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Dreimal bundesdeutsche Wirklichkeit: Die Geschichte eines Ehrenmordes rollt das Drama „Nur eine Frau“ auf. Hinter die Kulissen des Bundesnachrichtendienstes blickt „Das Ende der Wahrheit“. Mit Kindern, die in einem rechtsextremen Umfeld aufwachsen, setzt sich „Kleine Germanen“ auseinander.

Von Jörg Albrecht |
Roland Zehrfeld im Brustbild schaut von sich aus nach links
Roland Zehrfeld als BND-Mitarbeiter Martin Behrens in "Das Ende der Wahrheit" (Filmfestival MOP 2019/ Bend Schuller)
Ein Blick in Kinderaugen. Ein Spielplatz irgendwo in Deutschland. Die Worte "Kleine Germanen" sind zu lesen. Geschrieben sind sie in Frakturschrift. So beginnen die Regisseure Frank Geiger und Mohammad Farokhmanesh ihren Dokumentarfilm über die rechtsextremistische Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen.
Wie die Indoktrination konkret aussieht, zeigt eine Geschichte, die sich in Animationssequenzen als roter Faden durch "Kleine Germanen" zieht. Erzählt wird sie aus dem Off von einer Frau, die sich Elsa nennt. Schon als kleines Mädchen – es ist das Jahr 1974 – wird Elsa von ihrem Großvater auf den rechten Weg gebracht.
"Mein Opa war mein Ein und Alles. Ich habe ihn und seine Geschichten aus dem Dritten Reich geliebt."
"Wie lautet die Parole, Gefreiter Elsa?"
"Für Führer, Volk und Vaterland!"
Mehr Form als Inhalt
Zwischen den Trickfilmpassagen, die Elsas Leben bis zu ihrer Distanzierung von der rechten Ideologie nacherzählen, gibt es die Stimmen von Rechtsextremismus-Experten zu hören und Interviews mit Aktivisten der Neuen Rechten wie dem Verlegerehepaar Ellen und Götz Kubitschek, Eltern von sieben Kindern.
"Das Konservativ-Revolutionäre ist schon genau das richtige Wortpaar. Wir sind beide an Veränderung per se nicht interessiert. Wir sind beide Retrotypen."
Welche Werte und Einstellungen beispielsweise die Kubitscheks ihren Kindern vermitteln, bleibt der Fantasie des Zuschauers überlassen. Die animierten Teile dagegen sind plumper, klischeehafter. Formal beeindruckt dieser Dokumentarfilm mehr als inhaltlich, was angesichts der brisanten Thematik zu bedauern ist.
"Kleine Germanen": zwiespältig
"Das bin ich. Mein Bruder hat mich erschossen. Ich war ein Ehrenmord. Vielleicht erinnert ihr euch."
Eine junge Frau erzählt aus ihrem Leben und davon, was dazu geführt hat, dass sie getötet wurde. In ihrem Film "Nur eine Frau" wendet Regisseurin Sherry Hormann denselben dramaturgischen Kniff an wie Peter Jackson bei seiner Verfilmung des Romans "In meinem Himmel". Die Ermordete spricht uns direkt an.
Terror statt Toleranz
Aynur ist eine junge Türkin aus Berlin, die im Alter von 16 Jahren von ihren Eltern in der Türkei zwangsverheiratet wird. Weil ihr Ehemann sie schlägt, kehrt Aynur nur wenige Monate später mit einem Kind im Bauch zu ihrer Familie nach Berlin zurück. Nachdem sie ihr Baby auf die Welt gebracht hat, fasst sie den Entschluss auszuziehen.
"Erst verlässt du deinen Mann und jetzt verlässt du deine Familie."
"Ich ziehe in ein Haus für junge Mütter, weil da mehr Platz ist für Can und mich. Was ist daran so falsch?"
Vor allem ihre Brüder können und wollen Aynurs Weg in die Freiheit nicht tolerieren und terrorisieren sie. Einer von ihnen wird sie Jahre später mit drei Schüssen in den Kopf töten.
Auch Sherry Hormanns Film ist nicht frei von kolportagehaften Momenten. Aber in seiner Intensität und leider auch Aktualität, was die Lebenssituation von Frauen in patriarchalisch-fundamentalistischen Kulturen betrifft, ist er bewegend und intensiv.
"Nur eine Frau": empfehlenswert
"Sie haben hier keine Zugangsberechtigung mehr."
"Wer sagt das?"
"Ich. Haben Sie noch nicht gehört? Ich leite den Stab vorerst."
Kompetent und Furios
Mitarbeiter des Monats ist Martin Behrens ganz sicher nicht. Der Zentralasien-Experte beim Bundesnachrichtendienst ist von seinen Kollegen kaltgestellt worden, nachdem einer seiner Informanten im Nahen Osten enthauptet wurde.
"Und haben Sie ihm Asyl versprochen?"
"Ja."
"Ihn dann aber abschieben lassen?"
"Wir verhören sie und dann schieben wir sie ab."
"Das ist das übliche Vorgehen, damit sie nicht mit der Presse oder der Polizei reden."
"Das Ende der Wahrheit" von Philipp Leinemann ist ein Film, wie es ihn in Deutschland nicht oft gibt: Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus und die Arbeit der Geheimdienste werden zu einem kompetenten und manchmal sogar furiosen Mix aus Polit-, Geheimdienst- und Verschwörungsthriller verbunden. Ronald Zehrfeld spielt den BND-Mitarbeiter, der immer mehr in die Schusslinie gerät.
Schön, dass eine solche Geschichte einmal nicht als Serie aufgeblasen wurde, sondern – kompakt erzählt – ins Kino kommt.
"Das Ende der Wahrheit": empfehlenswert