"Spotlight" von Tom McCarthy
"Sie wussten es und haben es laufen lassen. Mit Kindern. Wir müssen diese Drecksschweine festnageln. Wir müssen den Leuten zeigen, dass niemand mit so etwas durchkommen kann. Kein Priester, kein Kardinal und kein verdammter Papst."
Ein flammendes Plädoyer für die rasche Aufdeckung eines Skandals. Leidenschaftlich vorgetragen von Schauspieler Mark Ruffalo in der Rolle eines Journalisten. Das hat ihm eine Oscar-Nominierung als bester Nebendarsteller eingebracht. Dabei sind seine – unter anderem von Michael Keaton und Liev Schreiber gespielten Kollegen, die leiser sind und nicht den Moralapostel nach außen kehren, die interessanteren Figuren im Film "Spotlight".
"Sind Sie mit Spotlight vertraut? – Nein. Nicht im Detail."
Spotlight ist der Name eines vierköpfigen Rechercheteams innerhalb der Redaktion des Boston Globe. Der Film von Tom McCarthy greift eine wahre Geschichte auf, die im Jahr 2001 ihren Anfang nimmt. Ein neuer Chefredakteur setzt das Quartett, das auf Enthüllungsstorys spezialisiert ist, auf Vorgänge in der katholischen Kirche an, von denen bislang nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird. Der Verdacht: Die Kirche kehrt seit Jahrzehnten Dutzende Fälle von Kindesmissbrauch durch Priester unter den Tisch.
"Konzentrieren wir uns auf die Institution, nicht auf die Priester. Zeigen Sie mir, dass dieselben Priester wieder und wieder in Gemeinden geschickt werden! Zeigen Sie mir, dass das Ganze System hat und von oben gesteuert wird!"
Bei ihren Recherchen stoßen die Reporter auf eine Mauer des Schweigens: Nicht nur beim Erzbischof von Boston und anderen Geistlichen, sondern auch bei Anwälten, Politikern, ja sogar bei den Missbrauchsopfern. Ein komplexes System der Vertuschung.
Wie der Politthriller "Die Unbestechlichen" vor 40 Jahren singt auch "Spotlight" ein Loblied auf die Arbeit investigativer Journalisten im Besonderen und die Pressefreiheit im Allgemeinen. Dem Film gelingt es, allein aus Recherchen und dem Zusammenfügen von Puzzleteilen Spannung zu erzeugen. Und das ohne auch nur ein einziges reißerisches Bild von den Verbrechen.
"Spotlight": herausragend
"Mustang" von Deniz Gamze Ergüven
Noch ahnen die fünf Schwestern aus einem türkischen Dorf nicht, dass sie zum letzten Mal so unbeschwert am Strand herumtollen werden.
Die in Ankara geborene Regisseurin Deniz Gamze Ergüven hat ihrem Spielfilmdebüt den Namen "Mustang" gegeben. Nicht nur wegen ihrer langen Mähnen erinnern die Mädchen an die Wildpferde. Auch sie wollen sich nicht so einfach zähmen lassen. Genau das aber versuchen ihr Onkel und ihre Großmutter, in deren Haus die fünf nach dem Tod der Eltern aufwachsen. Aus ihnen sollen schließlich eines Tages gute Ehefrauen werden.
"Unser Haus wurde zu einer Hausfrauenfabrik, aus der wir nicht rauskamen. ... Und nun mussten auch wir hässliche kackfarbene Kleider tragen."
Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Lale, der jüngsten der fünf. Immer mehr gleicht das Haus einer Festung, aus der die Mädchen keinen Schritt mehr ohne Erlaubnis machen dürfen. Lale muss mit ansehen, wie für ihre Schwestern Ehen arrangiert werden.
"Was machst du? – Willst du heiraten? – Nein. – Dann hilf mir, die Tür zu versperren. – Mach die Tür auf!"
"Mustang" hätte leicht ein düsterer und angestrengter Film über das Spannungsfeld einer Gesellschaft zwischen Moderne und Tradition werden können. Regisseurin Ergüven aber entfesselt immer wieder heitere Momente, wenn sie die fünf Schwestern ihre Lebensfreude und ihren Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung auskosten lässt. Ein starkes Debüt.
"Mustang": empfehlenswert
"Where to Invade next" von Michael Moore
"Am 2. Januar wurde ich in aller Stille zum Pentagon beordert, um mich mit den dort versammelten Generalstabschefs zu treffen."
Das ist natürlich beinhart gelogen. Niemand im Pentagon käme jemals auf die Idee, Michael Moore einzuladen – den Mann, der mit seinen satirischen Dokumentarfilmen Amerika den Spiegel vorhält. Für sein neues Projekt "Where to Invade next" hat er eine nicht ganz so zündende, aber unterhaltsame Idee gehabt. Moore verordnet den US-Truppen nach Jahrzehnten der Erfolglosigkeit eine Pause und stellt sich selbst als Ein-Mann-Armee auf, die in Europa einmarschiert. Sein Plan:
"Ich nehme die Dinge, die wir von Ihnen brauchen, und bringe alles mit nach Hause in die Vereinigten Staaten von Amerika. Denn wir haben Probleme, die keine Armee lösen kann."
Probleme wie unsoziale Löhne, mieses Schulessen und menschenunwürdige Gefängnisse. Ganz anders in Italien, wo es ein 13. Monatsgehalt gibt, in Frankreich, wo Schulkinder von Sterneköchen bekocht werden und in Norwegen, wo Verbrecher auf einer idyllischen Insel resozialisiert werden. Auch vor Deutschland macht Moores Invasion nicht halt.
Gar keine Frage: Amerikas links-liberales Gewissen hat wieder einen amüsanten und pointierten Film gedreht. Nur ist nicht zu übersehen, dass Moore – ideologisch und polemisch wie gewohnt – die eigene Nation verteufelt, während er bei den anderen Ländern Schönfärberei betreibt.
"Where to Invade next": akzeptabel