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Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin

Eine Seherin, eine Umweltaktivistin und eine Kämpferin für die Gleichberechtigung - sie bestimmen die Neustarts dieser Woche. In die Kinos kommen das französische Drama "Die Erscheinung", die isländische Komödie "Gegen den Strom" und der Dokumentarfilm "RBG" aus den USA.

Von Jörg Albrecht |
    Richterin am US Supreme Court Ruth Bader Ginsburg
    Ruth Bader Ginsburg, Richterin am US-Supreme-Court, ist die Titelfigur des Films "RBG - Ein Leben für die Gerechtigkeit" (CNN Films / Koch Films)
    "Vor genau zwei Jahren hat ein 16-jähriges Mädchen behauptet, eine Erscheinung gehabt zu haben im Südosten Frankreichs."
    "Was meinen Sie mit Erscheinung?"
    "Eine Erscheinung der Jungfrau Maria. Die Seherin heißt Anna."
    Wie die Jungfrau zum Kinde kommt auch Jacques Mayano zu seinem neuen Job. Der renommierte französische Kriegsreporter hat einen Anruf aus dem Vatikan bekommen. Die römisch-katholische Kirche bittet ihn, Mitglied einer Kommission zu werden, die die Echtheit von Annas Marienerscheinungen überprüfen soll. Diese Suche nach der Wahrheit macht den Film des französischen Regisseurs Xavier Giannoli fast zu einem Thriller. Anna stimmt zu, sich den Fragen von Mayano und der Kommission zu stellen.
    "Es war vor zwei Jahren im September. Es hatte den ganzen Tag geregnet. Es war kalt. Und als ich bei der ersten Hütte ankam, sah ich einen Lichtschein weiter vorne am Weg."
    "Was heißt einen Lichtschein? Können Sie uns das näher beschreiben?"
    Einige Szenen verwässern die Geschichte
    Der Journalist stöbert aber auch in der Vergangenheit von Anna, die erst in einer Pflegefamilie und dann in einem Heim gelebt hat. So findet er heraus, dass Annas beste Freundin Mériem seit dem Zeitpunkt ihrer ersten Erscheinung abgetaucht ist.
    "Warum ist Mériem so urplötzlich verschwunden? Und warum klingen alle Ihre Antworten auf meine Fragen so vorgefertigt?"
    "In Ihnen ist zu viel Wut, um zu verstehen, was ich sah."
    Die subtile und spannende Recherche wäre noch intensiver, wenn Regisseur Giannoli sie ganz aus der Perspektive des von Vincent Lindon gespielten Journalisten erzählt hätte. Wie Mayano das Puzzle zusammensetzt und sich dabei auch mit eigenen Traumata konfrontiert sieht – das ist stark. Sämtliche Szenen, die aus Annas Leben erzählen und dem Zuschauer damit einen Wissensvorsprung geben, verwässern die Geschichte nur.
    "Die Erscheinung": akzeptabel
    Ganz bei seiner Protagonistin bleibt dagegen Benedikt Erlingsson in "Gegen den Strom". Halla, eine Frau Ende 40, durchstreift wie eine Amazone – ausgestattet mit Pfeil und Bogen – das isländische Hochland. Ihr Ziel: Eine Hochspannungsleitung, die zu einem Aluminiumwerk führt.
    "Es wäre toll, wenn Sie mir helfen könnten. Aber wenn – dann sofort! Die suchen mich."
    "Wieso? Was haben Sie gemacht?"
    "Ich habe die Stromversorgung lahmgelegt."
    Halla ist eine radikale Umweltaktivistin, eine "Frau im Krieg", wie die Übersetzung des Original-Filmtitels lautet. Niemand würde ihr solche Guerilla-Aktionen zutrauen, denn von Beruf ist die eher unscheinbare Halla die Leiterin eines Chors.
    Surrealität im Film
    Bislang hat sie die Gefahr, bei ihren Anschlägen erwischt werden zu können, in Kauf genommen. Aber jetzt wirbelt ein Schreiben, mit dem sie nicht mehr gerechnet hat, Hallas Lebensplanung komplett durcheinander.
    "Sie haben die Regeln geändert. Auf mich wartet ein kleines Mädchen aus der Ukraine."
    Schon vor Jahren hatte sich die alleinstehende Halla darum beworben, ein Kind zu adoptieren. Wo ein anderer Filmemacher das im Stoff angelegte große Drama ausgekostet hätte, bricht Benedikt Erlingsson es immer wieder auf mit lakonischem Humor, skurrilen Figuren und einem schrägen Einfall, der sich wie ein roter Faden durch den gesamten Film zieht. Immer wenn im Film Musik erklingt, tauchen die Musiker – ein Trio aus Klavier, Tuba und Trommel - Trommel – in der Szenerie auf. Das ist sehr surreal und eine hübsche Idee.
    "Gegen den Strom": empfehlenswert
    "Ich ersuche das Gericht, Geschlecht als Maßstab in Frage zu stellen. Dabei berufen wir uns auf die Stellungnahme der berühmten Abolitionistin Sarah Grimké aus dem Jahr 1837. Sie sagte, ich verlange keine Bevorzugung meines Geschlechts. Ich verlange nur, dass unsere Brüder ihre Füße von unserem Nacken nehmen."
    Es ist auch zum Kredo von Ruth Bader Ginsburg geworden. Die Gleichstellung der Geschlechter vor dem Gesetz und im Alltag hat die erst zweite Frau am Obersten Gerichtshof der USA zu ihrer Lebensaufgabe gemacht. In Anlehnung an den Rapper Notorious BIG. Eine dankbarere Protagonistin als die 1933 geborene Ruth Bader kann man sich kaum für einen Film vorstellen. Und so haben die beiden Filmemacherinnen Betsy West und Julie Cohen leichtes Spiel gehabt bei ihrem chronologisch aufgebauten Porträt.
    Ein funkelndes, oft humorvolles Porträt
    Darin erinnert sich Ruth Bader Ginsburg unter anderem an ihre Zeit in Harvard, wo sie Mitte der 1950er-Jahre eine von gerade einmal neun Studentinnen war.
    "Und dann gab es das berühmte Dinner des Dekans für den ersten Jahrgang von Frauen. Er bat uns aufzustehen und sagte:'Was tun Sie hier? Jede von Ihnen nimmt einem Mann den Platz weg'"
    Es sind solche Erlebnisse, die Ruth Bader Ginsburg prägen sollten. Aus einer wahren Flut von Archivmaterialien und Interviews mit Zeitzeugen haben die Regisseurinnen ein funkelndes, oft humorvolles Porträt zusammengestellt, in dem sie aus ihrer Verehrung für "Notorious RBG" keinen Hehl machen.
    "RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit": empfehlenswert