"Die Mitte der Welt" - Jakob M. Erwa
"Es ist einer dieser heißen himmelblauen Tage, die nach Vanilleeis und Zukunft schmecken. Und an dem man jeden Eid schwören würde, dass Freundschaft nie endet."
So viele Filme haben schon vom freud- und leidvollen Prozess des Erwachsenwerdens erzählt. Doch selten hat es einer so facettenreich und unaufdringlich, so berührend und hypnotisch getan wie "Die Mitte der Welt".
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Phil. Für den 17-Jährigen ist – wie für die meisten Gleichaltrigen – die Zeit der Jugend eine ständige Suche. Und Fragen hat er viele. Eine besonders wichtige ist die nach seinem Erzeuger. Eine weitere, die Phil noch dringender beschäftigt, hat mit seinem neuen Mitschüler Nicholas zu tun. Könnte es was mit ihm und Nicholas werden?
"Wo warst denn du heute? Ich habe da immer nur so rumgesessen. Schade eigentlich. Ich habe dich vermisst."
Die schwule Liebesgeschichte, die hier ihren Anfang nimmt, kommt ohne das übliche Coming-Out und die daraus meist resultierenden Probleme aus. Auf verschiedenen Zeitebenen, aber grundsätzlich aus Phils Perspektive, erforscht der Film den Kosmos des Heranwachsenden, zu dem eine Schwester zählt, die immer mehr verstummt, und eine bindungsunfähige Mutter.
"Wo ist Kyle? – Kyle kommt nicht mehr zu uns. War wohl nicht der Richtige für mich."
Der österreichische Regisseur Jakob M. Erwa hat Andreas Steinhöfels Roman kongenial verfilmt. "Die Mitte der Welt" ist eine Wundertüte. Ein Film, der sich jenseits der ausgetreten Pfade von Coming-of-Age-Geschichten bewegt: subtil erzählt und glänzend gespielt von einem Ensemble, angeführt von einem tollen Louis Hofmann.
"Die Mitte der Welt": herausragend
"Soy Nero" - Rafi Pitts
"Hey Mann, was zum Teufel suchst du hier eigentlich? Ich bin Amerikaner genau wie du, Bruder. – Du bist Amerikaner? – Ich bin ein Nigger wie du, Mann!"
Darüber können die beiden Schwarzen, mit denen der 19-jährige Nero irgendwo im Mittleren Osten einen Wachposten bezogen hat, nur höhnisch lachen. Denn Nero, der für die US-Streitkräfte in den Kampf zieht, ist zumindest kein legaler, kein eingebürgerter US-Amerikaner. Er ist ein sogenannter Greencard-Soldat, der nur durch seinen Dienst in der Armee einen amerikanischen Pass erhalten kann.
Wenn sich Nero im Kampfeinsatz befindet, ist bereits das letzte Drittel in "Soy Nero" von Rafi Pitts angebrochen. Vorher schildert der aus dem Iran stammende Regisseur noch die Odyssee des jungen Mannes, der illegal von Mexiko in die USA gekommen ist.
"Darf ich dich was fragen? Wieso lebst du nicht in Mexiko? – Bist du verrückt? Ich bin kein Mexikaner. Ich bin hier aufgewachsen. Wir sind nach L.A. gezogen. Dann wurden wir ausgewiesen und abgeschoben. Dann konnte ich nicht mehr über die Grenze."
Neros Geschichte, die der Regisseur episodenhaft in Szene gesetzt hat, basiert auf den Erlebnissen des Mexikaners Daniel Torres. Für ihn, der – wie ein Söldner – im Irakkrieg gedient hatte und danach von den US-Behörden nach Tijuana abgeschoben wurde, sollte sich sein amerikanischer Traum nicht erfüllen.
"Soy Nero" ist ein spröder, langatmiger Film, der in distanzierten Einstellungen seinen Protagonisten begleitet durch ein Land, das nicht seins ist und durch einen Krieg, der nicht seiner ist. Das weitgehend unbekannte Thema der Greencard-Soldaten hätte einen aufregenderen Film verdient gehabt.
"Soy Nero": zwiespältig
"Café Society" - Woody Allen
Die Namen der Hauptdarsteller aufgelistet in alphabetischer Reihenfolge und dazu eine alte Jazzaufnahme. So beginnt jeder Film von Woody Allen. Es ist seine Visitenkarte. Dabei ist es bedeutunglos, ob die Geschichte, die Allen erzählt, zur selben Zeit spielt, in der auch die Musik entstanden ist. Im Falle seiner neuesten Regiearbeit aber passen Bild und Ton perfekt zusammen, denn "Café Society" hat unter anderem das Hollywood und New York der 1930er-Jahre zum Schauplatz.
Aus der Bronx verschlägt es den jungen Bobby an die Westküste. In Los Angeles will er durchstarten und in der Schauspielagentur seines Onkels arbeiten. Direkt am ersten Tag verliebt sich Bobby unsterblich in dessen Assistentin Vonnie. Die Beiden werden gespielt von den Jungstars Jesse Eisenberg und Kristen Stewart. Immer noch genügt Allens Name, damit sich eine prominente Darstellerschar in seinen Filmen versammelt.
"Das ist glaube ich keine so gute Idee. – Nein? – Ich bin mit jemandem zusammen. – Oh, ich hatte keine. – Ich verbringe wirklich gern Zeit mit Ihnen. Sie sind sehr lieb. Hat man Ihnen das schon mal gesagt?"
Eine andere Sache wird Vonnie, die sich zögerlich auf eine Affäre einlässt, Bobby allerdings erst sagen, als der um ihre Hand anhält: Vonnie ist gleichzeitig auch mit seinem Onkel zusammen.
Nun wäre Woody Allen nicht Woody Allen, wenn er daraus eine gewöhnliche Beziehungskomödie machen würde. Allen wagt sich vielmehr aufs burleske Terrain und lässt ganz nebenbei die Städte New York und Los Angeles in einen Wettstreit miteinander treten. Das sieht zwar alles hübsch aus, erzeugt aber – abgesehen von den üblichen, aber zu wenigen Bonmots – nur gepflegte Langeweile.
"Café Society": enttäuschend