wirklich köstlich, wie sich die Beiden, während sie ihre Beziehung Revue passieren lassen, mit viel Ironie, aber nicht zynisch die Bälle zuspielen. Die Selbstbeschau gerät dank des natürlichen Spiels von Tonke und Hosemann nie prätentiös. Regisseurin und Drehbuchautorin Laura Lackmann erzählt mit viel Esprit und Einfühlungsvermögen von den Momenten des Glücks wie auch denen der Ernüchterung und zerplatzten Träume.
    "Zwei im falschen Film": empfehlenswert
    "Bist du bereit?"
    Fragt der Künstler JR die Filmemacherin Agnès Varda. Und sie ist bereit zu einer Tour durch Frankreich und zu seinen Menschen. 55 Jahre trennen die beiden Reisegefährten, aber ihre Leidenschaft für die Fotografie verbindet sie miteinander.
    "Ich erinnere mich an deine Filme. In 'Mauerbilder' haben mich die Wandmalereien aus Los Angeles beeindruckt."
    "Ich habe die Augen bewundert, die du auf Tanklager geklebt hast."
    Nachdem sie ein paar Komplimente ausgetauscht haben, geht es auch schon los. Das Projekt ist ein bekanntes. Es heißt "Inside Out" und wurde schon vor Jahren von JR initiiert. Mit seinem zu einem Fotoautomaten umgebauten Kleinlaster macht er Porträts von Menschen. Er druckt sie als riesige Plakate aus und befestigt sie an Fassaden. Genau das macht JR jetzt zusammen mit Agnès Varda. Die Beiden treffen zum Beispiel Jeannine, die letzte Bewohnerin einer ehemaligen Bergarbeitersiedlung. Ihr Foto in Überlebensgröße auf der Backsteinmauer ihres Hauses treibt ihr Tränen in die Augen.
    "Ich bin sprachlos."
    "Jeannine - es soll eine Hommage an Sie sein."
    Wie das gesamte Projekt eine Hommage ist an die Menschen, ihr Leben und ihre Arbeit. Der Film "Augenblicke", inszeniert von den beiden Künstlern, berührt aber nicht nur, wenn er die Geschichten der Porträtierten erzählt. Er ist immer wieder auch eine bewegende, verschmitzte wie melancholische Reise in die Vergangenheit von Agnés Varda.
    "Augenblicke – Gesichter einer Reise": empfehlenswert