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Leere Welt, leerer Mond und leere Highlands

Würden wir überleben, wenn wir alleine, ganz allein, auf der Welt wären? Warum der Mensch, der den Mond als erstes betrat, überleben? Wie konnte einer überleben, während er Schottland im Mittelalter einte? Essentielle Fragen stellen die Filme in dieser Woche.

07.11.2018
    Schauspieler Ryan Gosling in Astronauten-Montur als Neil Armstrong in einer Szene des Weltraumdramas "First Man - Aufbruch zum Mond".
    In "First Man" verkörpert Ryan Gosling Neil Armstrong. (dpa / Universal Pictures)
    Beziehungsunfähige Überlebende
    Was wäre wenn? Wenn ich eines Morgens aufwache und niemand außer mir noch da ist. Abenteuerlich was Armin – gespielt von Hans Löw – in Ulrich Köhlers apokalyptischer Geschichte "In My Room" erleben wird. Ein Film erzählt in zwei Kapiteln. Im ersten sehen wir Armin als erfolglosen Kameramann und bei der Rückkehr aus Berlin zum Vater und zur sterbenden Großmutter. Und dann ist die Welt leer, bis auf Armin und die Tiere. Zunächst tobt sich Armin aus, rast mit einem Lamborghini, der da noch so rumsteht, Richtung Süden. Dann ein Zeitsprung. Vielleicht Jahre später. Armin hat sich niedergelassen, ist reifer geworden, ernährt sich von dem, was er anbaut. Eines Tages ist da die Frau.
    "Have you met others? - Only you."
    Hast du andere getroffen, fragt Armin. Nur dich, meint Kirsi. "In My Room" entwickelt seinen Sog aus der Post-Apokalypse-Genre-Frage, wie würden wir in Armins Situation überleben? Dabei geht es in Ulrich Köhlers Film vor allem darum, wie ein Mann, der beziehungsunfähig ist, eine Beziehung zu der Welt um ihn herum überhaupt herstellen kann. Und die Frau, der weibliche Freitag, auf den dieser Robinson trifft? Ist sie so beziehungsunfähig, wie es Armin am Anfang war. Vielleicht ist ja Armin Freitag und Kirsi der, Schrägstrich, "die" wahre Robinson, die zur neuen "frontier" aufbricht. Und Freitag ist der Stubenhocker.
    "In My Room" von Ulrich Köhler – empfehlenswert.
    Rechte Propaganda
    Auf zum Mond. Warum?
    "Ich denke, dass wir dadurch Dinge sehen werden, die wir vielleicht schon längst hätten sehen sollen, die uns aber bisher verschlossen waren."
    Dann geht Neil Armstrong die Leiter der Mondfähre herunter. 21. Juli 1969. Und Ryan Gosling, der Neil Armstrong in Damien Chazelles Film "Aufbruch zum Mond" spielt, erscheint in diesem Moment das Bild der vor Jahren an Leukämie verstorbenen Tochter. Vor Jahren hat ihn die NASA genau dazu befragt:
    "Das mit Ihrer Tochter tut mir sehr leid. -
    Armstrong: Danke, aber was ist die Frage? -
    Was ich meine, ist: Hat das vielleicht Auswirkungen?
    Ich denke wohl, es wäre unvernünftig anzunehmen, dass es keine Auswirkungen hat."
    Damien Chazelles "Aufbruch zum Mond" macht uns vor, dass nur ein Mann, der so hart und verschlossen ist, so etwas Übermenschliches wie einen Mondflug leisten kann. "Per aspera ad astra", "durch das Raue zu den Sternen" - altes lateinisches Sprichwort -, und hier, beim Mondflug, wörtlich zu nehmen. Der gesellschaftliche Aufbruch, der das Jahr 1969 kennzeichnet, erscheint im Film dabei als Störfaktor, der von der Menschheitsaufgabe "Mondflug" ablenkt. Was soll uns und das nun sagen? Die amerikanischen Kritiker spürten instinktiver, was uns hier untergejubelt wird. Richard Brody schrieb im New Yorker, dass für ihn "Aufbruch zum Mond" rechte Propaganda ist, weil eben der gebrochene Held am Ende umso leuchtender als der Amerikaner strahlt, der Amerika groß gemacht hat. Das ist die Botschaft des Films.
    "Aufbruch zum Mond" von Damien Chazelle – ärgerlich.
    Mittelalter als Publikumsmagnet
    "Wir müssen Schottland einen!"
    "Outlaw King" von David Mackenzie erzählt auch eine Heldengeschichte. Die von König Robert the Bruce – gespielt von Chris Pine -, der im 14. Jahrhundert Schottland einte.
    "Diene Robert Bruce. Schließt Euch uns an!"
    "Hell of High Water"-Regisseur David Mackenzie, gebürtiger Schotte, macht in "Outlaw King" vor allem die Zäsur deutlich, die die "Game of Thrones"-Serie als Messlatte für Mittelalter-Filme gesetzt hat: Wenn sich am Ende das zahlenmäßig unterlegene schottische Heer den Engländern stellt, dann inszeniert Mackenzie ein Gemetzel, das blutig, brutal und drastisch bebildert ist wie in der Serie. Allerdings, wenn denn am Freitag dieser Woche "Outlaw King" auf Netflix anläuft, sollte man vorher Wikipedia oder Geschichtsbücher studieren, um zu begreifen, wer hier warum gegen wen und worum kämpft. Die große Unübersichtlichkeit, die die Insel im 14. Jahrhundert politisch prägte, könnte für David Mackenzie Spiegel für die heutige Unübersichtlichkeit sein. Aber vielleicht hat Netflix ja nur mit einem großen Budget gelockt, weil: Mittelalter kommt gut im Film. Immer wieder und immer noch.
    "Outlaw King" von David Mackenzie – ab Freitag als Stream auf Netflix – annehmbar.