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Macht und Ohnmacht

Von einem afroamerikanischen Paar auf der Flucht vom Norden der USA in den Süden erzählt „Queen und Slim“, vom Kampf einer Bäuerin gegen eine mafiöse Genossenschaft auf Island „Milchkrieg in Dalsmynni“, und die Doku „Alkohol – Der globale Rausch“ lässt uns unser Trinkverhalten überdenken.

Von Hartwig Tegeler |
Eine Frau hat ihren Arm um ihren Freund gelegt
"Queen und Slim" blicken in eine ungewisse Zukunft (www.imago-images.de / Universal Pictures)
Onkel Earl hat bei der Begrüßung von Queen und Slim nicht recht:
"Nein, wenn das nicht die schwarzen Bonnie und Clyde sind."
Denn die Juristin Angela alias Queen – gespielt von der Newcomerin Jodie Turner-Smith - und der Schuhverkäufer Ernest alias Slim – dargestellt von Daniel Kaluuya - sind keine schießwütigen Gangster auf der Flucht, sondern ein Paar, das nach einem Tinder-Date in eine Verkehrskontrolle gerät. Die läuft aus dem Ruder. Der Polizist schießt Queen an; Slim ergreift die Pistole, hält reflexartig auf den Polizisten. Die Juristin ist nach Slims tödlichem Schuss illusionslos:
"Du bist ein Schwarzer, hast einen Cop getötet und seine Waffe gestohlen."
"Ich bin kein Verbrecher!
"Doch, jetzt schon."
"Queen & Slim" ist auf der einen Seite ein Genre-Film über ein fliehendes Paar, das nichts zu verlieren hat, sondern schlicht Opfer der Verhältnisse geworden ist.
"Wir können nur noch nach vorne blicken, es gibt kein Zurück mehr für uns. Bitte, lass uns einfach weiterfahren."
Aussichtslose Situation
Aber Melina Matsoukas Roadmovie - die Flucht Richtung Süden – hat seinen Ausgangspunkt nicht in Kino-Genres, sondern in der rassistischen Alltagserfahrung der Afroamerikaner. "Queen und Slim" wirkt wie vollgesogen mit Realität und Wut. Schwarze wie Weiße glauben im Film keine Sekunde daran, dass den beiden Gerechtigkeit widerfahren würde, kämen sie vor Gericht. Regisseurin Melina Matsoukas zieht dabei keine einfache Linie zwischen Schwarz und Weiß. So helfen Weiße den beiden Flüchtenden; andere, Schwarze, die sich als Unterstützer ausgeben, sind hingegen scharf auf das Kopfgeld. Die Wut der Afroamerikaner, die im 21. Jahrhundert immer noch vom jahrhundertealten Rassismus unterdrückt werden, entlädt sich im Film in gewalttätigen Demonstrationen, die aber hilflos wirken.
"Queen & Slim" von Melina Matsoukas – herausragend.
Um den Widerstand gegen eine übermächtig scheinende Institution geht es auch in Grimur Hákonarsons Film "Milchkrieg in Dalsmynni". Die Isländerin Inga betreibt ihren vollautomatisierten, aber hoch verschuldeten Milchbetrieb allein. Und zwar nach den Vorgaben der Genossenschaft des Landkreises, die einst gegründet wurde als Vertretung der Landwirte, mittlerweile aber den Bauern alles vorschreibt. Ingas Mann hat für diese Genosschaft spioniert, andere Landwirte verraten. Nun ist er tot – Unfall? Selbstmord? -, und Inga hat es satt. Öffentlich spricht sie von einer Mafia.
Befreiung aus der Enge
"Die Genossenschaft ist bei weitem das größte Unternehmen hier in der Region. Denen gehört hier so gut wie alles. Das führt zu einer sehr großen Abhängigkeit. Vor allem von uns Landwirten. Sie nehmen unsere Erzeugnisse ab. Wir können sie an keinen anderen verkaufen. Und wir müssen alles von ihnen beziehen."
"Milchkrieg in Dalsmynni" erzählt davon, wie die Genossenschaft zurückschlägt, was natürlich die Kinodramaturgie erfordert. Regisseur Grimur Hákonarson hat 2015 einen Film über zwei isländische Schafzüchter gedreht. Titel: "Sture Böcke". Inga, die widerständige Milchbäuerin, wirkt wie deren Schwester: mutig, lakonisch. Als sie am Ende die Enge diese kargen Weite verlassen muss, wirkt das fast wie eine Befreiung.
"Milchkrieg in Dalsmynni" von Grimur Hákonarson – empfehlenswert.
Was ist eine Droge?
"Trinken ist der Inbegriff des sich etwas Gutes tun. Beim Feiern",
sagt Lorenz Gallmetzer, Journalist aus Wien in Andreas Pichlers Dokumentation "Alkohol – Der globale Rausch". Gallmetzer ist trockener Alkoholiker. Also jemand, der von Alkohol abhängig ist. Wovon genau aber ist Gallmetzer abhängig? Von einem Genussmittel oder einer Droge?
Gefahr für die Gesellschaft
Pichlers Film geht dieser Frage in zahlreichen Aspekten nach. Er untersucht die Marketingstrategien der großen Alkohol-Konzerne auf ihren neuen Absatzmärkten in China, Indien und Afrika und beleuchtet den Versuch – wie in Island – den Konsum schon bei den Kindern und Jugendlichen einzudämmen. David Nutt, britischer Neuropharmakologe, untersucht die Schäden, die durch Drogen – inklusive Alkohol – angerichtet werden, und zwar für die Gesellschaft. Das Ergebnis: Alkohol war die gefährlichste Droge.
"Die Schäden, die die gesamte Gesellschaft durch Alkohol erleidet, sind – verglichen mit jeder anderen Droge – massiv. Alkohol verursacht Verkehrsunfälle, häusliche Gewalt, Kindesmissbrauch und gewaltige Kosten für das Gesundheitssystem und das Polizeiwesen."
Mit Verharmlosung, wie man hört, hat es diese Doku nicht so. Drei Millionen Tote aufgrund von Alkohol jährlich sprechen eine klare Sprache und lassen es in diesem Zusammenhang tatsächlich absurd wirken, dass der Begriff "Droge" nur für illegale Rauschmittel verwendet wird.
"Alkohol – Der globale Rausch" von Andreas Pichler – empfehlenswert.