"Circles" von Srdan Golubović
Wie lange ist das Jahr 1993 her? Die Frage ist scheinbar banal: 21 Jahre sind seitdem vergangen. Doch wenn man die Zeit nach einem Krieg betrachtet, die nach den Grausamkeiten, dem Mord und Blutvergießen, der Barbarei, da ist nichts vergangen.
"Scheiß Moslem, komm her!"
Nichts ist beendet; es arbeitet weiter in den Menschen. Die Aufgabe von Kinogeschichten ist es, immer wieder davon zu erzählen. 1993 in Srdan Golubovićs Film "Circles". Vier serbische Soldaten bedrohen in Bosnien-Herzegowina einen muslimischen Kioskbesitzer. Marko, ein junger ebenfalls serbischer Soldat, ...
"Das reicht! Hört auf!"
... mischt sich ein. Die anderen Soldaten prügeln ihn zu Tode. Macht es Sinn, ein Held zu sein?, fragt Srdan Golubović in "Circles". Oder ist, ein Held zu sein, an sich dasselbe wie ein Dummkopf zu sein? Ist Markos menschliche Tat wie ein Stein, der ins Wasser fällt, und Kreise zieht? Ändert sie etwas zum Guten?
Der Film verfolgt die Auswirkungen des Geschehens zwölf Jahre danach, bei den Tätern wie bei Markos Familie. Immer wieder stellt sich die Frage nach Rache oder Vergebung. So begegnet Nebojsa, Markos Freund, Chirurg, dem damaligen Anführer der Mörder im OP. Soll er den Mörder operieren oder ihn sterben lassen?
"Quält dich dein Gewissen?" - "Nein. Was hast du denn erwartet?"
Präzise in der Zeichnung des Milieus und der Psychologie der Figuren, der Täter, der Opfer und derjenigen, die wegschauten, da auf dem Marktplatz, am Kiosk, entwirft "Circles" ein eindrucksvolles Bild der zerstörerischen Folgen eines Bürgerkrieges - in den Menschen. Der Vater des Ermordeten, der damals einen anderen retten wollte, sagt:
"Das macht mir Angst, dass einer was Gutes tut, und es keinen interessiert."
1993 ist nicht vergangen in dieser Geschichte.
"Circles" von Srdan Golubovićs - herausragend.
"Lauf Junge Lauf" von Pepe Danquart
Der Zweite Weltkrieg und die Vernichtung des europäischen Judentums liegen weiter zurück als der bosnische Bürgerkrieg. Erzählungen über den Holocaust - "Schindlers Liste" ist nur ein Beispiel - sind gesetzter, vielfältiger, zum eigenen Genre geworden. Das birgt allerdings die Gefahr, dass Geschichten über den "Zivilisationsbruch" Stereotypen entwickeln. Srulik, dem kleinen jüdischen Jungen, gelingt die Flucht aus dem Warschauer Ghetto. Als Einzigem aus seiner Familie.
"Du musst überleben. Gib niemals auf",
sagt Jureks Vater zu Abschied.
"Du darfst nie im Leben vergessen, dass du ein Jude bist. Verstehst du das?"
In seiner Verfilmung des Jugendbuchklassikers "Lauf Junge Lauf" erzählt Regisseur Pepe Danquart vom Überleben Sruliks. Der flieht aus dem Ghetto im Polen des Winters 1942/43 und lernt zu überleben, weil er zwar nie vergisst, dass er ein Jude ist, aber sich Jurek nennt und sich als Pole ausgibt.
"Name?" - "Jurek Staniac." - "Bist du ein Jude?" - "Nein."
Eindrucksvoll, die Geschichte des kleinen Jungen, der durch eine mörderische Welt läuft, sich in den Wäldern mit anderen jüdischen Flüchtlingen zu ernähren sucht. Aber störend ist, wie sehr Pepe Danquart einen historischen Abenteuerfilm zu inszenieren sucht. Und das unerträgliche Pathos des Soundtracks macht "Lauf Junge Lauf" auch nicht zum überzeugenderen Film.
"Lauf Junge Lauf" von Pepe Danquart - annehmbar.
"Dom Hemingway" von Richard Shepard
Seine steile Karriere beginnt Anfang, Mitte der 1990er Jahre. Jude Law war in Filmen von Clint Eastwood, David Cronenberg, Steven Spielberg, Anthony Minghella, Steven Soderbergh oder bei Wes Anderson zu sehen. Ein großer Darsteller, der ohne Probleme die Spannbreite zwischen Blockbuster und Arthouse-Kino ausfüllen kann. Nun ist Jude Law in der Gangster-Groteske "Dom Hemingway" von Richard Shepard zu sehen und spielt dort mit einer grandioses Düsternis und gleichzeitig so durchgeknallt einen Safe-Knacker, der zwölf Jahre im Knast verbringt, nie verrät, mit wem oder für wen er den letzten Bruch beging, und der nun, wieder in Freiheit ...
"Ich brauche eine Waffe nur für einen Überfall. Oder um jemanden zu bedrohen. Oder auszurauben."
... bei seinem alten Auftraggeber abkassieren will.
"Ich hätte Sie verpfeifen können. Die ganze Zeit im Gefängnis." "Was hat dir das gebracht?" "Zwölf Jahre. Ich habe die Schnauze gehalten."
Es hätte dem Film "Dom Hemingway" zu Vorteil gereicht, wenn Regisseur Richard Shepard sich irgendwann entschieden hätte, ob er eine durchgeknallte Gangster-Geschichte mit rhythmischem Soundtrack-Feuerwerk erzählen wollte oder die von einem Loser, der nur ein großes Maul hat und sich vor allem nach der Versöhnung mit seiner Tochter sehnt.
So wirkt "Dom Hemingway" halbgar und gleichzeitig faszinierend, weil ein grandioser Schauspieler mit allem Mut zu Hässlichkeit, Obszönität und Exzessivem, sozusagen von der Leine gelassen, zu bestaunen ist. Jude Law ist in diesem Film schlicht phänomenal.
"Dom Hemingway" von Richard Shepard - zwiespältig, trotzdem aufregend. Empfehlenswert.