"Das Märchen der Märchen" von Matteo Garrone
"Ihr wollt ein Kind. Jedes neue Leben verlangt ein Leben, das weicht. ... - Ich bin bereit zu sterben, wenn ich nur fühlen kann, wie Leben in mir wächst. ..."
Der unerfüllte Wunsch nach einem Kind hat die Königin in tiefe Melancholie versinken lassen. Ihre Geschichte ist eine von dreien, die in der Fantasiewelt von "Das Märchen der Märchen" spielen. Alle drei sind verbunden mit verschiedenen Herrscherhäusern. Alle drei kreisen um das Thema Obsessionen. Die inhaltliche Klammer findet allerdings keine Entsprechung auf formaler Ebene. Regisseur Matteo Garrone wechselt ohne jeden dramaturgischen Nutzen - geradezu willkürlich - hin und her zwischen seinen drei Erzählungen.
Protagonist von Märchen Nummer zwei ist ein lüsterner - heute würde man wohl sagen sexsüchtiger - König auf der Jagd nach immer neuen Eroberungen.
"Wer singt da mit solch betörender Stimme? Wo habt ihr euch die ganze Zeit verborgen? ... Wie alt seid ihr? 17, 18? Nein - geht nicht weg! Versteckt euch nicht! ..."
Dass die mädchenhafte Stimme einer hässlichen Alten gehört - davon ahnt der König nichts. Vom Streben nach ewiger Jugend und Schönheit erzählt diese Episode, während die dritte und wohl skurrilste von der Obsession eines Regenten für einen gigantischen Floh handelt.
In Zeiten, in denen Märchenverfilmungen Fantasy-Spektakeln vom Ausmaß der "Herr der Ringe"-Verfilmungen gleichen, versteht sich "Das Märchen der Märchen" als ein ruhiger und poetischer Gegenentwurf. Regisseur Garrone verknüpft das Magische mit dem Realen, indem er über zeitlose Themen wie Eitelkeit, Lust und Gier fabuliert. Am Ende verhärtet sich dennoch der Eindruck, dass der mit Salma Hayek, Vincent Cassel und Toby Jones international besetzte Film in einzelnen Momenten faszinierender ist als in der Summe seiner Teile.
"Das Märchen der Märchen": zwiespältig
"Anni Felici - Barfuß durchs Leben" von Daniele Luchetti
"Das da bin ich, Serena und Guido, meine Eltern, und mein Bruder Paolo. Die Geschichte meiner Familie im Sommer."
Wer sich - wie Dario - nach 40 Jahren daran macht seine Kindheit aufzuarbeiten, läuft mitunter Gefahr das Erlebte nostalgisch zu verklären. Dario, der Icherzähler in "Anni Felici - Barfuß durchs Leben", ist der ältere der beiden Söhne von Serena und Guido, die er niemals Mama und Papa, sondern nur bei ihren Vornamen nennt. Seine Eltern sind schließlich auch nicht wie andere Eltern. Guido versucht sich mit mäßigem Erfolg als Avantgarde-Künstler und seine Frau unterstützt ihn, wo es nur geht.
"Was? Die sind alle nackt? - Serena, das ist ein Kunstwerk. - Die Frauen kenne ich alle. - Wie - du kennst sie alle?"
Als Serena herausfindet, dass Guido sie mit seinen Modellen betrügt, beginnt sie damit dieselben Freiheiten für sich einzufordern. Auf ihrem Weg zur Emanzipierung - Serena wird sich in eine Frau verlieben - auf diesem Weg droht die Familie, drohen die Söhne auf der Strecke zu bleiben. Die Erklärungsversuche der Eltern für ihr unkonventionelles Verhalten und ihren Lebenswandel stoßen Dario vor den Kopf.
"Allerdings bedeuten diese Sachen mir nichts. Sie sind mir so wichtig - wie wenn ich mir an der Nase kratze. ... - Selbst wenn du bei den Anderen bist - du liebst nur mich. ... Schatz, wo gehst du hin? ... - Ihr seid Arschlöcher! Ihr seid riesige Arschlöcher!"
So werden die Kindheitserinnerungen zumindest teilweise auch zu einer Abrechnung mit den Eltern. Der Filmemacher Daniele Luchetti hat seine eigene Biografie in die Geschichte von "Anni Felici - Barfuß durchs Leben" einfließen lassen. Das Ergebnis ist ein leichtfüßiges, mit Humor gewürztes und dennoch sensibles Familienporträt, das ohne seine Darsteller nur halb so geglückt wäre. Kim Rossi Stuart und vor allem Micaela Ramazzotti glänzen in den Hauptrollen, Martina Gedeck beeindruckt als Serenas lesbische Freundin.
"Anni Felici - Barfuß durchs Leben": empfehlenswert
"Der Chor - Stimmen des Herzens" von Francois Girard
Es singen Dutzende Engel und ... ein Bengel. Der zwölfjährige Stet kommt nach dem Unfalltod seiner Mutter auf die renommierteste Chorschule der USA. Dort aber will er gar nicht sein. Und so stellt sich Stet gegen alles und jeden.
"Du, Stet, du hast Talent. Du hast es wirklich und du wirfst es weg. Es ist eine Schande. Und deine Uhr tickt, Kleiner! - Und wenn schon! Ihre Uhr tickt auch, alter Mann!"
Der alte Mann ist der Chorleiter und wird von Dustin Hoffman gespielt. Und weil der auch mit weit über 70 seinen Idealismus als Musiklehrer längst nicht verloren hat, ist es natürlich sein Ziel, den kleinen Rebellen mit Empathie, Geduld und Strenge auf den richtigen Weg zu bringen.
"Du musst das hier schon richtig wollen. - Tu ich doch."
Erbauliche Geschichten liebt das Kino. Spielen sie aber - wie in diesem Fall - unverhohlen auf der Klaviatur der Gefühle und werden ohne auch nur einen einzigen Zwischenton heruntergeleiert, hat das erhebliche Dissonanzen zur Folge. Die kann dann auch ein Dustin Hoffman nicht mehr beheben.
"Der Chor - Stimmen des Herzens": enttäuschend